Vortrag im Rahmen des ThomasForum - begegnen, bilden, glauben

  • 09.05.2018
  • Prof. Dr. Jürgen Ziemer

Thomas- Forum Leipzig am 9.Mai 2018
Jürgen Ziemer
Der eine Gott – (aber) eine Dreieinigkeit

1. Trinitätslehre. Selbstverständlich, schwierig und unverzichtbar

Ohne Frage gehört die Dreieinigkeit, lat. trinitas, also die „Trinität“, zu den zentralen Inhalten christlichen Glaubens. Fast sonntäglich bekennen wir uns mit dem Apostolischen Glaubensbekenntnis zu ihr. Keine Taufe kann als gültig anerkannt werden, die nicht auf den Namen des „Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ vollzogen wurde. Der Festzyklus des Kirchenjahres wird nach Pfingsten mit dem Trinitatisfest abgeschlossen und danach gibt es bei den Evangelischen mehr als 20 Sonntage „nach Trinitatis“, die Katholiken Leipzigs haben seit 3 Jahren wieder ihre Propsteikirche St. Trinitatis im Leipziger Zentrum. Aus dem Rochlitzer Porphyr herausgearbeitet ist am First der Ostseite der Name „St. Trinitatis“ zu lesen – sehr dezent und unaufdringlich, jedoch erkennbar für jeden, der Augen hat.

Aber „Trinität“ – was ist damit genauer eigentlich gemeint Bei der Frage legt sich die Stirn sofort in Falten. Das fromme Gemüt verzagt leicht vor der Trinitätslehre. Aber auch gewiefte Theologinnen und Theologen geraten ins Stottern. Brauchen wir das noch? Ist die Trinitätslehre vor allem etwas für die Universitätstheologie. Sind In der Welt der Gemeindepraxis ihr Nutzen und ihr spiritueller Erkenntniswert nicht eher von untergeordneter Bedeutung?

Man kann sich für die eigene Skepsis noch Unterstützung holen, indem man beispielsweise Goethe und Kant zitiert:

„Ich glaubte an Gott und die Natur und an den Sieg des Edlen über das Schlechte, aber das war den frommen Seelen nicht genug, ich sollte auch glauben, dass drei eins sei und eins drei; das aber widerstrebte dem Wahrheitsgefühl meiner Seele…“ (Goethe zu Eckermann)

„Aus der Dreieinigkeitslehre, nach dem Buchstaben genommen, lässt sich schlechterdings nichts fürs Praktische machen, wenn man sie gleich zu verstehen glaubt, noch weniger aber wenn man inne wird, dass sie gar alle unsere Begriffe übersteigt.“ (Kant im „streit der Fakultäten“, beide Zitate bei von Stosch, 7f))

„Nichts fürs Praktische“ – also nichts was in Glaubensnot oder Lebenskrise helfen könnte. Muss man das weiter verfolgen? Wenn man dann noch hört, dass wegen eines einzigen Wortes zur Trinität im Nizänischen Glaubensbekenntnis (auf das wir noch kommen werden) im Jahre 1054 die bis heute bestehende Trennung der Kirchen des Ostens und Westens erfolgte – muss man dann nicht in Zweifel geraten?

Antwort:

Der Glaube an den dreieinigen Gott ist das Fundament christlichen Glaubens. Er beginnt mit der Frage, ob in Jesus, seiner Botschaft und seinem Geschick, wirklich Gott begegnet, und der Glaube bejaht sie. Die Begründung und geistige Durchdringung dieses Glaubens ist eine 2 unveräußerliche Aufgabe für die christliche Theologie. Ein Merkmal für eine Religion, die dauerhafte Prägekraft anstrebt, liegt darin, ob sie zur kritischen Reflektion ihrer eigenen Grundlagen fähig und bereit ist. Theologie ist kein Luxus. Sie hat die Aufgabe, die großen Themen des Glaubens verständlich zu machen. Eine bloße Wiederholung überlieferter Formeln wird dieser Aufgabe allerdings nicht gerecht. Nicht ohne Grund haben die bedeutendsten deutschen Theologen des 20. Jh. , Karl Barth (ev.) und Karl Rahner (kath.), die Trinitätstheologie an die Spitze ihrer theologischen Systeme gestellt.

