Predigt über Lukas 3, 3ff.
- 15.12.2019 , 3. Advent
- Pfarrer Martin Hundertmark
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Ein kleines Satzzeichen kann alles verändern, ja es vermag sogar über Leben und Tod zu entscheiden. Aus dem Deutschunterricht dürfte uns allen, liebe Gemeinde, noch der Satz in den Ohren klingen: „Hängt ihn nicht laufen lassen.“
Je nachdem, wo hier das Komma gesetzt wird, wird auch über Leben oder Tod des Gefangenen entschieden. Manchmal sind es eben die kleinen Dinge, die eine große Wirkung, ja sogar lebensentscheidende Wirkung verursachen. In der Theologie verhält es sich kaum anders.
Ein Doppelpunkt kann sie verändern und neu prägen. Vorhin hörten wir die alttestamentliche Lesung aus dem Jesajabuch. Der Evangelist Lukas, wie auch seine Kollegen, nimmt in seiner Erzählung von Johannes dem Täufer darauf Bezug. Mehr noch, er zitiert aus Jesaja 40. Wir hören den ersten Teil des heutigen Predigttextes:
3 Und er kam in die ganze Gegend um den Jordan und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden, 4 wie geschrieben steht im Buch der Worte des Propheten Jesaja (Jesaja 40,3-5): »Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, macht seine Steige eben! 5 Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden; und was krumm ist, soll gerade werden, und was uneben ist, soll ebener Weg werden, 6 und alles Fleisch wird das Heil Gottes sehen.«
Das ist jetzt ein wenig gemein, weil ich den Text vor mir habe und sie ihn nur hörten.
Bei Lukas ist es die Stimme eines Predigers in der Wüste, bei Jesaja ist es die Wüste, in der dem Herrn der Weg bereitet werden soll. Vom hebräischen Urtext aus betrachtet, verändert ein kleines Satzzeichen alles. Es geht dem Evangelisten um die manchmal schwer auszuhaltende Einsamkeit eines Propheten. Prophetische Worte sind klar und können scharf sein. Freunde machen sich Propheten damit selten. Jedoch gelingt ihnen häufig ein Wachrütteln jener Zuhörer, die sich zu ihnen auf den Weg gemacht haben, wie hier bei Johannes dem Täufer am Jordanfluss.
Anders Jesaja.
Bei ihm ist, ganz in alttestamentlicher Tradition des wandernden Gottesvolkes, die Wüste der Ort der Gottesbegegnung.
So heißt es beim Propheten Jesaja folglich:
„Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem HERRN den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott.“
Damit verschiebt sich die Bedeutung vom Rufer hin zum Ort der Gottesbegegnung.
Gott will in die Welt kommen. Wolken- und Feuersäule, Gebotstafeln und Gespräch auf dem Berg Sinai sind alles wichtige Wegmarkierungen. Sie behalten ihre Geschichte. Doch diese Geschichte bleibt nicht in der Wüste, sondern geht weiter. Sie führt das Gottesvolk ins gelobte Land und lässt Gott später selber Mensch werden. Mitten in allem Elend wird das Jesuskind geboren. Es verwandelt diejenigen, die in ihm Gottes Liebe erkennen.
Nur so kann sich seine frohe Botschaft von einer bedingungslosen sowie leistungsfreien Liebe ausbreiten.
Was nicht dazu gehört, ist das Festhalten an religiösen Traditionen und kultischen Handlungen, ohne dass dies alltagspraktische Relevanz hätte. Taufe ohne Veränderung des Menschen ist am Ende verschwendetes Wasser.
Nun weil meine Vorfahren sich zu Gott zugehörig fühlten, bin ich nicht automatisch ein gläubiger oder religiöser Mensch.
Johannes der Täufer ruft zur Umkehr auf.
„Ändert eure Sinne“ oder in Kirchensprache „tut Buße“, sagt er zu der Menge.
Es kommt also darauf an, ob ich bereit bin,
die eigene Religiosität neben dem Gottesdienstbesuch als einer schön entspannten Stunde mit guter Musik im wohltemperierten Raum auch noch darüber hinaus mit Leben zu füllen. Oder anders ausgedrückt stehen sich hier
Wellnesschristentum und Gelebtes Evangelium gegenüber.
Freilich braucht jeder Mensch seine gute Zeit, braucht Ruhe und Entspannung insbesondere, wenn eigener Alltag sehr fordernd ist.
