Predigt über Joh 6, 30-35
- 04.08.2019 , 7. Sonntag nach Trinitatis
- Pfarrer Martin Hundertmark
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Was sollen wir ihnen nur zu essen geben?
Wir haben nicht mehr als 5 Brote und 2 Fische. Das wird kaum reichen, um ihnen auch nur annähernd das Gefühl zu geben, satt zu sein.
Sorgenvoll blicken Jesu Jünger in die übergroße Menge. Es sind schlicht zu viele.
Kein Problem, meint Jesus. Er schaut anders. Sein Blick gilt der Seele. Da kann der Magen noch so knurren, wenn sie nur satt wird. So lässt Jesus die Menge lagern. Verteilt wird, was vorhanden ist. Dadurch entsteht etwas Neues. Aus der hungernden Hörgemeinschaft wird eine seelensatte Gemeinschaft.
Das Wort vom Brot des Lebens wird hier zu Beginn des sechsten Kapitels im Johannesevangelium als Samenkorn in die Erde gelegt. Ein paar Verse später können wir es ernten, liebe Gemeinde.
Der neue Rabbi erregt Aufmerksamkeit. Mit dem Weinwunder zu Kana begann es, noch sechs weitere Wunder werden nach johanneischer Diktion folgen. Der Wanderprediger wird umringt von Menschen, die auf der Suche sind. Schon vielen hörten sie zu und immer wieder die gleiche Frage: Ist er der Richtige? Ist er ein Scharlatan?
Ist er nur ein Hoffnungsverkäufer oder finden wir bei ihm endlich den Mehrwert im Leben, der über das alltägliche Sättigungsgefühl hinaus geht?
Deshalb die Zeichenforderung. Ein Zeichen muss her. Es soll die letzten Zweifel vertreiben. Dann wollen wir gerne folgen, wollen nach dem Sehen auch gerne Glauben. Also sprach das Volk zu Jesus:
30 Was tust du für ein Zeichen, auf dass wir sehen und dir glauben? Was wirkst du?
31 Unsre Väter haben Manna gegessen in der Wüste, wie geschrieben steht (Psalm 78,24): »Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen.«
32 Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel.
Wer in Israel religiös etwas erreichen wollte zu jener Zeit, musste sich mit Mose messen.
Doch mit dem Laufe der Jahrzehnte verschwimmt der Blick auf die Geschichte. Vergangenheit wird zur verklärten Zeit und merkwürdig leuchten dann ihre damaligen Protagonisten.
Jesus antwortet, indem er richtig stellt:
Nicht Mose hat euch das Manna gegeben, sondern mein Vater schenkt euch das wahre Brot.
Nehmt ihr es zu euch, werden eure Sehnsüchte gestillt.
Natürlich will jeder solches Brot. Sofort.
Dann hätte die Suche nach dem Lebenssinn endlich ein Ende. Leben würde gelingen anstatt durch die Finger zu rinnen. Und nun fährt Jesus fort:
33 Denn dies ist das Brot Gottes, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben.
34 Da sprachen sie zu ihm: Herr, gib uns allezeit solches Brot.
35 Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten. (Johannes 6. Kapitel)
Wenn das Brot des Lebens verschimmelt
So groß auch die Sehnsucht nach dem Mehrwert im Leben heute noch ist, die wenigsten glauben, dass sie durch Jesus Christus gestillt wird.
Sie, liebe Gemeinde, gehören nicht dazu, sonst säßen sie wohl kaum am sonnigen Sonntagmorgen hier im Gottesdienst.
Aber was ist mit den vielen anderen Menschen? Eigentlich ist der Zugang zum Brot des Lebens doch leicht möglich. Jesu Worte sind überall nachlesbar, Kirchen haben geöffnet. Gottesdienste werden gefeiert. Die Einladung zum Abendmahl ist heute viel weiter gefasst als noch vor einigen Jahrzehnten.
Haben wir zu viel Brot im Alltag, dass den Zeitgenossen davon übel wird und sie den Blick für das Brot des Lebens verlieren?