Die entscheidende Frage, auf welche die Trinitätslehre antwortet, lautet, elementar gefasst: Was und wie hat der jenseitige Gott mit der Welt zu tun, in der wir leben.

2. Spuren der Trinität in der Bibel

Jeder theologische Denkversuch muss um biblische Rückbindung bemüht sein. Die biblischen Schriften beider Testamente enthalten keine Trinitätslehre. Sie sprechen aber durchaus von dem einen Gott in der Mehrzahl, in pluralen Begegnungsformen, vor allem wenn es um das göttliche Wirken und Welt und Geschichte geht.

Das gilt zunächst in bedingter Weise für das Alte Testament. Auch dort wir von einem göttlichen „Wir“ gesprochen, z.B. in der Schöpfungsgeschichte (Gen 1,26) oder in der wunderbaren Erzählung von den drei göttlichen Personen, die Abraham und Sara im Hain Mamre besuche (Gen 18, 1-15). Auch ist häufig die Rede von Manifestationen Gottes: als „Engel“, als „Weisheit“, als „Wort“ u.ä. So begleitet ein „Engel Gottes“ – stellvertretend für Jahwe - das Volk Israel auf seiner Wüstenwanderung (Ex 14, 19, vgl. auch: Gen 15, 7; Ps 34, 8). Er wird z. B. im Segen Josephs über seine Söhne mit Gott auf eine Stufe gestellt: „Der Engel, der mich erlöst hat von allem Übel, der segne die Knaben…“ (Gen 48, 16). Solche Stellen führen hin zu einem trinitarischen Gottesverständnis.

Im Neuen Testament rückt das trinitarische Thema näher. Jesus eröffnet den Weg zu Gott. Ist er auch „Gott“? Das ist die Frage, auf die das NT antwortet. Er verkündigt das „Reich Gottes“ (Mk 1, 15). Die Vollmacht, in der er redet und handelt, weist auf geheimnisvolle Weise auf seine Verbundenheit mit Gott (Mk 12, 27ff). Deutlicher wird im Johannesevangelium von der Göttlichkeit Jesu gesprochen. Er ist der „Logos“ und „Gott war das Wort“ (Joh 1, 1). Er ist das fleischgewordene Wort und hat als der Sohn Anteil an der „Herrlichkeit des Vaters“ (Joh 1, 14). „Ich und der Vater sind eins“ sagt der johanneische Christus (Joh 10, 30) und „wer mich sieht, sieht den, der mich gesandt hat“ (Joh 12, 45) und „niemand kommt zum Vater denn durch mich“ (Joh 14, 6). Deutlicher kann von der Gottheit Jesu nicht gesprochen werden. Schließlich erkennt der Jünger Thomas den Auferstandenen und bekennt „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh 20, 28).

Noch weiter gehen einige Aussagen des Paulus, historisch gesprochen: des eigentlichen Begründers der christlichen Theologie. Er nennt Christus den „Schöpfungsmittler“, „durch den alle Dinge sind und wir durch ihn“ (1 Kor 8, 6). Und in dem Christuspsalm des Philipperbriefs sieht Paulus Christus vor aller Zeit als „Gott gleich“, bevor den Weg der 3 Entäußerung ging „bis an das Kreuz“ (Phil 2, 6-11). Hier wird Jesus nicht nur in seiner irdischen Erscheinung, sondern auch von Ewigkeit her als Gott gesehen.

Jesus selbst freilich betont auch hinsichtlich seiner irdischen Existenz die Unterschiedenheit vom Vatergott: „Was nennst du mich gut“ hält er dem reichen Jüngling entgegen: „Niemand ist gut außer Gott allein! (Mt 19, 28). Und ganz bewusst redet Jesus Gott wie auch andere als „Unser Vater“ an (Mt 6, 9).