Doch wenn sich daraus ein reines Konsumentenverhalten ergeben sollte, bedarf es einer Korrektur. Johannes korrigiert deutlich.
Wir hören weiter aus dem Predigttext:
7 Da sprach Johannes zu der Menge, die hinausging, um sich von ihm taufen zu lassen: Ihr Otterngezücht, wer hat euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet? 8 Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße; und nehmt euch nicht vor zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken. 9 Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.
Glaube braucht gute Werke, sonst ist es nutzloser Glaube. Gute Werke allein jedoch bringen den Menschen nicht näher an Gott. Martin Luther hat in seiner Schrift „Von den guten Werken“ deutlich gemacht, wie er sich das im evangelischen Verständnis vorstellt.
„Das erste und höchste, alleredelste gute Werk ist der Glaube an Christus.“ Daraus leitet sich dann alles andere ab. Wo sich nun solcher Glaube finden lässt, sind die daraus folgenden Werke an sich schon gut. Ihre Größe oder Wichtigkeit spielen eine untergeordnete Rolle. Essen und Trinken, spazieren gehen, schlafen, und allerlei andere Dinge sind, so sie denn aus solchem Glauben heraus geschehen, gute Werke.
Gewiss kann auch beten und fasten dazugehören. Wichtig ist nur, dass gute Werke darauf nicht verkürzt werden.
Findet das Herz des Menschen seine Zuversicht in Gott, dann ist auch das, was er tut, gut.
Luther: „wenn es auch so gering wäre wie einen Strohhalm aufheben“.
Umgekehrt ist das größte Werk taub und hohl, wo es nicht aus diesem zuversichtlichen Glauben heraus geschieht.
Als Vorbote und Wegbereiter Jesu hat Johannes der Täufer in diesem Sinne wachrütteln wollen.
Will sich das Evangelium ausbreiten, so muss es zu den Menschen gelangen und in ihrem Alltag ganz konkret werden. Diesen Ansatz verfolgt Lukas im Zusammenhang mit einem zweiten Akzent. Der Blick für die Schwachen ist ihm als Evangelist wichtig. Soziale Ungerechtigkeit kann und darf überwunden werden. Auf konkrete Fragen, gibt es dafür konkrete Antworten.
Wir hören weiter Johannes dem Täufer zu:
10 Und die Menge fragte ihn und sprach: Was sollen wir nun tun? 11 Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer Speise hat, tue ebenso. 12 Es kamen aber auch Zöllner, um sich taufen zu lassen, und sprachen zu ihm: Meister, was sollen denn wir tun? 13 Er sprach zu ihnen: Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist! 14 Da fragten ihn auch Soldaten und sprachen: Was sollen denn wir tun? Und er sprach zu ihnen: Tut niemandem Gewalt noch Unrecht und lasst euch genügen an eurem Sold!
Liebe Gemeinde, drei hoch aktuelle Punkte gibt uns der Evangelist mit auf den Weg in den eigenen Alltag.
1.) Vom Überfluss abgeben
Lukas weist darauf hin, dass jeder bitte prüfen möge, was im Überfluss vorhanden ist. Er fordert nicht dazu auf, das letzte Hemd herzugeben, sondern, wo etwas doppelt vorhanden und damit eigentlich nutzlos vorhanden ist, kann getrost geteilt werden. Natürlich klingt das wie ein Appell mit moralischem Unterton. Manchmal braucht die Menge das aber, um sich wieder zurechtzufinden. Wo der leidende Mitmensch vergessen wird, ist auch das frömmste Gebet, die innigste Stunde mit Gott oder das schönste kulturell-religiöse Erlebnis komplett sinnlos.
Dinge miteinander im Alltag zu teilen und dadurch weniger verbrauchen, wird nicht nur einem gelebten Glauben gerecht, sondern auch einer nachhaltig genutzten Schöpfung. Zarte Hoffnungspflänzchen sprießen diesbezüglich auf. Denn es lässt sich beobachten, dass gerade die jüngere Generation hierfür sehr sensibel geworden ist.
Mögen uns die verbleibenden Adventstage Gelegenheit geben, Bilanz zu ziehen. Und zwar ernsthaft. Vielleicht lässt sich unter dem Strich dann auch etwas finden, das im wahrsten Sinne des Wortes bei mir selber überflüssig ist und bei jemandem anderen den Mangel ausfüllen würde.
