Predigt über Offenbarung 1,17f in Verbindung mit BWV 31 „Der Himmel lacht! Die Erde jubilieret!“ am Ostersonntag

  • 31.03.2024 , Ostersonntag
  • Pfarrer Martin Hundertmark

Predigt über Offenbarung 1,17f in Verbindung mit BWV 31 „Der Himmel lacht! Die Erde jubilieret!“ am Ostersonntag 2024, St. Thomas zu Leipzig um 9.30 Uhr

 

Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja.

Liebe Gemeinde,

aus den Wunden Jesu rinnt das Blut herab am Kreuzesstamm und befleckt dabei sein weißes Gewand. Es sind nur einige Spritzer, während der Hauptstrahl auf den Kopf des Malers trifft. Im Zentrum seines Bildes ist die Kreuzigung Jesu zu sehen. Links daneben tritt aus der Felsenhöhle, purpurrotgewandet Jesus Christus. Als Auferstandener trägt er die Siegesfahne. Unter ihm liegen besiegt Tod und Teufel.

Sein ganzes Gewand ist nun Rot als Zeichen des Sieges und als Zeichen der Erlösung für uns Menschen, die wir seine Gemeinschaft der Vergebung im Abendmahl erfahren dürfen.

Lucas Cranach malte für die Stadtkirche in Weimar ein übergroßes Altarbild. Nun will ich mich keineswegs auf das glatte Parkett der Bachforscher wagen, aber ein Gedanke geht mir seit Tagen durch den Kopf. Könnte das Bild von Cranach Johann Sebastian Bach für seine Osterkantate, uraufgeführt im Jahre 1715 in Weimar, inspiriert haben? Den Textdichter Salomon Franck hat es mit sicherlich als Grundlage für seinen Text aus dem ersten Rezitativ gedient. Zu auffällig sind die Parallelen.

„Der sein Gewand Blutrot bespritzt in seinem bittern Leiden,

Will heute sich mit Schmuck und Ehren kleiden.

Niederlage und Sieg, Triumph, der aus der Erniedrigung zur übergroßen Herrlichkeit erwächst und sich im fulminanten Jubel finalisiert, stehen sich gegenüber. Aber nicht nur das, liebe Gemeinde, sie sind im Christusgeschehen ganz eng miteinander verwoben. Ohne Kreuz kein Ostern und ohne Ostern bleibt das Kreuz ein Schandmal und Todessymbol.

Ostern jedoch ist anders. Da lacht der Himmel und die Erde jubilieret. Denn Christus ist auferstanden und siegt als König im purpurroten Königsgewand über alle totbringenden Kräfte.

Seit der Aufklärung ringen Menschen mit diesem doch so zentralen Glaubensthema und versuchen sich ihm mit dem mal mehr oder weniger ausgeprägten Verstand zu nähern. Das muss natürlich scheitern, liebe Gemeinde. Denn Auferstehung ist nichts für den Verstand, sondern fürs Herz. Und wer kann das Herz einfacher erreichen als ein Komponist mit seiner Musik? Johann Sebastian Bach, gerne als fünfter Evangelist bezeichnet, weil er im wahrsten Sinne dieser Wortbedeutung, frohe Botschaft verkündigt, schafft es, das Zusammenspiel von Kreuz und Auferstehung in der Person Jesu Christi musikalisch uns so nahezubringen, dass wir davon innerlich berührt werden. Oder hat jemand von Ihnen, liebe Gemeinde, beim ersten Satz der Kantate sich dem Jubel und der triumphalen Musik im Herzen verweigern können?

Falls doch, hören Sie getrost heute Nachmittag die Sequenz kurz vor und dann das ganze „Ressurrexit“  aus der h-Moll Messe Bachs. Wenngleich Jahrzehnte später komponiert, sind doch hier in unserer Osterkantate dafür die Spuren bereits gelegt.

Doch kehren wir zurück zum Bass-Rezitativ. Dort werden die Worte aus der Offenbarung des Johannes verarbeitet, wo es im 1. Kapitel heißt:  

„Und er legte seine rechte Hand auf mich und sprach: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.“

Wagen wir einen kleinen Osterspaziergang durch diesen Text und teilen wir ihn uns in zwei Wegabschnitte ein.

 

„Fürchte dich nicht!“

Die wohl zentralste Zusage der heiligen Schrift mit ihren Büchern aus Altem und Neuem Testament. Angstfrei leben und glauben zu können ist eine Sehnsucht, die uns Menschen innewohnt. Martin Luther hat sie so stark angetrieben, dass er alles infrage stellte, was damals kirchlicher mainstream war. Wenn, so Luhter, die Basis des Glaubens auf der Rechtfertigung durch Gott in Jesus Christus begründet und nicht von unserem Vermögen abhängig ist, muss die Gnade Gottes umsonst sein, sonst wäre sie vergeblich.

Vor Gott braucht sich niemand zu fürchten. Sein Sohn Jesus Christus ist als Weltenrichter der Lebensretter. Er ist gerade nicht derjenige, der verdammt, sondern derjenige, der uns segensreichen Zuspruch gibt.

Fürchte dich nicht – ein Lebensmotto, liebe Gemeinde, welches sich von der Geburt bis zum Ende unseres irdischen Daseins wie ein roter Faden zieht. Fürchte dich nicht vor dem Tod, und schon gar nicht vor dem Leben. Im Schlusschoral, der doch so viel vom Sterben erzählt, obwohl wir zu Ostern das Leben feiern, im Schlusschoral also verfeinert sich jenes „Fürchte dich nicht“. Denn hier wird das zuvor aufgebrachte Vertrauen ausgezahlt. Das Ende wird gut, weil von Anbeginn klar ist: Der Mensch gewordene Gott, überlässt uns nicht dem Tode.