Auch vom Geist wird im trinitarischen Sinne gesprochen. Schon bei Jesaja ist es der „Geist Gottes“, der auf dem „Zweig aus Isais Stamm“ ruhen wird (Jes 11, 2). Dieser Geist wird zu Pfingsten von Gott über die Gemeinde ausgegossen (Act 2, 17ff). Christen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich vom Geist Gottes leiten lassen (Röm 8, 9.14). Der Geist ist es, der in den Christen Glauben weckt und sie als Gemeinde Jesu Christi in Gottes Namen zusammenführt. Er ist in der Liebe wirksam (Kol 1, 8), bewirkt die wahren Früchte des Glaubens (Gal 5,22f) und hilft die „Geister“ zu unterscheiden (1 Kor 12, 9). Es ist der Geist, der uns instand setzt Gottes Wort zu hören. Die Christen selbst werden zu einer „Wohnung Gottes im Geist“ (Eph 2, 22) Der Hl. Geist wird hier als Person der Trinität klar erkennbar.

Am stärksten nähert sich das Neue Testament einem trinitarischen Bekenntnis in den sogenannten triadischen Formeln. Ganz bekannt ist die Taufformel, wie sie uns im Matthäusevangelium überliefert ist: „Gehet hin und lehret alle Völker und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ (Mt. 28, 19). Sehr bekannt ist auch die Segensformel, die der Apostel Paulus formuliert oder vielleicht schon vorgefunden hat. „Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und Gemeinschaft des Heiligen Geistes sein mit euch allen.“ Diese Formeln, die sich so oder etwas verändert mehrfach in den neutestamentlichen Schriften finden, deuten auf eine klare Entwicklung hin zu einem trinitarischen Bekenntnis. Dieses hatte sehr wahrscheinlich seinen wichtigsten Ort bei der Taufe. Das uns so vertraute Apostolische Glaubensbekenntnis ist aus einem solchen Taufbekenntnis (dem sog. Romanum) hervorgegangen.

Auch das Bekenntnis ist noch keine Trinitätstheologie. Es geht dieser voraus. Im Grunde muss man von einem Dreischritt der Entwicklung ausgehen: Am Anfang stehen die unmittelbaren Erfahrungen des Glauben durch das Wirken Gottes in Christus und durch den Geist, daraus gehen die (dualen und) triadischen Formeln und Bekenntnisse hervor. Erst deren theologische Reflektion führt zur eigentlichen Trinitätslehre.

3. Trinitarischer Glaube im Gewand spätantiker Philosophie – die altkirchliche Trinitätslehre

Im 3./4. Jh. stand das Christentum vor der Herausforderung, seine aufstrebende Religion in einer Weise zu gestalten, dass sie die Einheit schnell gewachsenen Kirchen und Gemeinden begründete und zugleich zum geistigen und moralischen Zusammenhalt des gesamten multiethnischen und multikulturellen Imperiums entscheidend beizutragen vermochte. Es waren in den Jahren nach „Sieg“ des Christentums unter Kaiser Konstantin (4.Jh.)durchaus 4 auch politische Interessen, die hinter den Kämpfen um die Trinitätslehre standen: Ein Reich, ein Kaiser, ein Gott. Der christliche Monotheismus hatte hier gegenüber dem antiken Pantheon ein Plus, aber er musste so interpretiert werden, dass auch das Bekenntnis zu Jesus Christus und zum Geist als zur einen Gottheit gehörig gefestigt wurde. Wie konnte das gelingen?

Voraussetzungen
Es prallten das in der Frühphase des Christentums zwei sehr unterschiedliche kulturelle Welten aufeinander:

Einerseits die biblisch-palästinensische Welt, in der grundlegende religiöse Erfahrungen auf geschichtlichen Ereignissen beruhten, die in Erzählungen, Anekdoten und Apophthegmata, Gleichnissen, Liedern und Bildern aus ferner Zeit bis in die Gegenwart hinein tradiert wurden. Wenn in dieser Welt von Gottes Wirken gesprochen wurde, dann konnte das so beginnen: „Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen … (Lk 13, 5). Andererseits die griechisch-hellenistische Gedankenwelt der Spätantike: Hier dachte man viel stärker in abstrakten Kategorien von Raum und Zeit, von Sein und Erscheinen, von Gottheit und Logos. Auch diese Welt der Begriffe und Ideen hat Eingang in die das Neue Testament gefunden, wenn der Prolog des Johannesevangeliums beginnt. „Am Anfang war das und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort“ (Joh 1, 1).

