Predigt über Lukas 16,1-9

Im Festgottesdienst zur 148. Jahresversammlung des Diakonischen Werkes Innere Mission

  • 19.11.2017 , Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres
  • Prof. Dr. Jens Herzer

Predigttext Lukas 16,1-9 

1 Er sprach aber auch zu den Jüngern: Es war ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter; der wurde bei ihm beschuldigt, er verschleudere ihm seinen Besitz. 2 Und er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was höre ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; denn du kannst hinfort nicht Verwalter sein. 3 Der Verwalter sprach bei sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt; graben kann ich nicht, auch schäme ich mich zu betteln. 4 Ich weiß, was ich tun will, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von dem Amt abgesetzt werde.
5 Und er rief zu sich die Schuldner seines Herrn, einen jeden für sich, und fragte den ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? 6 Er sprach: Hundert Fass Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich hin und schreib flugs fünfzig. 7 Danach fragte er den zweiten: Du aber, wie viel bist du schuldig? Er sprach: Hundert Sack Weizen. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig. 8 Und der Herr lobte den ungetreuen Verwalter, weil er klug gehandelt hatte; denn die Kinder dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts. 9 Und ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn er zu Ende geht, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.

Liebe Gemeinde,
das ist ein Text, wie geschrieben für diesen Tag, für diesen Anlass. Gestern war unsere jährliche Mitgliederversammlung - auch da geht es ja auch immer darum, wie wir mit dem Geld in unserem Werk haushalten und wirtschaften. Ein Herr, der Rechenschaft fordert von seinem Verwalter! Rechnungsprüfung also! Ist alles mit rechten Dingen zugegangen? Haben wir alles im Blick behalten? Haben wir Fehler gemacht? Alles Geld richtig verbucht? Es ging um die Erfolge eben-so wie um die großen und kleinen Ungerechtigkeiten, die der Umgang mit Geld immer und überall mit sich bringt und die gelegentlich auch ein gewisses Unbehagen verursachen, weil man sich - so geht es mir jedenfalls meistens dabei - in diesen Dingen nicht selten überfordert fühlt. Von diesem Unbehagen wird noch zu reden sein.

Wahrlich ein Text für diesen Tag! Doch ist das Meiste in diesen Text unklar; und die Personen sind allesamt nicht wirklich sympathisch. - Wer ist der Reiche? Sind die Vorwürfe gegen den Buchhalter berechtigt oder sind es vielleicht doch nur Verleumdungen? Handelt der reiche Mann nicht überstürzt? Was, wenn die Bilanz des Verwalters doch stimmt? Und wer ist der Verwalter? Er ist ein Schlitzohr, keine Frage; er hat „Connections", er weiß, wie er seine Schäflein ins Trockene bringt. Und nun, bei seiner drohenden Entlassung, erst tut er erst recht das, was man ihm vorgeworfen hat: Er betrügt seinen Auftraggeber nach Strich und Faden.

