Predigt im Abendgottesdienst über Joh. 16, 5-15

  • 12.05.2024 , 6. Sonntag nach Ostern – Exaudi
  • Prädikantin Dr. Almuth Märker

Predigt Joh. 16, 5-15

Exaudi VI, Abendgottesdienst St. Thomas 12.5.2024

 

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserm Vater und unserm Herrn Jesus Christus. Amen

[Stille]

Liebe Gemeinde,

wie lange?! Wie lange noch sollen wir Gott bitten und uns an ihn wenden?!! Quousquetandem! Den überwiegenden Teil der Sonntage in der österlichen Freudenzeit haben wir genau das getan und uns gegenseitig dazu ermuntert, ermahnt und eingeladen. Jede nur denkbare Anredeform an Gott haben wir dabei bemüht:

- Jubilate – Jubelt, jauchzt Gott, jauchzet Gott in allen Landen!

- Kantate – Singet, singet dem Herrn ein neues Lied!

- Rogate – Betet.

- Und nun heute: Exaudi, Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe. Herr, höre unsere Stimmen, wenn wir rufen.

Wie lange noch sollen wir uns an Gott wenden. Fast scheint es, als hielten wir ihn an den Schultern gepackt und würden ihn schütteln: So hör doch, erhöre uns doch, Herr. Jubilate, Kantate, Rogate, Exaudi – und keine Reaktion? Hat Gott denn nichts für uns übrig?

 

Was und wieviel Gott heute für uns übrig hat, hören wir im Evangeliumstext für den Sonntag Exaudi, der zugleich der Predigttext ist. Gott redet durch seinen Sohn Jesus Christus; Jesus nimmt Abschied von seinen Jüngerinnen und Jüngern. Wir hören aus dem Johannesevangelium im 16. Kapitel:

„4b Zu Anfang aber habe ich es euch nicht gesagt, denn ich war ja bei euch. Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand von euch fragt mich: Wo gehst du hin? 6Doch weil ich dies zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer. 7Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, werde ich ihn, den Tröster, zu euch senden. 8Und wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht; 
13Wenn aber jene, die Geistkraft der Wahrheit,  kommen wird, wird sie euch in aller Wahrheit leiten. Denn sie wird nicht aus sich selber reden; sondern was sie hören wird, das wird sie reden, und was zukünftig ist, wird sie euch verkündigen.“

Jesus nimmt Abschied von seinen Jüngerinnen und Jüngern. Wie vor einer Reise, von der es keine Rückkehr gibt, bündelt er alles, was ihm für diese seine engsten Vertrauten am Herzen liegt, in kompakten Sätzen. Es ist, wie wenn er die Situation schön reden wolle: „Es ist gut für euch, dass ich weggehe.“ Jesus versucht zu erklären: „Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch.“ Und es gibt sehr emotionale Momente: „Euer Herz ist voll von Trauer.“

Der Text vermittelt nur zögerlich, was eigentlich schwer wiegt: dass sich die Jünger im Stich gelassen fühlen oder: dass Jesus die Jünger im Stich lassen wird.

Verlassenheit steht im Raum. Die stumme Gewissheit, verlassen zu werden baut sich wie die tiefschwarzen Wolkentürme eines drohenden Unwetters auf. Die Verlassenheit bildet den Hintergrund des Textes.

 

In die Bedrohlichkeit dieser Szene hinein sagt Jesus den Satz:

„Wenn ich aber gehe, werde ich ihn, den Tröster, zu euch senden.“

Hier spricht er sie aus, die Verheißung von Pfingsten.

Ich werde den Tröster zu euch senden, sagt Jesus. Im selben Moment, da mir dieses Versprechen gegeben wird, regt sich  - so spüre ich – etwas in mir:

- Da ist zunächst der Überdruss daran, in einem kalten verlassenen Raum zu verharren; Aufbruchsstimmung,

- gefolgt von der Sehnsucht nach den guten Kräften, nach Gottes Wirken und nach seiner Wahrheit; diese Sehnsucht (nach GOTTES, nicht der Menschen Wahrheit) zerrt und zieht an mir,

- so dass ich mich (3.) leiten lasse von dem, was Jesus uns anbietet: Gottes heilsame, heilende Heilige Geistkraft. Sie soll mich erfüllen, sie soll mich neu ausrichten, sie möge uns durchströmen.

 

Ach ja! Wenn das – diese Kraft Gottes – für mich und mein Morgen, für uns an Pfingsten, für uns alle, also für unsere Zukunft als Menschheit wahr wird, dann werden wir es aushalten und überwinden: verlassen zu sein.

Ach ja! Ach komm, Heiliger Geist!

Das ist es, was Gott für uns übrig hat. Das Jubeln, Singen, Beten, Flehen haben dies zum Ziel: die Kraft des Heiligen Geistes in uns.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und unser Beginnen in Christo Jesu.

Amen

 

Prädikantin Dr. Almuth Märker

almuth.maerker@web.de