„Wie sollte man“, fragt Christian Lehnert in seinem Buch über den christlichen Gottesdienst, „eine turbulente Familiengeschichte, die von einem fleischgewordenen ‚Sohn‘ sprach, dem ‚Menschensohn‘, der von einer ‚Jungfrau geboren‘ wurde und Gott seinen ‚Vater‘ nannte und der einen ‚Geist‘ verhieß, der alle Geheimnisse des Himmels in die Herzen der Gläubigen schreiben sollte…, um sie zu lauter ‚Kindern Gottes“ zu machen, in die Begriffe eine Wesensontologie übersetzen?“ (Ch. Lehnert, Der Gott in einer Nuss, Leipzig 2017, 54). Wurde so nicht aus einem lebendigen Vatergott ein gedankliches Prinzip – unanschaulich, abstrakt, lebensfremd?

Nun, zunächst einmal müssen wir uns vergegenwärtige, dass in der spätantiken Welt, in der die christliche Trinitätslehre ihre wesentliche Ausprägung erfahren hat, es viele Gebildete und Interessierte unter den Christen gab, die durchaus mit der Sprache der Philosophie etwas anfangen konnten. Die Theologen und Kirchenmänner, die auf den großen Konzilen von Nizäa (325) und Konstantinopel (380) miteinander rangen, waren keine weltabgewandten Spezialisten. Und viele Christen in den Städten und Gemeinden, in Klöstern und in Kirchendiensten waren in die Auseinandersetzungen involviert. Diskutiert wurde nicht nur in Gotteshäusern und bei Synoden, sondern auch auf Märkten und öffentlichen Plätzen. Religiöse Fragen waren Lebensfragen. Und es war keine Petitesse, wie man als einzelner Christ Gott nahe kommen konnte und wie man heute und in Ewigkeit bei ihm dran war. Es gab ein vitales Interesse daran, dass was in der Kirche gelehrt wurde, auch vernünftig theologisch begründet war – so dass man darauf leben und sterben konnte.

Aufgabe
Die Trinitätslehre sollte das Bekenntnis zu dem einen Gott so formulieren, dass seine Zuwendung zu den Menschen und zu der Welt in Christus und durch den Hl. Geist gedanklich und emotional nachvollziehbar wurde. 5 Für das richtige Verständnis der Dreieinigkeit Gottes ging es darum zwei Irrwege zu vermeiden: Einmal wenn man vor allem die Einzigkeit und Einheit Gottes betonte, also den Monotheismus, oder wie man damals sagte: die Monarchia Gottes, dann war schwer zu erklären, wie das Wirken des Sohnes und des Heiligen Geistes überhaupt als göttliches Handeln in der Welt noch relevant und erlebbar sein würde. Diese Gefahr wurde Monarchianismus oder Sabellianismus genannt. Die andere Gefahr bestand darin zu stark die Verschiedenheit von Vater, Sohn und Geist zu betonen, so dass zwar deren Heilswerk klar herausgestellt wurde, aber darüber die Einzigkeit des einen Gottes vernachlässigt wurde. Das wäre die Häresie eines (heidnischen) Tritheismus.

Trinitätslehre des 4. Jh.
Grundlage der altkirchlichen Trinitätslehre ist eine begriffliche Unterscheidung von „Wesen“ (griech.: ousia, Sein) und „Person“ (griech.: hypostasis). Danach bedeutet Trinität: drei Personen eines Wesens. Da wir in der Neuzeit den Personenbegriff anders füllen als in der Antike (für uns ist Person stärker selbstständig und souverän), wird heute oft der abstraktere Begriff der „Seinsweise“ verwendet, also: Trinität - ein Wesen in drei Seinsweisen.

Das Ergebnis der Auseinandersetzung um die Trinitätslehre ist zusammengefasst in dem Bekenntnis des Konzils von Konstantinopel von 381, dem sogenannten Nicänokonstantinopolitanum (EG 805) und lautet:

Erstens: Vater, Sohn und Heiliger Geist sind wesenseins (hom-ousios): also im Vollsinne Gott: gleiche Erhabenheit, ewige Herrlichkeit, Unsterblichkeit usw. Das war am Anfang des 4. Jh. besonders im Blick auf die zweite Person umkämpft, so haben die „Arianer“ die Göttlichkeit Jesu heftig bestritten. Sie wurden als Häretiker aus der Gemeinschaft der Reichskirche ausgeschlossen.