2.) Macht nicht ausnutzen, sondern sie für andere nützlich werden lassen
Zöllner haben es nicht leicht in der Bibel.
Sie galten und gelten als Opportunisten und Inbegriff aller Korruption. Einerseits kooperierten sie mit der von vielen verhassten römischen Staatsmacht. Andererseits nutzten sie diese Kooperation schamlos aus, weil sie wussten:
Mit den römischen Soldaten im Rücken, wird sich niemand gegen uns stellen. Verliehe Macht braucht ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein. Gerade dort, wo die Möglichkeit besteht mehr zu nehmen als jemandem eigentlich zusteht, nur weil man es kann, ist die Ermahnung zum Innehalten nötig. Die Zöllner hatten ihre unverzichtbare Arbeit. Sie musste erledigt werden, ob es nun der Menge passte oder nicht. Ein daraus resultierendes Abhängigkeitsverhältnis auszunutzen würde aber karikieren, was in der Taufe geschenkt ist.
3.) Frieden sichern und Recht schützen
Bemerkenswert ist, dass hier in der Begegnung mit Johannes dem Täufer Soldaten vorkommen. In den Heilungs- oder Wundergeschichten ist meist nur von einem einzigen Hauptmann die Rede, wie der sich unter dem Kreuz befindende oder der Hauptmann von Kapernauum.
Der Hinweis des Propheten an die Soldaten hat an Aktualität nichts eingebüßt. Aufgabe des Militärs ist es, Frieden zu sichern und Recht zu schützen. Das Gewaltmonopol ist beim Staat angesiedelt und da gehört es auch hin. Was nicht dazu gehört ist, jenes auszunutzen. Uniform und Schlagstock, Pistole und Schutzschild berechtigen deren Träger nicht zum einfachen Drauflosschlagen. Johannes der Täufer mahnt einen verantwortungsvollen Umgang mit Besitz an. Hier bei den Soldaten ist es die ihnen verliehene Gewalt und Macht. Nun können wir mit einem gewissen Maß an Stolz sagen, dass in unserem Land diesbezüglich die Gefahr des Missbrauchs gering ist. Schauen wir ein wenig über den eigenen Tellerrand hinaus, werden wir mit Schrecken feststellen müssen: Oft geht Gewalt in unverhältnismäßigem Maße vom Militär aus, gerade und besonders gegenüber der Zivilbevölkerung. So lange ist es hier in unseren Breiten auch noch nicht her, dass Polizei und Staatsmacht den Bürger drangsalierten, dass Menschen ohne Grund Verhören zugeführt oder sogar eingesperrt wurden.
Johannes der Täufer appelliert an das Verantwortungsbewusstsein in jeder Berufsgruppe. Die drei lukanischen Beispiele zeigen uns wie wichtig gelebter Glaube im Alltag werden kann. Wo das im Wortsinne glaub-würdig geschieht, breitet sich auch das Evangelium aus.
Sind Christen nun bessere Menschen?
Zuallererst sind sie Gerechtfertigte und Sünder zugleich. Wer sich dessen wirklich bewusst ist, dass Gottes Liebe rettet und ihn dadurch gut sein lässt, selbst wenn alle anderen sagen „du taugst nichts“, wird auch mit einem gewissen Maß an Gelassenheit auf das eigene Sündersein schauen können. Denn wir sind eben beides.
Und ständige Zerknirschung über das Sündersein steht uns nicht gut zu Gesicht, sondern macht traurig.
Tragen wir lieber sein Evangelium fröhlich auf den Lippen und ja, unsere Umgebung darf auch sehen, dass es Menschen fröhlich machen kann.
Wenn dann gelegentlich ein prophetisches Wort aufrüttelt oder als Kompass dient, so ist das nützlich für den eigenen Alltag.
Was sollen wir tun?
Die Zeichen der Zeit erkennen und als Christ danach handeln. Das wird jeder und jede in seinem bzw. ihrem eigenen Lebensumfeld ausloten müssen. Dafür braucht es die Bereitschaft, Jesus Christus als denjenigen zu empfangen, dem ich zugestehe, bei mir im Innersten auch aufräumen zu dürfen. Bereitet dem Herrn den Weg heißt, sich selber auf den Weg zu machen – innerlich und äußerlich.
Amen.
Pfarrer Martin Hundertmark
hundertmark@thomaskirche.org