Predigt über Offb. 1, 4-8
- 10.05.2018 , Christi Himmelfahrt
- Pfarrer Hundertmark
Predigt über Offb 1, 4-8 am Feiertag Christi Himmelfahrt, 10.05.2018 St. Thomas zu Leipzig um 09.30 Uhr
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde,
mit dem Himmelfahrtsfest feiern wir eigentlich Advent im Frühlingsmonat Mai. Denn Himmelfahrt will uns weniger davon erzählen, dass Jesus Christus nicht mehr als Auferstandener unter uns auf der Erde weilt – das wissen die christlichen Gemeinden im Gegensatz zu seinen Jüngern damals seit zweitausend Jahren. Himmelfahrt will den Blick für die Zeiten öffnen, für den Christus, der kommen wird – den adventlichen Christus. So ist Himmelfahrt kein Abschiedsfest sondern der Beginn einer wunderbaren Zeit, die geprägt sein wird vom Kommen des Christus.
Der Evangelist Lukas erzählt deshalb gleich zweimal von dieser Begebenheit. Wir hörten seine Berichte in den beiden Lesungen des Evangeliums als Abschluss und der Epistel als Beginn einer Apostelgeschichte, die beschreibt, wie sich sein Evangelium um die ganze Welt ausbreiten wird. Unser heutiger Predigttext nimmt die Zukunft in den Blick. Der Seher Johannes tat das aus seelsorgerlichen Gründen, um die Gemeinde, von der wir noch hören werden, zu stärken und zu trösten. Mag sein, dass sich an der konkreten äußerlichen Situation etwas geändert hat, innerlich jedoch sind wir heute genauso Gemeinde mit Blick in eine ungewisse Zukunft, wie die Gemeinden der Johannesapokalypse. Da braucht es dann Vergewisserung, einen festen Anker oder einen Kompass, der wegweisend ist für eine gute Zukunft. Johannes lässt Himmelfahrt nur ganz kurz aufblitzen in seinem Anfang vom Ende der biblischen Schriften. Wir hören aus dem Buch der Apokalypse im 1. Kapitel:
4 Johannes an die sieben Gemeinden in der Provinz Asia: Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt, und von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind,
5 und von Jesus Christus, welcher ist der treue Zeuge, der Erstgeborene von den Toten und Fürst der Könige auf Erden! Ihm, der uns liebt und uns erlöst hat von unsern Sünden mit seinem Blut
6 und uns zu einem Königreich gemacht hat, zu Priestern vor Gott und seinem Vater, dem sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
7 Siehe, er kommt mit den Wolken, und es werden ihn sehen alle Augen und alle, die ihn durchbohrt haben, und es werden wehklagen um seinetwillen alle Stämme der Erde. Ja, Amen.
8 Ich bin das A und das O, spricht Gott der Herr, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige.
Mächtige Bilder, gewichtige Worte klingen im als Gruß gestalteten Anfang des Buches der Offenbarung in unseren Ohren. Sprachbilder, die zu Sprichwörtern wurden, wie das A und das O, Anfang und Ende oder theologische Bilder, die einen weiten Bogen schlagen vom Alten Testament in die damalige Gegenwart, wenn von Gnade und Friede die Rede ist. Eingebettet ist das alles in eine durchaus schwierige politische Situation. Bleiben wir zunächst bei den damals üblichen Grußworten „Gnade“ und „Friede“. Vielleicht wurden sie eher floskelhaft im Alltag gebraucht, vielleicht auch nicht. Der Seher Johannes jedenfalls entfaltet mit diesen beiden Worten ein theologisches Programm. Er verknüpft sie nämlich mit allen Zeitformen, wenn er vom Gott spricht, der da ist und der da war und der da sein wird.
Damit bindet er alttestamentliche Heilsgeschichte Gottes ein in das Heilsgeschehen der Gegenwart, das sich in Jesus Christus zeigt und zeitlos ist, weil es über die Gegenwart in die Zukunft wirkt. Die Zusage Gottes an Abraham „Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein!“ bzw. „In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden“ findet ihre Entsprechung in den großen Visionen, die Johannes im Laufe seines Buches von der Offenbarung entfalten wird. Dabei ist eins wichtig: Himmelfahrt geschieht im Hier und Jetzt.