Zweitens: Es wird nun betont, dass Vater, Sohn und Hl. Geist – wiewohl alle drei wesensgleich Gott – sich in verschiedener Weise eigenständig verwirklichen, eben als Vater, Sohn und Geist, als Schöpfer, Erlöser, Vollender, als Urgrund, Logos, Geist. Das gilt sowohl für ihr Verhalten und Tun untereinander (immanente Trinität) wie in ihrem Wirken nach außen, in die Welt und zu uns Menschen (ökonomische Trinität).

Weiterführende Interpretation: Gott in Beziehung
Eine entscheidende Erkenntnis in der Entwicklung der klassischen Trinitätslehre verdanken wir dem die kappadokischen Theologen Gregor von Nazianz. Er löste das logische bzw. mathematische Problem der „Drei in eins“ bzw. „Eins in Drei“ dadurch, dass er als entscheidend weder das Unterscheidende noch das Einende erkannten, sondern die Beziehung der Drei untereinander. So hat es auch Augustin aufgenommen, ähnlich Luther. Das Wesen der Trinität wird hier als Relationalität beschrieben in einem permanenten Aufeinander-Bezogen-Sein. Die Beziehungen zueinander sind das entscheidende Merkmal dafür, wer sie als Drei und Eins sind. (vgl. von Stosch, 43). Wenn aber die Beziehungen untereinander das Wesen von Trinität ausmachen, dann kann dadurch auch die „Gleichursprünglichkeit von Einheit und Vielfalt“ begründet werden. Dann waren da nicht erst der Eine oder die Drei, sondern die Beziehungen untereinander. Die ewige Relationalität zwischen Vater, Sohn und Geist wird auch als „Perichorese“, als gegenseitige Durchdringung, als Zuwendung und Anerkennung konkret beschrieben. Sie ist: 6 „Gemeinschaft gegenseitigen Andersseins“ (Jüngel, bei von Stosch, 90). Mit solcher einer komplexen Formel wird im Grunde das ausgedrückt, was wir schlicht „Liebe“ nennen. Der Spitzensatz der Trinitätslehre kann dann nur sein: Trinität ist vollkommene Beziehung, sie ist Liebe, also: Gott ist Liebe! (1 Joh 4). „Gott strahle nicht nur Liebe aus, er ist es in der Dreieinigkeit.“ (Haudel, 181).

Und darüber hinaus jetzt noch ein weiterer Gedankenschritt: Was der trinitarische Gott dann „an sich“ in der Beziehung der Drei untereinander ist, das wird dann von uns erfahren, wenn Gott „aus sich herausgeht“, durch den Logos (Joh 1) zur Welt spricht, sich offenbart im vielfältigen Heilswerk von Schöpfung und Erlösung. Die innertrinitarischen Strukturen von Geben und Empfangen finden ihren Niederschlag und ihre sichtbare Entsprechung in den Strukturen von Gemeinschaft, die dort entstehen, wo zwei oder drei in seinem Namen zusammen sind.

4. Trinitarischer Glaube heute

Die letzten Sätze des vorangehenden Abschnittes haben schon ein weites Stück über die altkirchliche Trinitätslehre hinausgeführt.

Trinitarischer Glaube geht davon aus, dass Gott durch sein „Wort“ (Joh 1,1) zu uns spricht, anders gesagt; in seinem Liebeshandeln durch die Sendung des Sohnes und des Geistes. Wo Jesus ist und der Geist weht, da ist Gott, da geht Gott aus sich heraus. Da wird die Dynamik der „Dreieinigkeit“ unter uns konkret erfahrbar.

Gunda Schneider interpretiert auf dieser Linie die Trinitätslehre. Sie schreibt „Nicht die dreigliedrigen Formeln sind Ursprung des trinitarischen Glaubens und der Trinitätslehre, sondern der Glaube an Gott, der im Tode Jesu Christi leidend und Leben schaffend präsent ist und Glaubende im Geist auf dieses Ereignis bezieht“ Für sie erschließt sich darin das Wesen Gottes „als ein Relationsgefüge in Hingabe, Mitsein, Trösten und lebensschöpferisches Erneuern.“ (Schneider, Grundkurs Dogmatik, Göttingen2004, 140f) Gott wird, das ist die Konsequenz auf den Punkt gebracht, als der dreieinige Gott also dort erkannt, wo sich sein Heilswerk mit unserer Erfahrungswelt, unserer Geschichte verknüpft.

