Vortrag im Rahmen des ThomasForum - begegnen, bilden, glauben

  • 11.04.2018
  • Prof. Dr. Georg Vobubra

Unsicherheit als politische Selbstblockade.
Eine moralfreie Sicht auf Arbeitslosigkeit und Armut.
Georg Vobruba

1.

Von Unsicherheit ist hier in erster Linie im Sinn von unsicheren materiellen Lebensgrundlagen die Rede. Gewiss – Arbeitslosigkeit und Armut bringen noch andere Probleme mit sich. Man könnte sie vielleicht als Anerkennungsprobleme bezeichnen. Aber auch in dieser Hinsicht spielt Geld eine wichtige Rolle: Geld ist in kapitalistischen Marktwirtschaften nicht nur das dominante Mittel der Existenzsicherung, es ist auch ein wichtiger Indikator gesellschaftlicher Anerkennung. Dass man für seine Arbeit Geld erhält, zeigt an, dass sie von anderen wertgeschätzt wird. Es gibt auch andere Arten von Anerkennung: Lob, Ehre, aber die müssen explizit und aufwändig kommuniziert werden, sind also weit weniger selbstverständlich. Arbeitslos sein, arm sein, bedeutet also Geldmangel als materielles Problem und als Mangel an Anerkennung. Beides ist prekär. Hier geht es um ersteres.

Wer sich in einer materiell prekären Lebenssituation befindet, ist in seiner Lebensführung zu einer charakteristischen Unmittelbarkeit gezwungen. Das bedeutet, dass man keine langfristigen Pläne machen, keinen weiteren Zukunftshorizont in das eigene Handeln und die eigenen Kalküle einbeziehen kann. Man muss sich an die nächstliegenden Möglichkeiten halten, und diese sind ganz überwiegend von anderen definiert. Mit existentiellen Notlagen schrumpft der Zukunftsperspektive und die Fremdbestimmtheit nimmt zu. Das zeigen zahlreiche Untersuchungen zur Lage von Arbeitslosen, insbesondere die klassische Untersuchung „Die Arbeitslosen von Marienthal“ aus dem Jahr 1933, also aus einer Zeit, in der es kaum sozialpolitische Unterstützung gab. (Jahoda, Lazarsfeld, Zeisel 1933/1975)

Entscheidend ist, dass Unsicherheit der materiellen Existenzgrundlagen nicht nur die Einstellungen und das Handeln jener formt, die akut davon betroffen sind. Unsicherheit strahlt aus. Sie wird antizipiert. Sie wirkt als Erwartung, Befürchtung, Drohung von Mangel, Fremdbestimmtheit etc. Es ist dieses Ausstrahlen der Wirkungen von Arbeitslosigkeit und Armut, das in die Gesellschaft wirkt; freilich auf der Grundlage, dass es diese Probleme tatsächlich gibt, dass die Drohung für die Individuen real, die Befürchtung realistisch ist.

2.

Noch eine Bemerkung zum Untertitel. „Moralfrei“ bedeutet nicht unmoralisch, sondern zielt auf eine Argumentation, die ohne Rekurs auf Moral auskommt. Es gibt mehrere Gründe, so vorzugehen. 1. Um moralisch gegen Arbeitslosigkeit und Armut zu sein, braucht man keine Soziologie. Darauf kann man sich in aller Regel rasch einigen. Und dann? Die moralgeleitete Zustimmung entlastet vielleicht das Gewissen, verstellt aber wichtige und interessante Fragen, Fragen, die – wie ich meine – eine moralische Positionierung gegen Arbeitslosigkeit und Armut überhaupt erst politisch strategiefähig machen. Die wichtigen Fragen sind: Wie kann und soll man gegen Arbeitslosigkeit und Armut vorgehen? Wer kann effektiv etwas gegen Arbeitslosigkeit und Armut tun? Ich gehe hier ohne weitere Begründung davon aus, dass die relevanten Akteure, die etwas gegen Arbeitslosigkeit und Armut tun können und tun sollen, in der Politik zu finden sind. Wenn das so ist, dann lautet die entscheidende Frage: Welche Motive können relevante politische Akteure haben, Politik gegen materielle Unsicherheit zu machen?