Oder wird das Brot des Lebens nicht mehr frisch gebacken, sondern mit zu vielen Konservierungsstoffen aufbewahrt?
Jesu seelensättigende Worte sind nichts für den Brotkasten oder eine goldbeschlagene Vitrine. Wenn er von sich als dem Brot des Lebens spricht, dann impliziert das stets Gemeinschaft. So wie uns das tägliche Brot gemeinsam viel besser schmeckt, so will Jesus Christus in die Welt getragen werden. Privatreligiöse Frömmigkeit, ein Jesus für das stille Kämmerlein ist nicht das Brot des Lebens, von dem er spricht. Es ist eher das Manna, welches schlecht wurde, wenn man es aufbewahren möchte.
Das Brot des Lebens will geteilt werden, sonst verschimmelt es im Herzensschrein oder als Reliquie. In der Wundergeschichte von der Brotvermehrung zeigt uns Jesus Christus, dass im Teilen ein Mehrwert des Lebens zu finden ist. Seine Worte sind dort authentisch, wo sie mit praktischer Tat gefüllt werden. Vielleicht ist das eine unserer Hauptaufgaben als christliche Kirchen – Worte Jesu glaubwürdig im Alltag mit Taten füllen. So könnte das Brot des Lebens wieder schmecken und attraktiv für die vielen Suchenden werden.
Wenn das Brot eine Geschichte vom Leben erzählt
Jesu Zuhörer kennen sie alle, die Geschichten von Aufbruch und Bewahrung, von Manna, dem Himmelsbrot des Mose. Und je mehr Jahrhunderte Überlieferung dazwischen liegen, desto goldener glänzen die alten Zeiten.
So verfallen Jesu Zuhörer allmählich in ein gewisses Maß an Geschichtsklitterung, das es zu korrigieren gilt. Die Zeichenforderung erfüllt Jesus auf unerwartete Weise siebenmal im Johannesevangelium. Mit dem Weinwunder fängt es an und geht bis hin zur Auferweckung des Lazarus. Wer will nicht erst sehen, um dann glauben zu können? Daran hat sich wohl wenig geändert.
Und hier, liebe Gemeinde, zeigt sich die Genialität des johanneischen Evangelisten bzw. seiner Schule. Am Ende des Johannesevangeliums tauchen die beiden Verben „sehen“ und „glauben“ wieder auf in der Begegnung des Auferstandenen mit Thomas. Sehen ist eben nicht die Voraussetzung für Glauben, sondern Vertrauen.
Jesus korrigiert das Missverständnis hier am Anfang und dort am Ende des Evangeliums.
Mose hat das Mannawunder nicht aus sich selbst gewirkt, sondern durch Gott. Damit wird jegliches Zaubereiverständnis dahin gerückt, wo es hingehört – an den Rand und nicht ins Zentrum des Geschehens.
Auf die erneute Frage und das erneute Drängen der Zuhörer reagiert Jesus mit der doppeldeutigen Aussage, dass er es selber ist. Und wieder wird die Erwartung enttäuscht, etwas Greifbares zu bekommen. Glaube geschieht nicht durch irgendein Zaubermittel oder ein Wunderding, sondern er wächst in der Gemeinschaft mit Jesus Christus.
Für Johannes zeigt sie sich in sieben Worten. Er stellt sie, verteilt über das ganze Evangelium, an prominente Stelle. Die Ich-Bin-Worte Jesu von Tür, Licht, Brot, Wein, Weg, Hirte und Auferstehung haben sich eingeprägt ins Gedächtnis der Gemeinden bis auf den heutigen Tag.
Was macht uns eigentlich satt, liebe Gemeinde? Wieviel brauchen wir eigentlich zum Leben?
Der Hunger des Satten lässt sich nicht mit gewöhnlichen Lebensmitteln stillen. Es braucht ein anderes Mittel zum Leben – den Mittler, der uns rettet, indem er sich uns schenkt.