Damit kommen wir einer Antwort näher, wie sich denn nun für uns heute die Trinität erschließen kann. Gott gibt sich als der dreieinige Gott durch das Werk der Trinität nach außen so zu erkennen, dass wir ihn in unserer religiösen, spirituellen, suchenden Erfahrung entdecken, erspüren, erleben können. So jedenfalls hat Martin Luther den trinitarischen Glauben verstanden, wenn er das Apostolische Glaubensbekenntnis in seinen drei Artikeln mit unserer persönlichen Glaubenserfahrung in Verbindung bringt:

  • Ich glaube an Gott, den Vater: „Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält…“
  • Und an Jesus Christus. „Ich glaube, dass Jesus Christus, wahrhaftiger Gott vom Vater in Ewigkeit geboren und auch wahrhaftiger Mensch von der Jungfrau Maria geboren, sein mein Herr, der mich…erlöst hat…“
  • Ich glaube an den Heiligen Geist: „Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann, 7 sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet…“ (Martin Luther, Kleiner Katechismus)

Mit dieser Auslegung hat Luther den Weg gewiesen zu einem trinitarischen Glauben. Verständlicherweise sind seine Glaubenserfahrung nicht eins zu eins mit unseren identisch. Aber der Weg wird klar: Gott zu erfahren, in unserem eigenen Leben die Vestigia trinitatis, die Spuren der Trinität, zu entdecken: durch Tasten und Erspüren, Suchen und Finden, durch Hören und Fragen, durch Tun und Beten, durch Aufbrechen und Scheitern.

Wenn wir von Erfahrungen sprechen, die uns den Sinn für den dreieinigen Gott eröffnen sollen, dann ist es wichtig, nicht von irgendeiner Form eines Glaubenssolls auszugehen. Und wir erfahren dann nicht die „Dreieinigkeit“, sondern Gott in Bewegung, den lebendigen Gott, den Gott, der Liebe ist.

Solche Erfahrungsansätze führen zu einem trinitarischen Gottesverständnis, das nicht einfach einem dogmatischen Schema folgt. Der katholische Theologe Klaus von Stosch denkt ganz stark in dieser Richtung, indem er nach dem dreieinigen Gott in unserer Erfahrung fragt. Ich folge ihm hier in lockerer Anlehnung: 

  • Da ist „die Erfahrung der Liebe - Gott in Christus“. Das Wesen der Trinitiät teilt sich uns mit als Liebe im Sinne des Empfangens und Gebens und „hilft uns zu erkennen, dass Gott uns im Alltag auch in unseren Mitmenschen anruft“ (61). Das Tun Gottes ist das Werk des Menschlichen, so wie es der menschgewordene Christus praktiziert. „Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüder…“ Mt. 25, 43) „ein neu Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander lieben sollt…“ (Joh 13, 34). Da rührt mich etwas an, das unbedingt gilt. Man mag sich zunächst sträuben, dann wächst zur Liebe – gegen den Fremden den Bruder, die Schwester. Wo Liebe ist, da geraten wir in das Wirkungsfels der Trinität.
  • Die „Erfahrung des inneren Berührtseins – Gott im Geist“. In mir ist eine „Kraft erfahrbar“. „Die befreiende Wirkung des Geistes ist also immer dann spürbar, wenn man heraustritt aus dem Gefühl des Reagierenmüssens … wenn man den eigenen Weg zu wählen beginnt.“ Der Geist ist es auch, der mich über der Verkündigung des Evangeliums den Punkt erkennen lässt, der mir ganz konkret gilt, der meinem schwachen Glauben aufhilft und meiner Unfähigkeit zum Gebet (Röm 8, 26).
  • Die „Erfahrung des Urgrunds aller Wirklichkeit – Gott der Vater“. Gott ist Urgrund unseres Seins. Er bleibt in der Unendlichkeit der Räume um uns, wie der Horizont vor uns „vorgegeben und entzogen“. Kann er in Christus unser Vater sein? Ich denken an das Drama „Brand“ von Henrik Ibsen, in dem ein fanatischer Pastor alle Weg zu Gott zu kennen scheint und sie von seinen Gemeinden einfordert mit der unerbittlichen Sicherheit der ganz Frommen, und der dann erst im letzten Akt im Gebirge im Unwetter unter dem Rauschen der Berge, das ihn an die eigene Grenze führt, erfährt, was er bis dahin nie zu begreifen vermochte: Gott ist „Deus caritatis“. (Vgl. Klaus von Stosch, a.a.O. 60-81)

