Predigt über Johannes 12,20-24
- 22.03.2020 , 4. Sonntag der Passionszeit - Lätare
- Pfarrerin Britta Taddiken
Es waren aber einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um anzubeten auf dem Fest. 21 Die traten zu Philippus, der aus Betsaida in Galiläa war, und baten ihn und sprachen: Herr, wir wollen Jesus sehen. 22 Philippus kommt und sagt es Andreas, und Andreas und Philippus sagen es Jesus. 23 Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde. 24 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. (Johannes 12, 20-24)
Liebe Gemeinde,
was wir in diesen Tagen erleben - das ist völlig neu und fremd für uns. Was sind das für verstörende Bilder aus Italien: Militärfahrzeuge fahren Verstorbene zu Friedhöfen und Krematorien. Was wird uns noch erwarten? Ausgangsbeschränkungen sind angekündigt für die nächsten Tage. Haben wir wirklich schon begriffen, was gerade los ist? Die Virologen sagen uns: Wir haben es selbst in der Hand, ob es bei uns so weit kommt wie in Italien. Aber auch da ist die Frage: Haben wir das wirklich in der Hand, wer kann es wirklich wissen? Eigentlich niemand. Daher ist es vernünftig: Die Vorsicht regiert. Lieber einen Schritt weiter gehen als einen zu wenig, was man später bereut. Dieses tödliche Virus ernst nehmen. Es betrifft uns alle. Ein Problem, das wirklich jede und jeder auf dieser Welt hat im Moment. Es berührt jedes Leben, man kann sich ihm nicht entziehen.
Aber damit stellt sich auch die Frage: Was setzen wir ihm entgegen? Jede und jeder von uns? Lassen wir uns davon umklammern, lahmlegen? Im öffentlichen Leben, da ist es so. Aber ob wir unser Nachdenken davon lahmlegen lassen: Das hängt tatsächlich von uns ab. Von was lassen wir uns bestimmen: Von der Furcht vor dem Tod – oder von den vielfältigen Kräften des Lebens.
Im Grunde ist es genau das, was einige Griechen an Erfahrung machen, die in unserem Predigttext nach Jerusalem zum Passafest gekommen sind. Sie wollen Jesus sehen, weil er sie fasziniert. Das wird etwas völlig Neues sein, was sie noch nicht kennen.
Und was sie da hören – es kann sie nur irritieren. Jesus erzählt ihnen genau von dem, was Menschen immer irritiert: vom Sterben. Von seinem Sterben. Und dass es darauf ankommt: Dass er stirbt. Wahnsinn! Damals. Die Griechen sind da bestimmt zurück gewichen. Auf seinen Tod kommt es an? Auf das Sterben?
Was wir jetzt fürchten wie nichts, was uns dazu treibt, selbst die größten Einschränkungen unserer Freiheit in Kauf zu nehmen in der Hoffnung, dass wir möglichst keine Verhältnisse wie in Italien bekommen – er erklärt es zu seinem höchsten Ziel! „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein, wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ Kein Wunder: Kein Mensch versteht Jesus in diesem Moment. Die Jünger nicht und die andern auch nicht. Das Kreuz, dieser furchtbare Tod, zu dem die Römer Verbrecher verurteilten - er soll der Höhepunkt der Sendung Jesu sein? Eigentlich ist es die denkbar schlimmste Niederlage, so zu sterben. Dieser Tod aber soll viel Frucht bringen. Sogar Gewinn.
Was können wir damit anfangen: Jesu Tod soll Gewinn und Frucht bringen. Wer soll das verstehen? O Mann: Es ist ein Kreuz mit dem Kreuz Jesu. Es ist und bleibt sperrig, darin etwas Gutes zu sehen. Es bleibt aber dennoch ein starkes Bild zurück, das Jesus hier benutzt: Es muss etwas sterben, damit Neues werden kann. Das mag uns schon eher einleuchten. Einige Verse nach diesem Wort geht Jesus einen entscheidenden Schritt weiter. Er deutet sein Sterben, seinen Tod als Gericht über alle menschliche Niedertracht, über alle menschliche Anmaßung, letztlich über alles Leid. Dadurch, dass er es selbst auf sich nimmt und es überwindet, verliert es trotz seiner schrecklichen Ausprägungen seinen letzten Anspruch auf uns. Wo immer uns davon etwas begegnet, ist er auch da. Wo immer Menschen leiden, an ihren Krankheiten, an ihren Niederlagen, an ihrem Scheitern, ist er schon an ihrer Seite. Er macht sich dort schon zusammen mit ihnen auf den Weg zu neuem Leben.
Darauf kommt es jetzt an. Dass wir diesen Blick behalten: Nicht, was jetzt ist, soll uns gedanklich und anderweitig gefangen halten. Ja, wir werden uns einschränken. Und das wird auch schmerzhaft sein. Aber es hat auch die Anlage zu Neuem – uns werden neue Ideen kommen, wie wir miteinander leben können in dieser einen Welt. Wir werden zu neuen Formen kommen, wie wir miteinander umgehen und reden. Erste Schritte sind erkennbar. Eine neue innere Nähe von Menschen zu Menschen trotz äußerer Distanz. Menschen, die sich nicht kennen, bieten einander Hilfe an. Und zwar zum Leben. Nicht nur zum Überleben. Wo etwas stirbt, erwacht etwas zu neuem, anderen Leben.
In großer Münze ist das eine Botschaft für das Osterfest. Aber in kleiner Münze schon eine für heute – an klein Ostern. Wenn Sie dazu beitragen möchten, dass etwas zu neuem Leben angesichts der coronaren Todesmächte erwacht, wenn Sie anderen helfen möchten, Älteren und Menschen, die im Moment gesundheitlich sehr gefährdet sind – melden Sie sich bei uns hier in der Kirchgemeinde St. Thomas!
Das Weizenkorn bleibt nicht allein, wo es stirbt, sondern entfaltet sich zu neuem Leben entfaltet. Entscheiden wir uns dafür, diesem neuen Leben ein Gesicht zu geben. Unseres zum Beispiel.
Amen.
taddiken@thomaskirche.org