Es bleibt also manches offen, aber auf diese Details kommt es offenbar gar nicht an. Der Text ist eine Parabel - eine Geschichte die ihre Pointe auf das Wesentliche zuspitzt. Da sind Fragen nach Details nicht angemessen, als wäre es eine Zeitungsmeldung. Und mit all ihren offenen Stellen bringt die Geschichte doch etwas Typisches zur Sprache, das uns allen gut vertraut ist. Es ist jenes allgemeine Unbehagen, das uns befällt, wenn es um viel Geld, um hohe Schulden und Verbindlichkeiten geht. Geradezu beklemmend kann dieses Unbehagen werden. Das Unbehagen zum Beispiel von uns sogenannten „kleinen Leuten", wenn wir von den Machenschaften der Einflussreichen und Mächtigen hören, davon, wie in Koalitionsverhandlungen Milliarden hin und her - von Berlin nach Jamaika und wieder zurück - geschoben werden und man sich fragt, welche Interessen da eigentlich vertreten werden: die der Wählerinnen und Wähler oder doch nur irgendwelche parteipolitischen Prinzipien, die mit der Lebenswelt der Menschen nicht mehr viel zu tun haben? Das Unbehagen, das einen überkommt, wenn die Kirche für aufwändige Reformationsfeierlichkeiten zwar mehrstellige Millionenbeträge ausgeben kann, ihr aber zum Thema Zukunft nicht mehr einfällt, als die nächste Strukturreform zu organisieren, und das heißt: Stellenabbau wegen schwindender Mitgliedszahlen und mangelnden Geldes. „Kirche mit Hoffnung" nennt man dieses Programm in Sachsen, das die Landessynode heute wohl beschließen wird. Oder das Unbehagen darüber, dass eine kleine Gruppe von Menschen den Großteil des Vermögens besitzt und auf der anderen Seite viele Menschen auch in unserem statistisch so reichen Land trotz harter Arbeit gerade so über die Runden kommen - von dem nach wie vor schwelen-den Skandal des Hungers in vielen Ländern der früher so genannten „dritten Welt" ganz zu schweigen. Auch das Unbehagen bei all den Nachrichten über Korruption, Verschwendung, Gier, Seilschaften in Politik und Wirtschaft wird allmählich größer, und man wird den Eindruck nicht los, als seien der reiche Mann und sein betrügerischer Buchhalter Teil eben solcher korrupter Kreise, in denen jeder nur seinen eigenen Vorteil sieht. In denen jeder weiß, was zu tun ist, damit er auch im Scheitern nur ja nicht zu kurz kommt - und auch die Macht hat, entsprechend zu handeln.

Was der betrügerische Verwalter tut, bewegt sich tatsächlich in solchen Regionen, die vom normalen Leben vollständig abgehoben sind. Bei dem betrügerischen Erlass von Schulden geht es um enorme Summen: 100 „Fass" ¬Öl - das entspricht dem Ertrag von 146 Olivenbäumen. Ein Olivenbaum bringt etwa 25 Liter Öl mit einem Verkaufswert von 1.000 Denaren. Wenn der Verwalter die Schulden von 50 „Fass" erlässt, dann ist das also die unglaubliche Summe von mehr als 70.000 Denaren. Dafür müsste ein einfacher Arbeiter zur Zeit Jesu fast 250 Jahre arbeiten. Kommt uns das bekannt vor? Und bei den getilgten Schulden von 20 „Sack" Weizen ist es ganz ähnlich. Die Tatsache, dass diese Mengen nicht etwa das Gesamtvermögen der Pächter um-fassen, sondern nur einen Teil ihrer Schulden, zeigt, über welch große Mittel sie eigentlich verfügen.

Die Schulden, die der Betrüger erlässt, sind enorm und zwingen die Begünstigten geradezu zu entsprechenden Gegenleistungen. Er erwartet von den Begünstigten, dass sie ihm helfen, wenn er seinen guten Job verliert. „Do ut des", so nennt es der Lateiner: Geben und nehmen - eine Hand wäscht die andere - wir kennen das! Heute nennt man das Steuervermeidung, Bonuszahlungen, Abfindungen in Millionenhöhe, auch wenn der Manager gerade dem Unternehmen schwer geschadet hat, oder lebenslange Versorgungsansprüche von Politikern, auch wenn die Person nur kurze Zeit ein hohes Amt besetzt hatte und gleich wieder einen hohen Posten in der Wirtschaft bekommt.

Ja, das Unbehagen mit dieser Geschichte ist unbestreitbar, weil es unser Unbehagen spiegelt. Sie handelt von dem, was auch bei uns allgegenwärtig ist: von der menschlichen Gier, gepaart mit skrupelloser Gerissenheit. Beide Figuren der Geschichte sind ihr gleichermaßen verfallen, der reiche Mann und auch sein Verwalter. Sie sind beide vom gleichen Schlag. Nicht der Verwalter selbst ist es eigentlich, der ungerecht handelt - er bewegt sich in einer Welt des Reichtums, die auf diesen Prinzipien der Ungleichheit und Ungerechtigkeit beruht, und er will davon sein Stück abbekommen.