Wenn man es zusammenfassen will, dann hilft hier das Trinitätsverständnis ganz unterschiedliche Gotteserfahrungen unseres Lebens in einem theologischen Zusammenhang zu sehen: als Differenzerfahrungen, die nicht auseinanderdividieren, sondern die Dynamik des einen göttlichen Wirkens gegenüber der Welt, unserer Welt widerspiegeln.

5. Aktuelle Herausforderungen durch den trinitarischen Glaubens (Zusammenfassung)

5.1. Trinitarischer Glaube fordert ein dynamisches Gottesverständnis. Er setzt sich kritisch auseinander mit einem statischen Gottesbild: Gott als der Ewiggleiche, Unberührbare, Unerreichbare. Gott ist kein Monument, kein Götzenbild. Er ist Liebe, er ist wandlungsfähig. Er begegnet uns, ist ein Gott in Beziehungen. Gott ist sich nicht selbst genug. Er gibt sich in Jesus von Nazareth mitten hinein in diese unvollkommene, gefährdete Welt. Jürgen Moltmann wehrt sich gegen die Ableitung der Trinität aus dem Selbstbewusstsein des absoluten Geistes: die trinitarische Einheit sei „eine einladende Einigkeit an alle, die an ihn glauben: eins zu sein in Gott und untereinander“ (ZZ 6, 2007, 37)

5.2. Trinitarischer Glaube bringt die Liebe als kritisches theologisches Prinzip für die Gestaltung von Glauben und Leben ins persönliche und kollektive Bewusstsein. Wenn Gott dreieinig Liebe ist, gewinnt diese Liebe einen unvergleichlichen Stellenwert für Leben und Glauben. Dem dreieinigen Gott gemäßes Leben, und ihm gemäße Weltgestaltung sind Praxis der Liebe. Diese Liebe, die göttlich ist, ist eine tägliche Herausforderung. Sie kann scheitern. Sie kann ans Kreuz gehen und steht doch unter der Verheißung: „sie hört nimmer auf“. (1. Kor, 13) Aber um es deutlich zu sagen: Es hängt nicht alles an unserer Fähigkeit zu lieben. Das würde die Liebe zu einem Gesetz machen. Deshalb ist der Glaube wichtig, dass Gott als der dreieinige uns mit der Liebe immer voraus ist.

5.3. Trinitarischer Glaube fordert zur Priorität von Gemeinschaft heraus. Gott ist in der Dreieinigkeit Gemeinschaft. Trinitarischer Glaube führt in die Gemeinschaft und wird in ihr konkret. Jürgen Moltmann schreibt in seinem Buch „Trinität und Reich Gottes“: „Trinitarische Hermeneutik führt zu einem Denken in Beziehungen und Gemeinschaften und löst das subjektive Denken ab…“ Für ihn ist die Trinität ein wichtiger Impuls für den Aufbau einer gerechten Gesellschaft. Auch für unser Verständnis von Kirche hat das Konsequenzen. Kirche ist mehr als Ort für die Erfüllung spiritueller Bedürfnisse, sie ist Erfahrung von communio, „Gemeinschaft der Glaubenden“, Gemeinschaft des gegenseitigen Gebens und Empfangens, gegenseitiger Anerkennung und Liebe. Noch einmal Jürgen Moltmann: „Wenn ich im Abendmahlskreis stehe und einer dem anderen den Kelch und das Brot reicht, fühle ich eine Gemeinschaft, die stärker ist als alle anderen Gemeinschaften. Dann bin ich in der Trinität.“ (ZZ 6/ 2017, 38)