Unsere Zukunft ist eine Zukunft bei ihm.

Wenn nun das Ende gut ist und der Anfang ebenso, weil über beidem das „Fürchte dich nicht“ steht, dann stellt sich die Frage, wie es mit dem „Dazwischen“ ist.

Und da, liebe Gemeinde, liegen die Probleme. Das Sonntagsevangelium in der Version des Markus erzählt uns überdeutlich, wie schwer sich die Botschaft der österlichen Auferstehung im Alltag behaupten kann. Was machen die Frauen, als sie das Envangelium hören? Sie fliehen, denn Furcht und Ensetzen hatte sie ergriffen.

Ein sehr realistischer Ostermorgen. Das Dazwischen ist leider zu häufig zum Fürchten. Gewalt und Machtstreben, Gier oder auch schieres Unvermögen produzieren zu viel Leid. Und dann dominieren die negativen Dinge ganz schnell unsere Alltagswahrnehmung. Guter Anfang sowie noch besseres Ende werden vernebelt und verschwimmen.

Doch es hallt noch nach das „Fürchtedich nicht!“

Im zweiten Wegabschnitt erfahren wir den Grund dafür.

 

„Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige…

und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle“

Mit dem Tod können wir noch etwas anfangen, aber mit der Hölle?

Nun gut, wer schon mal Musik von Wolfgang Petri hören musste, weil er sich im Supermarkt mit Lebensmitteln zu versorgen hat, wird eine Ahnung von Hölle bekommen haben.

Aber darüber hinaus, liebe Gemeinde?

Hölle ist doch eher etwas, das wir im Mittelalter verorten und nicht in unserer Gegenwart.

Der Seher Johannes, dessen Buch wir gerne als Apokalypse bezeichnen, schreibt in erster Linie vom Schlüssel und nicht von Tod und Hölle. Es kommt also darauf an, wer die Schlüsselgewalt hat.

In Cranachs monumentalen Gemälde steht der Auferstandene Christus auf Tod und Teufel (hier ein anderes Symbol für Hölle) und schwingt die Siegesfahne.

Das heißt doch für uns heute im Jahre 2024, die wir vieles als höllisch oder todesstarr empfinden:

Den uns Schaden wollenden Kräften, die so gerne alles Gute ins Böse verkehren können und Liebe durcheinanderwirbeln, um daraus Hass und Hetze zu machen, diesen Kräfte ist ein endlicher Raum zugewiesen. Jener Raum ist abgeschlossen und Jesus Christus hat dafür den Schlüssel. Unglücklicherweise hat sich jener Christus dazu hinreißen lassen, die Schlüssel für Himmel und Hölle einem gewissen Petrus anzuvertrauen, was im Laufe der Kirchengeschichte zwar für wunderschöne Bauwerke gesorgt hat, aber leider auch für immense Missverständnisse in dessen Nachfolge.

An Christus kommt niemand vorbei, geht es um Himmel und Hölle. Da er nun dort nicht als grimmiger Wächter steht, sondern als Einladender und den Teufel tun wird, uns die Hölle aufzuschließen, ist eigentlich alles geregelt, liebe Gemeinde.

Fröhlich und glücklich könnten wir durchs Leben gehen, anderen Freude bereiten oder ihnen Hoffnung schenken, weil diese uns selbst erfüllt.

Aber, was machen wir?

Wir jammern und zagen, drehen durch, wenn nicht sofort alles gelingt oder sehen die Welt untergehen, weil es einmal kein W-LAN gibt und setzen die Prioritäten falsch.

Das ist zutiefst unchristlich, wenn man von Ostern her denkt und dem, was uns Christus schenkt. Denn sein Sieg über die Todesstrukturen, die es leider auch innerhalb der Kirche immer gab und gibt, sein Sieg der werbenden und sanften Liebe kann als Antwort nur Lob und Dank hervorbringen, sowie eine dem Leben zugewandte fröhliche Zuversicht.

Bach hat das durchdrungen und seine Musik gibt davon Zeugnis. Lob dem Schöpfer allen Lebens und Dank dem Retter meines Lebens, der mich weder aufgibt noch in der Gefangenschaft höllischer Mächte lässt. Solche lobende Alltagszuversicht setz andere Prioritäten, weit weg vom eigenen Wohl-Fühl-Ich als höchste Lebensmaxime hin zum Lebenkönnen auch für Schwache.

 

Also, liebe Gemeinde, mögen wir christlich werden und es bitteschön auch im Alltag bleiben. Denn, um mit Luther zu sprechen:

„Bei uns ist alle Tage Ostern, nur dass man einmal im Jahr Ostern feiert.“

 

„So stehe dann, du gottergebne Seele,

Mit Christo geistlich auf!

Tritt an den neuen Lebenslauf!

Auf! von des Todes Werken!

Lass, dass dein Heiland in der Welt,

an deinem Leben merken.“

 

Das trifft den Kern des Wortes vom Himmelsschlüssel und der verschlossenen Höllentür. Ostern will sich im Alltag bewähren. Jesu vielfältiges „Fürchte dich nicht!“ ist die Basis für eine christliche Ressilienz angesichts enormer Herausforderungen.

 

Amen.

 

Und der Friede Gottes, der unser Verstehen übersteigt, bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.