Predigt über Mt 6,25ff, Einweihung der Lutherkirche zu Leipzig

  • 08.09.2024 , 15. Sonntag nach Trinitatis
  • Pfarrer Martin Hundertmark

PDF zur Predigt HIER

„Sorgt euch nicht um den morgigen Tag“

Liebe Kinder, liebe Erwachsene, liebe Festgemeinde,

das sagt sich so leicht, wenn am morgigen Tag eine große Klassenarbeit ansteht und der Lernstoff irgendwie keinen festen Halt im Kopf findet.

Das sagt sich so leicht, wenn am Ende des Kontos noch so viel Monat übrig ist.

Das sagt sich so leicht, wenn die Nacht nicht vergehen will und ich wach liege, obwohl ich doch hundemüde bin und den Schlaf dringend brauche.

Macht sich Jesus hier vielleicht sogar lustig über unsere Sorgen? Nimmt er diese gar nicht ernst?

Nein, ganz im Gegenteil. Er nimmt sie sogar sehr ernst. Davon erzählen die vielen Begegnung der Menschen mit Jesus Christus.

Manche von ihnen sahen keinen Ausweg mehr für ihr bisheriges Leben – Jesus öffnet ihnen die Augen. Er schenkt ihnen eine neue Sicht und plötzlich können sie wieder sehen, dass es eine Zukunft gibt.

Andere waren wie gelähmt vor Sorgen um eigene Gesundheit oder um die der Kinder und Enkel oder sie waren gelähmt vor lauter Selbstmitleid.

Wiederum andere waren niedergedrückt von den Lasten ihres Alltags. Jesus richtet all diese Menschen auf und stärkt sie. Plötzlich spüren sie wieder Lebenskraft und wagen mutig eigene Schritte in eine neue Zukunft.

Auch für diejenigen, die vor lauter Stimmengewirr im Kopf gar nicht mehr klar denken konnten hat Jesus Christus Zeit. Er hilft ihnen zur Konzentration auf das Wesentliche.

Wie ist das nun mit unseren Sorgen, die doch recht groß sein können? Viele Menschen machen sich Sorgen nach den Wahlen am vergangenen Sonntag. Wie wird es werden in unserem Land?

Geht jetzt alles den Bach runter?

Junge und Alte sorgen sich um Gottes Schöpfung, weil sie unter der Last von uns Menschen stöhnt und manchmal auch zerstört wird.

Und glaubt mir, auch während der Bauzeit der Lutherkirche gab es so manche schlaflose Nacht, weil es an Material fehlte oder Handwerken nicht gekommen sind oder irgendjemand mal wieder von vorne mit Diskussionen anfing, obwohl alles schon geklärt war. Darüber kann man dann schon mal traurig werden und die Freude am nächsten Morgen verlieren. Deshalb brauchen wir Große und Kleine gelegentlich einen Anstupser, um die Sorgen richtig einzusortieren.

 

TC Liedstrophe EG 369.2 „Was helfen uns die schweren Sorgen, was hilft uns unser Weh und Ach? Was hilft es, dass wir alle Morgen beseufzen unser Ungemach? Wir machen unser Kreuz und Leid nur größer durch die Traurigkeit.“

Traurigkeit hilft also nicht gegen die Sorgen. Schauen wir weiter. Schauen wir noch einmal in den Text des Evangeliums.

„Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel kostbarer als sie?“

Liebe Kinder, liebe Erwachsene, liebe Festgemeinde,

einmal wie ein Vogel sein, das wäre schön. Gott würde für mich sorgen und ich hätte den ganzen Tag frei und könnte machen, was ich will.

Jesus lenkt unseren Blick in seiner großen Bergpredigt auf die Vögel, die anscheinend sorglos sind. Das ist wohl richtig. Sie sind sorglos, aber nicht faul. Ein Vogel muss viele Male am Tag hin und herfliegen, um Nahrung aufzunehmen oder seine Jungen zu füttern.

Dann ist das Reich Gottes, von dem Jesus hier erzählt, doch kein Schlaraffenland mit gebratenen Tauben und allerlei anderer Köstlichkeiten? Schade, eigentlich.

Das Reich Gottes ist eine neue Wirklichkeit. Hier gelten andere Maßstäbe. Manches, was wir als ungerecht empfinden, wird von Gottes Liebe erleuchtet und strahlt in einem ganz neuen Licht. Jesus Christus traut uns sogar zu, nach der Gerechtigkeit seines neuen Reiches zu streben, ja, sie in unser Zusammenleben zu integrieren.