Die Gemeinschaft mit Christus ist, im Gegensatz zum Manna des Alten Testaments, nichts Vergängliches.
Beides rettet – dort das Gottesvolk in Wüstennot und hier aus einem Leben allein im Gesetz. Doch in Jesus als Brot des Lebens wird uns ewiges Leben geschenkt.
Als heiliges Sakrament ist das Abendmahl Ausdruck einer ungemein großzügigen Einladung durch Jesus Christus. Der Mühselige und Beladene, der an der Unwirtlichkeit des eigenen Alltags Leidende wird fürstlich bewirtet mit Brot und Wein – einfach und so wirkungsvoll, zeigt sich doch darin, dass alle Unwirtlichkeit uns nicht heraustrennen kann aus jener Gemeinschaft mit Jesus Christus.
Die Suche hat ein Ende für den Lebens-Satten wie für den nach Sinn Hungernden. In Jesus Christus hat sie ihr Ziel gefunden. So wie er Licht des Lebens sein will, so ist er auch Brot des Lebens und erfrischende Quelle für die Menschenseele – Lebensmittel, die wir brauchen, um nicht zu verkümmern.
Wenn das Brot eine Geschichte vom Tod erzählt
Die heutige Predigt hat ca. 1600 Worte. In den gut drei Stunden, in denen ich sie niederschreibe, sterben 1600 Kinder auf der Welt an Unterernährung. Ein Wort Verkündigung bedeutet demnach ein totes Kind. Die meisten sterben in Afrika und Asien. Das ist weit weg. Daran ist nicht Gott schuld, liebe Gemeinde. Wir sind es durch unser Unvermögen, dass, was reichlich vorhanden ist, fair zu verteilen, damit jeder überleben kann.
Durch Hunger sterben mehr Menschen auf der Welt als durch Aids, Malaria oder Tuberkulose zusammen. Ausgelöst wird er auch durch klimatische Veränderungen.
Verzweifelnder Hunger treibt Menschen an, mobilisiert die letzten Kräfte genauso, wie die Angst davor. Warum machen sich Hunderttausende auf den Weg, riskieren ihr Leben? Sie fliehen vor drohender Katastrophe, lassen sich ihre Hoffnungen von skrupellosen Schleppern teuer bezahlen und stranden dann an unsere Außengrenzen. Letztlich sind die Fluchtbewegungen auch ein Ausdruck unseres Unvermögens, für Überlebensbedingungen vor Ort zu sorgen. Um das zu ändern braucht es neben der Mahnung durch aufgebrachte Teenager, die ungemein wichtig ist, aber auch bei allen die Bereitschaft zur Veränderung.
Das betrifft zuallererst gewisse eigene Lebensgewohnheiten.
Der Satte und Übergewichtige hat kaum Chancen, wenn er vom Hungrigen vor sich hergetrieben wird.
Teilen wir Brot, teilen wir auch das Recht auf Überleben.
Brot steht auch als Symbol für Gerechtigkeit und Zugang zum Leben, welches sich nicht allein in der Erhaltung der Lebensfunktionen erfüllt, sondern mit Sinn. Dafür braucht es Menschen, braucht es uns, die wir uns einbringen mit den Gaben, die uns Gott schenkt.
Fällt das alles nun vom Himmel?
Nein und Ja.
Nein deshalb, weil für tägliches Brot es großer Anstrengungen bedarf. Zur Würde eines Menschen zählt auch, dass er sich sein tägliches Brot nicht schenken lassen muss, sondern selber dafür sorgen kann.
Ja deshalb, weil Brot des Lebens für uns durch Gott geschenkt wird. Es sind jene Gaben, die wir brauchen, um verantwortlich füreinander da zu sein. Gehortet werden kann das nicht, es würde verschimmeln. Tagtäglich aufs Neue brauchen wir das Geschenk Gottes und wir bekommen es. Dafür steht die Mannageschichte ebenfalls.
Brotgeschichten müssen am Ende immer Lebensgeschichten sein. Dafür schenke uns Jesus Christus Kraft und Mut. Amen.