3.

Arbeitslosigkeit und Armut sind nicht nur für die davon unmittelbar Betroffenen ein Problem. Das ist der Dreh- und Angelpunkt der weiteren Argumentation. Das Argument ist alles andere als neu. Schon Marx und Engels hielten bekanntlich von den „Paupers“ wenig. Auf sie konnte man keine Politik, erst recht keine systemüberwindende Politik, gründen. Friedrich Engels beschreibt das anschaulich in einem Brief an Eduard Bernstein (27. 10. 1881): „Wer am Ertrinken ist, greift nach jedem Strohhalm und kann nicht warten, bis das Boot vom Ufer abstößt, das Rettung bringen will. Das Boot ist die sozialistische Revolution, der Strohhalm ist der Schutzzoll und Staatssozialismus.“ (zit. nach Tennstedt 1983: 294) Sozialpolitik hatte von ihren Anfängen an Verbesserungen der materiellen Lebenslagen als Mittel zur Erreichung weit darüber hinaus gehender Zwecke im Auge. Das gilt sowohl für konservative wie für linke sozialreformerische politische Kalküle. Otto von Bismarck verfolgte mit der Gründung der Sozialversicherungen in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts die Absicht, „den kleinen Mann“ zu lehren, „das Reich als eine wohltätige Institution anzusehen.“ (zit. nach Baron 1979: 38) Eine Beispiel für die linke sozialreformerische Position ist Alexander Parvus: „Die Arbeitslosenunterstützung hat nur einen Sinn als gewerkschaftliches Kampfmittel. Dann handelt es sich aber auch dabei am allerwenigsten um die Arbeitslosen selbst, sondern hautsächlich um die beschäftigten Arbeiter, die unter der Konkurrenz der Arbeitslosen leiden.“ (Parvus 1896: 35. Zit, nach Niess 1979: 170) Gingen solche Strategieüberlegungen auch in ganz unterschiedliche Richtungen, so teilten sie doch eine Grundeinsicht: Will man Gesellschaft politisch gestalten, so hat dies ein gewisses Maß an materieller Existenzsicherheit als Voraussetzung. Denn das Risiko und die Angst der Leute, in materielle Not zu geraten, macht sie handlungsunfähig und raubt damit auch der Politik ihren Handlungsspielraum. Mit dieser Wendung entledige ich mich zugleich des Problems, ein Maß für Armut, die Existenzangst erzeugt angeben zu müssen. Es kommt nicht darauf an, wie Armut sozialwissenschaftlich definiert ist (natürlich sind gewisse Richtwerte in manchen Zusammenhängen ganz nützlich), es kommt darauf an, inwieweit die Möglichkeit materiellen Anstiegs den Leuten selbst Angst macht. Es kommt also darauf an, wie die Leute selbst ihre Lage und deren mögliche Entwicklung interpretieren.

4.

Die Wirkungen, um die es hier geht, lassen sich in zwei miteinander verbundene Probleme aufteilen: A) individuell. Je drängender materielle Probleme werden, umso mehr schrumpft der individuelle Planungshorizont. Die Risikobereitschaft nimmt ab, da man sozusagen ohne Netz arbeitet und bei Misserfolg fürchten muss, ins Bodenlose zu fallen. Also verzichtet man auf die Möglichkeit von Erfolg. Generell festigt sich unter dem Eindruck von drohender materieller Unsicherheit die Fixierung auf den status quo. Dies führt unmittelbar zu politischen Anschlussproblemen. B) politisch. Zumindest in parlamentarisch-demokratischen Systemen hängt Politik in vielfacher Weise von den Einstellungen und dem Handeln der Bürgerinnen und Bürger ab. Mangelnde Risikobereitschaft und Status quo Fixierung setzen sich in die Wahl von Parteien um, welche die Verwaltung des status quo oder die Wiederherstellung eines (als „bessere Zeiten“ erinnerten) status quo ante versprechen. Schon eine derartige relevante Minderheitenposition kann ausreichen, um politischen Immobilismus zu etablieren.

5.