Damit möchte er uns eine neue Sichtweise auf unser Leben geben.

Lass dich nicht von Ängsten regieren und lass die Sorgen nicht die Macht über Dich gewinnen.

Gewiss ist es wichtig, etwas anzuziehen zu haben und auch Essen und Trinken, Schulbildung, eine sinnvolle Beschäftigung oder ein Dach über dem Kopf – all diese Dinge machen einen Großteil unseres Lebens aus. Wenn die Sorge darum jedoch alles bestimmt, liebe Festgemeinde, dann wird es gefährlich. Denn dann haben uns diese Alltagssorgen plötzlich im Griff. Wer immer nur nach der nächsten Mahlzeit schaut, der kann irgendwann nicht mehr über den eigenen Tellerrand blicken.

Wo ein Großteil der morgendlichen Zeit damit verbracht wird zu überlegen, wie ich denn aussehe, um anderen zu gefallen, wird wertvolle Lebenszeit verschenkt. Es soll ja auch Menschen geben, die brauchen eine halbe Stunde, bis sie sich entschieden haben, welches Paar der vielen Schuhe sie heute anziehen sollen.

Setzt eure Prioritäten anders, sagt uns Jesus.

Und damit befreit er uns von der Allmacht der Sorgen.

In gewisser Weise können wir in den Tag hineinleben, wenn, ja wenn wir auf einem tragfähigen Fundament stehen. So wie diese Lutherkirche auf guten und festen Grund gebaut wurde. Sie lädt uns frisch saniert neu ein, hier Gemeinschaft miteinander im Alltag zu leben. Den Grund für diese Gemeinschaft findet ihr hier in der Mitte – Herz und Kreuz und Rose.

Ihr habt es vermutlich gesehen – In der Mitte der Kirche ist eine Lutherrose eingebaut.

Inmitten der Rose mit ihren Blütenblättern sehen wir ein Herz und inmitten des Herzens ist ein Kreuz.

Martin Luther hat über diese Rose, die gleichsam sein Siegel wurde, gesagt: „Ein Christenherz auf Rosen geht, solang es unterm Kreuze steht.“

Wir dürfen Christus im Herzen tragen. Wir stehen unter seinem Kreuz und er vertraut uns einander an.

Durch Gottes Liebe wurde für uns das Kreuz zu einem Hoffnungssymbol. Denn es erzählt nicht nur vom Mitleiden Jesu mit uns, sondern auch und vor allem vom neuen Leben. Dieses neue Leben ist mitnichten sorgenfrei. Aber Jesus ermutigt uns, ihm und Gottes Liebe mehr zu vertrauen als den Sorgen, die uns gefangen nehmen wollen.

Befreien wir uns von den Sorgen und Ängsten. Denn in Gottes Augen sind wir viel wertvoller als die Vögel unter dem Himmel oder die doch schnell verdorrende Blume in ihrer Schönheit und Pracht.

In Gottes Augen sind wir alle liebenswerte Menschenkinder – nicht immer perfekt, aber

bekleidet mit Würde,

ausgestattet mit Freiheit und

beschenkt mit Liebe.

Das, liebe Festgemeinde, ruft nach einer Antwort, gewissermaßen nach einem Dankeschön.

Unser Dankeschön für die Geschenke Gottes ist unser Lob. Lasst uns heute miteinander feiern und singen, lasst uns Gemeinschaft erfahren und gestalten. Dafür ist dieses Gotteshaus ein neuer und wichtiger Ort. Möge das, was in den letzten Jahren gesät und gearbeitet wurde nun Früchte tragen.

Und wenn uns dabei die Sorgen überrumpeln wollen?

Dann denken wir an Martin Luther und seine Rose oder an den Vers, den er zu den Sorgen geschrieben hat.

„Dass die Vögel der Sorge und des Kummers über Deinem Haupt fliegen, kannst Du nicht ändern. Aber dass sie Nester in Deinem Haar bauen, das kannst Du verhindern.“ M. Luther

Verscheuchen wir also die Sorgenvögel über unserem Kopf, indem wir gemeinsam singen und Gott danken.

Amen.

Und der Friede Gottes, der größer ist als unser Verstand, bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.