5.4. Trinitarischer Glaube hat eine Bedeutung für das ökumenische Gespräch. Es kann sich herausstellen, dass bestimmte Akzentuierung in der Trinitätslehre auch im Zusammenhang stehen mit unterschiedlichen Kirchenverständnissen haben. So liegt bei der Trinitätslehre, wie sie Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. lehrt, der Schwerpunkt ganz auf der Einheit in Gott, der „Monarchia“ Gottes. Dem entspricht für ihn die Vorordnung der Universalkirche vor deren einzelnen Gestaltungsformen. Es tritt zurück die eher kirchenkritische Funktion des Geistes. 9 Manche protestantische Prägungen der Trinitätslehre legen einen größeren Akzent auf die Pluralität, was einem eher kongretionalistischen (gemeindeorientierten) Kirchenverständnis entspricht. In der orthodoxen Theologie wirkt sich der schon erwähnte Punkt aus, wonach dort die Kirchenlehre darauf besteht, der Hl. Geist gehe nur vom Vater aus, nicht auch „vom Sohn“, wie es später in den westlichen Kirchen ins Nizänischen Glaubensbekenntnis eingefügt wurde (das sogenannte „filioque“, lat,: und vom Sohn“). Das hebt die Bedeutung des Geistes (seine Unabhängigkeit vom Sohn) hervor. Da der Geist sehr eng mit der Kirche in Verbindung gesehen wird, ergibt sich daraus eine starke Betonung der einzelnen (autokephalen) Nationalkirchen im östlichen Christentum. Deutlich wird durch diese kurzen Hinweise, wie fruchtbar eine Diskussion über das Verständnis von Trinität für das ökumenische Gespräch der Kirchen miteinander sein kann.

5.5. Schließlich spielt die Trinität auch im interreligiösen Dialog eine wichtige Rolle. Gerade Judentum und Islam verstehen sich wie das Christentum als monotheistische Religionen. Christen, die in der islamischen Welt zu Hause sind, kommen oft mit der Frage, ob das Christentum wirklich nur einen Gott kennt, also monotheistisch ist. Das richtige Verständnis der Trinität kann hier Missverständnisse überwinden. Gott muss aus sich herausgehen, wenn er zur Welt kommt, aber er bleibt „der eine Gott“. In gewisser Weise kommt im Islam dem Koran als dem ewigen Wort Gottes eine Rolle zu, die ähnlich wie das „Wort-Logos“-Verständnis des Johannesevangeliums zu einem dynamischen und ansatzweise pluralen Gottesbegriff führt.

6. Die Dreifaltigkeitsikone von Andrej Rubljov. Im Jahr 1411 hat der Malermönch Andrej Rubljov eine Ikone der Hl. Dreifaltigkeit geschaffen. Sie war ursprünglich für das Kloster des Hl. Sergius in Possad, nahe Moskau (in Sowjetzeiten: Sagorsk) geschaffen. Diese Ikone existiert in vielen verschiedenen Kopien bis in die Gegenwart hinein. Die Rubljovsche Ikone hat in der orthodoxen Kirche einen kanonischen Rang. Sie ist Maßstab und Vorbild für das rechte Verständnis der Hl. Trinität (Troica). Das Bild stellt die biblische Erzählung vom Besuch der Drei Männer (Engel) bei Abraham und Sara dar (Gen 18). Die drei Männer werden dargestellt als die Dreifaltigkeit. Wer hier der Vater; wer der Sohn und wer der Geist ist, bleibt offen. In der Exegese dieser Ikone gibt es gut begründet verschiedene Lösungen. Ich sehe darin die vor allem die Beziehung der Drei dargestellt. Sie fällt besonders ins Auge. Die Drei sind sich gleich, sie sind einander zugewandt, sie sind eine Bild liebevoller Beziehung untereinander. Die „falsche“ Perspektive, die vielfach bei den Ikonen begegnet, öffnet das Bild nach vorne, der Betrachter kann sich einbezogen fühlen, er ist zur Eucharistie – symbolisiert durch den Kelch auf dem Tisch - eingeladen, in die Gemeinschaft der Drei.

 

Benutzte und empfohlene Literatur zur Dreieinigkeit Gottes

  • Gott dreieinig. Themenheft: Zeitzeichen (ZZ) Heft 6, 2017; Matthias Haudel, Gotteslehre. Die Bedeutung der Trinitätslehre für Theologie, Kirche und Welt, Göttingen 2015; Jürgen Moltmann, Trinität und Reich Gottes, Göttingen (1980) 2016

Klaus von Stosch, Trinität, Paderborn 2017