Christus Pantokrator
vielfältig sind die künstlerischen Umsetzungen dieses beliebten Motivs. Christus als der umfassende Weltenherrscher. Vor meinem inneren Auge sehe ich große Apsismosaiken, bildgewaltige Darstellungen eines Christus, der im Sternengewand auf dem Thron sitzt, umgeben von Engeln und den beiden Buchstaben Alpha und Omega, dem A und dem O, Anfang und Ende des griechischen Alphabets. Ihm zu Füßen liegt die Erde, die sichtbare Welt. Dass, was der Versucher ihm anbot als Gegenleistung für seine Anbetung durch Jesus, ist dem Gottessohne längst gegeben. Gegeben in einer anderen Weise als derjenigen, die irdische Reiche beherrschen. „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ sagt Jesus kurz vor seinem Tode am Kreuz und eröffnet eine neue Perspektive auf das Herrschen über andere. Und wenn er zu seinen Jüngern spricht „die Mächtigen halten ihre Völker nieder. Bei euch soll es so nicht sein. Dienet einander“, so konkretisiert sich deutlich, was er mit dem beginnenden Friedensreich meint: Aufeinander zu achten, statt übereinander zu herrschen, sich in den Dienst stellen als immer nur Recht haben zu wollen.
In der Johannesapokalypse wird uns Gott als der Thronende vorgestellt. Spätestens seit der erfolgreichen Fantasyserie „Game of Thrones“ ist vielen Zeitgenossen die Bedeutung eines Thrones wieder nahegebracht worden. Wer auf dem dortigen eisernen Thron sitzt, hat die Macht über die sieben Königreiche in Westeros. Bequem ist der Thron nicht, da er doch aus scharfen Schwerter geschmiedet ist, einen rauen Sitz aus Metall hat und die Armlehne aufgrund ihrer Spitzen nicht zum Anlehnen einlädt. Wer auf dem Thron sitzt und es dort bequem haben möchte, ist falsch am Platz. Thronen hat etwas mit Verantwortung zu tun – deshalb ist der Thron eisern im Gegensatz zu den samtbezogen, goldenen Thronen, die wir aus den Museen unserer Geschichte kennen. Der Seher Johannes lässt Gott thronen weil er eine Alternative aufzeigen will zu den Mächtigen und Herrschenden, denen seine sieben Gemeinden ausgeliefert waren. Unterdrückung, Verfolgung, Not, gewiss auch manche Lebensgefahr prägten das Leben der damaligen Christen. An manchen Orten unserer Erde ist das immer noch so und leider schon wieder so.
Dort wo wir erleben, dass die Thronenden mit ihren Heilsversprechen (ich mache euer Land wieder groß und stark) letztlich eine Stelle beanspruchen, die ihnen nicht zusteht, tut es gut, von der johanneischen Alternative Kenntnis zu haben. In seinen Visionen als ihm vergönnt war, für einen Moment in den geöffneten Himmel blicken zu dürfen, wurde ihm offenbart: Die Machtfrage ist längst entschieden. Nicht irdisch Thronende werden bis in alle Ewigkeit Zugriff auf die Glaubenden haben, sondern der Himmlisch Thronende Gott und sein Sohn Jesus Christus als Weltenherrscher.