Soziale Sicherheit mildert die lähmenden Effekte von Arbeitslosigkeit und Armut. Der Begriff „soziale Sicherheit“ bezieht sich hier unmittelbar auf unser Kernproblem: akute und befürchtete materielle Unsicherheit. Es geht also um sozialpolitische Transfers, um Sozialpolitik, die finanzielle Mittel an dafür Berechtigte verteilt. Für Sozialpolitik ist nach wie vor in erster Linie staatliche Politik zuständig, und darauf richten sich auch die Erwartungen der Leute. Den weiten Bereich der sozialen Dienstleistungen spare ich hier ebenso aus wie alle Formen nichtstaatlicher, ehrenamtlicher, kirchlicher etc. Sozialpolitik und privater Wohltätigkeit. Fasst man die Wirkungen staatlicher Sozialpolitik ins Auge, muss man wieder zwei Aspekte unterscheiden: A) Die Wirkungen von sozialpolitischen Transferzahlungen für akut von Notlagen Betroffene. B) Die Aussicht auf Transferzahlungen für alle, für den Fall von Notlagen. Diese Unterscheidung folgt dem oben entwickelten Argument, dass gesellschaftliche Effekte nicht erst von akuten materiellen Notlagen ausgehen, sondern dass es dabei auf das Bewusstsein des Risikos, auf die Angst vor Armut, ankommt.

Natürlich geht es um die tatsächlichen Sozialttransfers. Aber entscheidend ist die sichere Erwartung, im Fall von Arbeitslosigkeit und Armut Sozialtransfers zu erhalten; denn es ist ja die Aussicht, die Furcht vormateriellen Notlagen, welche deren Fernwirkungen verursacht. Konzentriert man sich auf Erwartungen, so kann man daraus Rückschlüsse auf die Anforderungen an angemessene Sozialtransfers ziehen. Sie ergeben sich ganz einfach aus der Frage, unter welchen Bedingungen sich eine stabile Erwartung – und damit: ein Sicherheitsgefühl - ausbilden kann. Eine stabile Erwartung an Sozialpolitik, nicht in materielle Notlagen zu geraten, hat die folgenden Voraussetzungen: 1. Eine ausreichende Höhe der Leistungen. Dazu ist im Prinzip nicht viel zu sagen. 2. Klar definierte Anspruchsvoraussetzungen. Dies ist das entscheidende Kriterium. Es bedeutet, dass 3. klar definierte Rechtsansprüche bestehen. Der dagegen vorgetragene Einwand, dass Rechtsansprüche auf Sozialtransfers ja immer mit Auflagen verbunden sind, geht ins Leere. Denn für tatsächlich nutzbare Handlungsspielräume ist der Vergleich der Situationen ohne und mit den real existierenden Sozialleistungen entscheidend. Die Möglichkeit, im Fall von unzumutbar empfundenen Auflagen auf Sozialleistungen zu verzichten, besteht immer (Vobruba 2017: 44ff.). Aus dem Kriterium des möglichst unbedingten Rechtsanspruchs folgt, dass es 4. möglichst wenig behördlichen Ermessensspielraum gibt. Und es bedeutet schließlich 5., dass Vereinbarkeitsregeln geschaffen werden, so dass individuelle Selbsthilfepotentiale möglichst nicht gestört werden. Das betrifft vor allem Möglichkeiten des Zuverdienstes und die Schonung von eigenem Vermögen.

6.