Jesus aber lässt keinen Zweifel daran: Wenn Geld und Macht und Einfluss zusammenkommen, dann ist die Gefahr der Ungerechtigkeit unausweichlich. Macht korrumpiert, und absolute Macht korrumpiert absolut - das wissen die Menschen nicht erst seit der Erzählung vom Herrn der Ringe! Wenn es um Geld geht, ist es mit der Gerechtigkeit schwierig; ja, Geld ist immer dann ein „ungerechter Mammon", wenn es Herz und Seele des Menschen gefangen nimmt.

Und doch erzählt Jesus diese Geschichte, und man fragt sich, warum eigentlich? Das Unbehagen setzt sich letztlich darin noch fort, dass Jesus diesen ungerechten Verwalter für seine Klugheit auch noch lobt! Das kann doch eigentlich nicht wahr sein! Aber Jesus lobt ihn nicht für das, was er tut, sondern wie er es tut: Beherzt, besonnen und weitsichtig. In unserem Unbehagen über diese Geschichte wird nur umso deutlicher, worauf Jesus hinaus will: Er legt uns ans Herz, wie wichtig es ist, in dieser Welt vorausschauend und vorsorglich zu handeln: mit Blick auf die Verantwortung, die wir für diese Welt vor Gott haben. Aber Jesus macht zugleich deutlich, dass das Ziel und die Maßstäbe unseres Handelns ganz andere sein müssen. Nicht die Gier, sondern das Mitgefühl, nicht der Geiz, sondern Großherzigkeit und Freigiebigkeit sind gefragt.

Die Botschaft Jesu ist nicht eine Botschaft für die beste Geldanlage, sondern eine Botschaft der Liebe und des Mitgefühls - wir haben es im Evangelium heute gehört: „Was ihr getan habt einem von diesen Geringsten, das habt ihr mir getan." Das sagt Jesus in einer Rede, in der es um das Gericht Gottes über die Welt geht: Gott, vor dem jeder und jede von uns, arm oder reich, früher oder später sich verantworten muss. Es ist kein Zufall, dass diese Texte für den Volkstrauertag ausgewählt sind. Und es ist diese Verantwortung, die unser ganzes „Kalkül", unsere Be-sonnenheit herausfordert. Eine Verantwortung, für die der betrügerische und darin doch auf seine Weise klug handelnde Verwalter gleichsam als Gegenbeispiel dient: Was die Kinder dieser Welt so gut können - nämlich klug und besonnen handeln in einer zweifelhaften Hoffnung auf das Prinzip der Korruption - das sollt auch ihr tun: klug und besonnen sein, aber in einer ganz anderen Hoffnung: der Hoffnung auf Gott, der euch eure wahren Schulden erlässt. Von dieser Hoffnung, dem geradezu „ängstlichen Warten" und dem Seufzen der ganzen Schöpfung unter den Verhältnissen dieser Welt war in der Epistel aus dem Römerbrief des Paulus die Rede. Diese Hoffnung setzt einen ganz anderen Geist, eine andere Kraft frei, als die Gier der Menschen, die nur scheinbar eine Zukunft hat. Aber was sollte das auch für eine Zukunft sein, wenn die Zeichen des Wandels auf unserem Planeten immer deutlicher werden. Der Klimagipfel in Bonn ist gestern gerade zu Ende gegangen und hat wieder eine Ahnung vermittelt von dem Seufzen und dem angstvollen Ausharren der Schöpfung, ausgelöst durch die Art und Weise, wie wir mit unseren Ressourcen umgehen. Wenn wir weiter wider besseres Wissen unseren Wohlstand und Reichtum zu Lasten der Umwelt und Mitwelt unter allen Umständen halten wollen, dann wird es irgendwann keine Zukunft mehr geben. Jetzt gilt es auch hier: Klug und besonnen handeln. Der Geist des Unbehagens aus der Beispielgeschichte Jesu über die Klugheit des Buchhalters weist uns einen anderen Weg: „Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit" - so hat es Paulus einmal seinem Mitarbeiter eingeschärft.