Wer im Osten aufgewachsen ist, hat selber erlebt, wie endlich doch angeblich auf Ewigkeit angelegte Reiche, Machtsysteme oder ismen sind. Und mit dem tieferen Blick in die deutsche Geschichte entpuppt sich ein tausendjähriges Reich als zwölfjährige Schreckensperiode. Macht ist stets geliehen, ist endlich und unterliegt daher einem besonderen Verantwortungsbewusstsein. Nicht alle Mächtigen, das hat die vergangene Woche gezeigt, haben das verinnerlicht. Wo ohne Not, Abkommen gebrochen werden, wo mit fragwürdigen Methoden Amtszeiten verlängert oder wo mit ebenso fragwürdigen Erkenntnissen Gründe für militärisches Eingreifen gefunden werden, da darf und muss der christliche Einspruch dem entgegenstehen. Apokalyptik im Sinne des Sehers Johannes sieht gegen den Augenschein. Sie hört, was anderen unmöglich ist zu hören, weil die eigenen Ohren verstopft sind von all den Versprechen und Heilsbekundungen der Machthaber. Und sie liest zwischen den Zeilen, um somit neue Hoffnung geben zu können. Himmelfahrt wird einfach umgekehrt bei Johannes. Er beschreibt die Wiederkunft Christi als das Ereignis, das aus den Wolken geschehen wird anstatt davon zu erzählen, wie Christus in die Wolken aufgestiegen ist. Himmelfahrt wird zum Ereignis für den ganzen Erdkreis. Damit weitet er die Zeugen vom kleinen vertrauten Jüngerkreis hin zu allen, also auch zu denen, die ihm feindlich gegenüberstanden, die ihn durchbohrten.
Aus Abschied wird der Beginn eines Richtens über die Welt, über unser Zeugnis im Angesicht des Gottes, der mit Liebe regieren will und nicht mit eiserner Hand. Dieses Richten wird verbunden sein mit Wehklagen aller Geschlechter auf Erden – keine schöne Vorstellung für uns friedenssehnsüchtige und harmoniebedürftige Glaubenden.
Aus der Gegenwart Vergangenheit und Zukunft verstehen
Taufe als gegenwärtiges Ereignis verbindet ebenfalls Vergangenheit und Zukunft. Denn Christi Versprechen, bei uns zu sein alle Tage bis an der Welt Ende gilt im Moment der Taufe genauso wie zum Abschied von seinen Jüngern. In der Taufe ist das kleine Menschenkind verbunden und eingebunden mit und in die Verheißung: Gott wird für dich da sein im Leben und darüber hinaus. Somit habe ich als Christ durch die Taufe Anteil auch am Künftigen. Wann immer es sein mag, dass Jesus Christus zurückkommt, um uns herauszulösen aus all den Dingen, die uns hindern, ihm zu folgen – die Verbindung zu ihm durch die Taufe wird alle Zeiten überstehen. Daraus kann und darf ich als Christ Kraft schöpfen für die Gegenwart. Oder, um es mit Paulus zu sagen: Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes – noch nicht einmal der Tod. Wie kann Himmelfahrt die Gegenwart verändern, liebe Gemeinde?
Indem ich mit Johannes bewusst mache, dass die Machtfrage entschieden ist zu Gunsten des Christus, der herrscht. Daraus kann folgen:
Wir schauen mit einem gewissen Maß an Distanziertheit und kritisch auf Mächtige, weil unser Prüfstein Christus ist und nicht irgendwelche Vorteile, die sich aus dem Arrangement mit der Macht ergeben könnten.
Pauls als Apostel der Völker, die sich in seinen Gemeinden miteinander als Judenchristen und Heidenchristen verbinden ließen, führt uns auf die richtige Spur. Es ist die Spur hin zum Ethos der Liebe und der Freiheit. Das heißt dann: In erster Linie geht es nicht um die Trennung innerhalb einer Christengemeinde, um die Unterscheidung von lauen und aufrichtigen Christen, sondern es geht darum, wie wir als verschieden Glaubende und Glauben Praktizierende gemeinsam am Reich Gottes mitwirken können. Leitbild dafür ist der Auferstandene Christus. Auf dem Thron sitzt er, mit den Wundmalen seiner Kreuzigung.
Als Weltenrichter schaut er auf Täter und Opfer. Die einen werden benannt (und das kann auch hässlich und schmerzlich werden) und die anderen werden rehabilitiert und brauchen sich nicht mehr zu schämen. Das Gute wird seine Früchte tragen und diese werden sichtbar sein, so wie das Böse offenbart wird immer dort, wo es sich an die Stelle Gottes setzen will.
Solche Zusage kann verändern auch inmitten von als sinnlos erfahrenen Ereignissen, Niederdrückung, Zweifeln und Ohnmacht.
Amen.