Anhand dieser Kriterien lassen sich einige interessante Hinweise für eine – im Sinne der Erhaltung oder Steigerung politischer Handlungsfähigkeit – rationale Sozialpolitik gewinnen. 1. Die Absenkung sozialpolitischer Leistungsniveaus, etwa als „Anreiz“ zur Aufnahme einer bezahlten Tätigkeit, schadet deutlich mehr als es nützt. Es ist wiederholt gezeigt empirisch worden, dass Arbeitslosigkeit nur zu einem sehr geringen Prozentsatz auf mangelnde Arbeitsbereitschaft, hervorgerufen durch großzügige sozialpolitische Leistungen, zurückzuführen ist. Dagegen entsteht großflächiger Schaden durch die Armutsdrohung, die mit Leistungskürzungen verbunden ist. 2. Man muss das Dilemma sehen: Zwischen Erwartungssicherheit, die klare, generalisierende Anspruchsvoraussetzungen verlangt einerseits und auf die Einzelfälle zugeschnittener, individualisierter Leistungsvergabe andererseits. Als Programm klingt es gut, möglichst auf jeden Einzelfall einzugehen, in der Praxis der Vergabe von Leistungen ergeben sich daraus Ermessensspielräume, die keineswegs im Sinne der Anspruchsberechtigten genützt werden müssen. Unter dem Diktat knapper Sozialbudgets ist eher das Gegenteil zu erwarten. 3. Und was die Vereinbarkeitsregeln betrifft: Die Pflicht zur vorrangigen Nutzung individuellen Vermögens vor dem sozialpolitischen Leistungsbezug (die konservative Auslegung des Subsidiaritätsprinzips) zerstört den Anreiz zum eigenen (kleinen) Vermögensaufbau. Und schließlich ist geboten, Arbeitseinkommen zu deutlich weniger als 100% auf Sozialtransfers anzurechnen.

Es erübrigt sich zu erwähnen, dass die Hartz IV-Reformen gegenüber der sozialpolitischen Situation vorher (also vor 2004) in allen diesen Punkten mit Ausnahme des allerletzten verfehlt waren. Die sozialpolitischen Änderungen - von „Reformen“ mag man nicht sprechen - gingen in mehreren Ländern in Richtung der Absenkung von Leistungsniveaus und des Abbaus von Erwartungssicherheit. Damit nahmen die Fernwirkungen von Arbeitslosigkeit und Armut zu, daher schrumpften individuelle Handlungsspielräume, darum gerieten jene politischen Strömungen in Probleme, die am ehesten auf real existierende politische Handlungsspielräume angewiesen sind: die Parteien links der Mitte – mit Ausnahme jener Parteien, die sich um die Umsetzbarkeit ihrer Programmatiken nicht kümmern (müssen). Daher kommt der zunehmende politische Immobilismus.

7.

Der Immobilismus macht sich vor allem bei solchen politischen Projekten bemerkbar, die auf grundlegendere Reorganisationen der Ökonomie hinauslaufen. Ökonomische Reformprojekte installieren neue Wettbewerbsverhältnisse, führen zu neuen Formen von (internationaler) Arbeitsteilung und bringen eine Neu-Allokation von Produktionsfaktoren mit sich. Solche Projekte stehen darum in der Regel vor dem folgenden Dilemma: Längerfristig können sie höhere Erträge und in der Folge Wohlstandsgewinne für Mehrheiten abwerfen, kurzfristig dagegen bedeuten sie Einbußen an Wohlstand. Solche Reformen führen durch ein „Tal der Tränen“ – um einen Ausdruck von Ralf Dahrendorf zu benutzen. Soziale Sicherheit trägt dazu bei, dieses Tal zu überbrücken. Sozialtransfers begrenzen die Kosten der ökonomischen Reorganisation und entschärfen Konstellationen, in denen jetzt eine Gruppe (die Arbeitslosen) die Kosten zu tragen hat, damit es später einer Mehrheit besser geht. Das ist der theoretische Hintergrund der These, dass ökonomische Transnationalisierungsprojekte sozialpolitisch unterfüttert werden müssen, um politisch durchsetzbar zu sein und Chance auf Erfolg zu haben. Und es ist ebenso die Erklärung der empirischen Beobachtung, dass es einen trade-off zwischen sozialpolitischer Absicherung und Schutzzollpolitik gibt: Also entweder Absicherung derer, die durch Marktöffnungen in Bedrängnis geraten, oder Abschirmung durch Isolationismus.

8.

