Predigt zum Trinitatisfest | Bachfest Leipzig 2025 | 2. Kor 13,11–13 | Kantate BWV 176

  • 15.06.2025 , Tag der Dreieinigkeit – Trinitatis
  • Superintendent Sebastian Feydt

PDF zur Predigt zum Trinitatisfest | Bachfest Leipzig 2025 | 2. Kor 13,11–13 | Kantate BWV 176

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen.

Liebe Gemeinde,

dieser eine Satz – der Gruß des Apostel Paulus – vorangestellt an den Beginn einer Predigt –  ist für sich schon eine ganze Predigt.                   

Denn dieser Gruß fasst zusammen, was wir glauben: Gott ist einer – und zugleich drei. Einheit und Vielfalt kommen zusammen.
Gott ist Gnade.
Gott ist Liebe.
Gott ist Gemeinschaft.


Aber: Trinitatis, das klingt schon kompliziert.

Viele halten die Dreieinigkeit Gottes für eine theologischen Knoten im Kopf. Drei – und doch eins? Das rechnet sich nicht. Und soll es auch gar nicht.

Denn Gott ist ja keine Rechnung. Sondern eine Bewegung. Eine Dynamik.

Gott ist nicht in sich abgeschlossen. Sondern in sich beziehungsreich.

Gott, der Vater: Ursprung allen Lebens.
Gott, der Sohn: Liebe in menschlicher Gestalt.
Gott, die Heilige Geistkraft: lebendige Verbindung, kreative Kraft, Bewegung.

Wo Gott ist, da ist Beziehung. Da ist Liebe. Da ist Leben in Gemeinschaft in Fülle.


Und so beginnt Paulus seine Segensworte mit der Gnade.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus …
Was für ein Anfang! Was für eine Anrede!

Nicht der Vorwurf. Nicht das Urteil. Nicht das Misstrauen. Ganz anders: Mit Gnade beginnt alles.

Jesus, so erzählt das Evangelium, war immer ein Freund derer, die am Rand stehen. Die verzagt sind. Die den Mut verloren haben.  Die keinen Platz mehr in der sog. Mitte der Gesellschaft finden.

Wenn wir heute die Worte des Paulus hören, dann hören wir: Dieses gnädige Entgegenkommen Jesu ist keine vergangene Episode – es ist die Gegenwart. Denn es ist die Gegenwart Gottes mitten in dieser Welt.

 

Weil - und das gehört auch zur Wahrheit:

Es ist ein trotzig und verzagt Ding um aller Menschen Herz.

Der Prophet Jeremia hatte diese denkwürdige Erkenntnis über uns und unser so oft in sich verkrümmtes und verzagtes Herz.

 

Wer wollte dem ernsthaft widersprechen?

Trotzig – ja. Wenn wir das Herz verhärten. Wenn wir uns zurückziehen ins Rechthaben, ins Misstrauen, in die Haltung: Ich zuerst.

Verzagt – auch das. Wenn uns die Gegenwart zu viel wird. Wenn Angst die Oberhand gewinnt. Weil mein Herz eng wird.                         

Vermutlich hat Bach genau das gekannt.   Unser Schwanken zwischen Trotz und Verzagtheit. Dieses Herz, das sich nicht mehr öffnen will. Und zugleich die tiefe Sehnsucht: Dass es wieder aufatmen kann, weit wird.

Die Musik Bachs ist durchdrungen von dieser Spannung. Von der Wucht des Widerständigen in mir – und dem zarten Trost der Gnade Jesu.
Von dunklen Harmonien – und leuchtenden Auflösungen.

Aber auch bei Bach bleiben wir Trinitatis nicht beim Menschenherz stehen.

Auf die Gnade folgt die Liebe.… und die Liebe Gottes … –schreibt Paulus.
 

Und er meint damit nicht irgendein vages Gefühl. Paulus spricht von der Liebe, die Gott einem jeden und einer jeden schenkt.

Das greift Paulus auf und verbindet mit der Gnade die Liebe, die sich verschenkt. Die den ersten Schritt macht. Die nicht aufhört.

Gott liebt, bevor wir glauben.
Gott liebt uns, bevor wir alles verstehen.
Gott liebt – auch und gerade dort, wo unsere Liebe scheitert.

Diese Liebe Gottes ist nicht käuflich, nicht kontrollierbar, nicht berechenbar.

Sie ist unberechenbar – und sie ist spürbar.

Sie ist das, was unser Leben trägt.
Wenn wir krank sind. Wenn wir einsam sind. Wenn uns die Worte fehlen.
Oder wenn, wie vor wenigen Tagen, im Nahen Osten oder in Graz, in der Ukraine oder in den USA Unfassbares geschieht – ein Angriff, ein Attentat, das Menschen tötet, Familien erschüttert, ein ganzes Land verunsichert. Dann fragen wir: Was ist mit Gott?

Wir bekommen keine leichte Antwort. Aber wir bekommen eine Richtung gewiesen.
Zu sehen, wo Menschen nicht aufhören zu lieben. Wo sie nicht dem Hass das letzte Wort lassen. Wo sie sich verbinden.

Einander trösten. Gemeinsam schweigen, das Unerträgliche versuchen auszuhalten. Durch einen lauten Schrei der Klage – im Gebet. Da weht – mitten in aller Verletzlichkeit der Welt und des Lebens – der Geist Gottes.

Da ist sie da, die Gemeinschaft des Heiligen Geistes …

Dritter Klang im Segenssatz. Dritte Stimme im göttlichen Akkord.

Gemeinschaft ist keine Selbstverständlichkeit. Sie ist Gabe und Aufgabe zugleich.

Pessimisten sagen: Wir leben in einer Zeit, in der wir Gemeinschaft verlernt. Mit Gottes gutem Geist vermögen wir sie neu zu lernen.

Kritische Stimmen sagen: Die Worte im öffentlichen und im privaten Raum werden schärfer. Die Gräben zwischen uns tiefer. Wer nicht ins Bild passt, soll raus...

Mit Gottes Geistkraft können wir auch anders: Wir können neu daran gehen, uns wechselseitig auszuhalten. Indem wir in den Kirchen Räume eröffnen, in denen Gemeinschaft wirklich gelebt werden kann. Nicht perfekt. Aber ehrlich. Nicht konfliktfrei. Aber getragen.

Kirche-Gemeinde ist nicht dazu da, sich ein frommes Leben zu machen. Kirche ist dazu da, dem Geist Gottes Entfaltungsraum zu ermöglichen.
Einen Raum zu gewähren, in dem Menschen durchatmen. Hoffnung schöpfen. Singen. Beten. Schweigen. Lachen. Kämpfen. Heilen.

 

Liebe Gemeinde,

Womöglich ist es genau das, was unser verzagtes Herz neu aufatmen lässt:

Dass wir uns anvertraut wissen:
der Gnade Jesu – die uns entgegenkommt.
der Liebe Gottes – die uns trägt.
der Gemeinschaft des Geistes – die uns verbindet. Dreifaltig. Lebendig. Gegenwärtig.
Heute. Und an jedem Tag.

Amen.