Das ist es, woran die „Kinder Gottes" im Unterschied zu den „Kindern der Welt" ihre Besonnenheit lernen: am Geist Gottes, am Geist Christi, der uns andere Maßstäbe vermittelt, als es die Maßstäbe dieser Welt ist, in der das Geld regiert. Der uns zeigt, wie wir mit den Ressourcen der Welt und eben auch mit dem unvermeidlichen Geld umgehen sollen. In der Sache müssen wir also das Gleichnis gegen den Strich bürsten: Geld birgt immer die Gefahr der Ungerechtigkeit, aber man kann dieser Ungerechtigkeit begegnen, indem man Gutes damit tut. Luther hatte genau das in seinen Thesen zum Ablass aufgenommen, zu jener gerissenen und menschenverachtenden Art des Schuldenerlasses, den man mit Geld erkaufen konnte und mit dem man sich angeblich aus dem Fegefeuer retten konnte. Mit seinen Thesen fordert Luther dazu auf, dieses korrupte Treiben zu beenden, an dem sich die reiche Kirche und der Landesfürst nur noch reicher machen. Wer Geld übrig hat, der soll nicht auf die Märchen über das Fegefeuer hereinfallen, sondern lieber den Armen Gutes tun oder es für schlechte Zeiten zurücklegen. Seelenheil kann man mit al-lem Geld der Welt nicht kaufen! Damit Gutes tun aber schon.

Damit wir uns nicht missverstehen: Natürlich geht es nicht ohne Geld in unserer Welt, und zum Glück gibt es ja auch Manager, die in dieser Hinsicht verantwortungsvoll sind und die ausdrück-lich nicht in die Kategorie des Buchhalters im Gleichnis gehören. Wir haben gestern auf der Mitgliederversammlung darüber gesprochen; es sind hohe Summen, die in unserem Werk verwaltet werden müssen - unter Bedingungen, die wir zu großen Teilen nicht selbst bestimmen können. Umso mehr gilt, was Jesus am Schluss der Geschichte einschärft: „Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon"! Lasst den ungerechten Mammon fahren und tut Gutes damit, dann nehmt ihr ihm seine Macht, dann kann man euch nicht mit ihm korrumpieren, dann werden die Menschen sehen, wes Geistes Kinder ihr seid und welcher Geist die Welt regieren könnte. Die kluge Verwaltung im Geist der Liebe und der Barmherzigkeit: das sei unser „Kalkül", nicht der Eigennutz wie bei dem „klugen" Verwalter.

Für ein Werk wie die Diakonie ist das eine beständige Herausforderung, weil auch wir uns den „Kräften des Marktes" und des Geldes nicht verschließen können und es immer wieder ein Kampf ist, diesen oft ungerechten Kräften einen anderen Geist entgegen zu setzen. Das erfordert nicht nur schöne Sonntagsreden wie gestern und heute, sondern ein hohes Maß an Nüchternheit und Transparenz, an Ehrlichkeit und Weitblick, an Mut, Probleme zu benennen und rechtzeitig gegensteuern. Das betrifft betriebswirtschaftliche Probleme genauso wie das offene Miteinander in den vielfältigen Teilbereichen des Werkes, das Ansprechen von Spannungen und Unmut untereinander ebenso wie die Notwendigkeit, gemeinsam Wege der Klärung und Neugestaltung zu finden - und zwar entschlossen, beherzt und besonnen - so wie der Verwalter in unserer Geschichte. Aber eben nicht in Eigennutz, um die eigenen Schäflein ins Trockene zu bringen, um sich selbst zu profilieren auf Kosten anderer. Entschlossen, beherzt und besonnen sollen wir un-seren Reichtum mit anderen teilen, und das ist nicht in erster Linie das Geld, sondern unser Reichtum besteht vor allem in der Kraft Christi, in der Kraft, die uns aus jenem großen Schuldenerlass erwächst, den Gott uns in Tod und Auferweckung Christi verheißen hat und auch tat-sächlich gewährt. Diese Kraft macht uns reich zu den Werken der Barmherzigkeit, denen unser Werk im Geist Christ verpflichtet ist für die Menschen, die auf unseren Reichtum angewiesen sind.

Amen

Prof. Dr. Jens Herzer, Theologische Fakultät, Universität Leipzig
Vorsitzender des Verwaltungsrates des Diakonischen Werkes Innere Mission