Politik, die nicht ausreichend berücksichtigt, dass ihr eigener Handlungsspielraum auf sozialpolitisch abgesicherten Handlungsspielräumen der Leute beruht, steht schutzlos vor einer Politik der einfachen Lösungen, also vor Populismus. Sozialwissenschaftlich muss man mit dem Begriff Populismus vorsichtig umgehen. Als politischer Kampfbegriff bedeutet er nicht viel mehr als „Politik, mit der die anderen Erfolg haben“. In diesem Sinn ist der Begriff natürlich unbrauchbar. Alle Politik in parlamentarischen Demokratien, die auf Realisierung aus ist, muss sich nach Mehrheiten richten. Es muss schon noch etwas dazu kommen, damit in einem gehaltvollen Sinn von „Populismus“ die Rede sein kann. Ich schlage vor, solche Politiken „populistisch“ zu nennen, die Probleme derart aufgreifen, dass sich ein Suchteffekt ergibt: Die politische Deutung eines Problems und die zu seiner Lösung ergriffenen Maßnahmen bewältigen es nicht, sondern führen in eine Situation, in der mehr von denselben Maßnahmen erforderlich wird. Das beste und traurigste Beispiel: Die hohe Mordrate in den USA wird damit erklärt, dass es an Möglichkeiten zur Selbstverteidigung mangelt und durch erleichterten Zugang zu Schusswaffen bekämpft. (Zum Zusammenhang zwischen verfügbaren Schusswaffen und der Mord- und Selbstmordrate vgl. The Economist 24.-30. 3. 2018. S. 42, 43) Kommt es dann zu mehr Gewalttaten, wird noch mehr vom selben verlangt. Ein anderes Beispiel: Zum Schutz inländischer Arbeitsplätze werden Zölle eingeführt. Diese Zölle führen zu Preissteigerungen für Rohstoffe und Vorprodukte aus dem Ausland und zu Gegenmaßnahmen anderer Länder. In der Folge gehen im Inland Arbeitsplätze verloren, worauf mit weiteren Zöllen reagiert wird. Oder: Sozialabbau im Kontext eines Überfremdungs- und Sozialtourismusdiskurses führt zur Umlenkung der Sicherheitsbedürfnisse von sozialer Sicherheit und „innerer Sicherheit“ durch Ausschließung und Grenzschließung. Das Sinken der Sozialleistungsniveaus wird wieder Immigranten in Zusammenhang gebracht, der Wunsch nach Exklusion, Grenzschließung wird intensiver usw. Als traurige Karikatur finden wir dies zurzeit in Österreich: Sozialpolitische Abbauversuche und gleichzeitige Gründung einer Reiterstaffel bei der Wiener Polizei. Erst mit 12 später mit 24 Pferden will man „das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung“ steigern. Populistische Politik muss nicht immer funktionieren, und ihr Drogeneffekt muss nicht immer wirksam werden. Aber es besteht immer die doppelte Gefahr: dass unsinnige Politik gemacht wird, und dass sich Politik selbst unter Zugzwang setzt, damit immer weiter zu machen. Populistische Politik führt in eine besonders schwer überwindbare politische Selbstblockade.

9.

Ich fasse zusammen. Politisch zugelassene Existenzangst wirkt destruktiv auf Politik zurück. Existenz b und Zukunftsängste der Leute schränken die Handlungsspielräume der Politik ein und können noch dazu eine Dynamik populistischer Politik in Gang setzen. Sozialpolitik ist in diesem Sinn nicht ein Politikfeld wie viele andere auch. Sozialpolitik ist in parlamentarisch-demokratisch verfassten Gesellschaften eine Grundvoraussetzung, um Politik machen zu können. Mit Sozialpolitik verfolgt Politik also nicht nur konkrete Zwecke in der Gesellschaft, sondern bezieht sich immer auch reflexiv auf sich selbst. Politik muss im Interesse an sich selbst an sozialer Sicherheit interessiert sein.

Prof. Dr. Georg Vobruba, Institut für Soziologie, Universität Leipzig

Literatur

  • Jahoda, Marie, Paul Lazarsfeld, Hans Zeisel 1933/1975. Die Arbeitslosen von Marienthal. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
  • Niess, Frank 1979. Geschichte der Arbeitslosigkeit. Köln: PahlbRugenstein. Tennstedt, Florian 1983. Vom Proleten zum Industriearbeiter. Köln: Bund Verlag.
  • Vobruba, Georg 2017. Krisendiskurs. Die nächste Zukunft Europas. Weinheim. Basel: Beltz, Juventa.