Predigt über Joh 14, 15ff

  • 09.06.2019 , Pfingstsonntag
  • Pfarrer Hundertmark

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Im pfingstlichen Lobpreis ertönen Pauken und Trompeten. „Erschallet ihr Lieder, erklinget ihr Saiten“ hörten wir gleich zweimal aus Bachs Pfingst-Kantate.

Pfingsten als großes Dank-Fest, liebe Gemeinde? Warum nicht? Es lohnt sich, diesen Gedanken weiterzuverfolgen und zunächst den Blich auf den Ursprung zu lenken.

Erzählt wird von angstlähmender Mutlosigkeit der ersten Jüngerinnen und Jünger. Verkrochen haben sie sich, unfähig, für die Zukunft zu denken, geschweige denn zu handeln. Entgeistert im wahrsten Sinne des Wortes schwelgten sie höchsten in Erinnerungen: Ach, wie schön war es doch früher, als alles noch in Ordnung war. Jesus ganz nah; tagtäglicher Begleiter, Wundertäter.

In die lähmende Angst schleichen sich plötzlich Zweifel. Deshalb verkriechen sich die Jünger Jesu. Wenn nun alles ein Irrtum gewesen ist?

Was, wenn der verheißene Beistand sich als heiße Luft erweist?

Wo Zweifel und Angst sich miteinander verbünden, entsteht nichts Zukunftsweisendes.

Gemeinde wird so nicht wachsen können.

Es bedurfte einer besonderen Kraft. Schöpferische Kraft Gottes, vor Anbeginn der Welt über den Wassern schwebend, Ezechils Totenfeld belebend, dem Sohne innewohnend - schöpferische Kraft Gottes musste sich der in sich selbst verkrümmten Menschen bemächtigen, um sie aufzurichten. Und plötzlich wurde alles zu eng, das eigene Herz wie auch der dunkle Raum.

Hinaus zu den Menschen, liebe Gemeinde, ist ein markanter Punkt pfingstlicher Botschaft. Als Geistbegabte sind wir von Gott selbst dazu befähigt worden. So lässt sich ein Bogen schließen von der Pfingstpredigt des Petrus hin zur je eigenen Gegenwart christlicher Gemeinde.

Heiliger Geist, Tröster, Beistand – stets bis du vonnöten, weil sich Gottes Menschenkinder oftmals nicht trauen, von Wahrheit und Liebe zu reden. Damit sich frohe Botschaft ausbreiten kann, braucht es jene Bestärkung, die aufbricht, was verkrustet ist. Das ist dann alltagstauglich. Als Symbol für die Alltagstauglichkeit des Heiligen Geistes taucht in unserem Predigttext (und in der Kantate als Rezitativ gleichermaßen) die Wohnung auf. Der Evangelis Johannes bereitet das fein vor, wenn er Jesus ein paar Zeilen vorher zu Beginn des 14. Kapitels sagen lässt: „Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten“.

Hier nun wird von „Wohnung nehmen“ und „Wohnung machen“ gesprochen. Beides hat seine Berechtigung. Denn bevor ich eine Wohnung „nehmen“ kann, muss sie „gemacht“ sein. Das dafür verwendete griechische Wort lässt beide Übersetzungen zu. Im Evangelium hörten wir vorhin „Wohnung nehmen“. Bachs Kantatentext basiert auf einer älteren Lutherübersetzung und hat „Wohnung machen“ als Text.

In Luthers Pfingstpredigt von 1528 heißt es:

„Der Herr sagt nicht: Wir werden zu ihm kommen und in ihm eine Wohnung finden, sondern:

Wir werden Wohnung bei ihm machen. Das sind die Gaben Gottes, mit denen er an uns zimmert und die groben Späne abhaut.“ (Martin Luther, Pfingstmontag, 1.6.1528)

 Uns ist die göttliche Wohngemeinschaft verheißen. Hier und jetzt kann sie realisiert werden. Dabei ist es interessant, und Luther legt sehr großen Wert darauf, dass Subjekt und Objekt des Handelns nicht miteinander verwechselt werden. Gott kommt in Jesus Christus mit der Kraft des Heiligen Geistes, um in meiner Wohnung aufzuräumen. Der Ort, den er sich dafür aussucht ist das Herz. Hier will sich Gott verorten lassen. Und er weiß genau – da drinnen sieht es oft sehr finster aus. In dunklen Ecken nistet sich Neid ein. Viele andere Dinge stapeln sich in dieser Herzenswohnung, so dass ich manchmal sehr lange suchen muss. Sorgen, Freuden, Befindlichkeiten können raumgreifend sein. Schnell wird es dann eng im Herzen.

Für Jesus Christus ist kein Platz.

Nun mag man einräumen – das gilt doch für mich nicht, der ich hier sitze, regelmäßig Gottesdienst und Motetten besuche und mich berühren lasse von gesungener Verkündigung.

Doch, es gilt uns allen. Denn in einer Wohngemeinschaft zu sein bedeutet, sich aufeinander einzulassen und miteinander Lebenszeit im Alltag zu teilen. Die Erinnerung daran haben wir alle nötig. Deshalb will ja Gott auch selber kommen, um Wohnung zu machen.

Unsere Herzenswohnung besteht nicht aus groben Balken. Fein wird sie sein, wenn Gott an uns zimmert.

Göttliches „Wohnung machen“ sorgt dafür, dass es in unserem Herzen wieder rein wird. Manches, was ich längst vergaß, wird hervorgeholt werden und auch die eine oder andere Ecke bekommt den gründlichen neuen Anstrich.

Ich als Mensch bin hier ganz Objekt göttlichen Handelns. Eigenes Zutun ist nicht nötig. Denn es kommt eben gerade nicht auf mein Verdienst an, sondern schlicht und einfach allein auf göttliche Gnade. Dass er sich mich auserwählt, um an mir herum zu zimmern, ist ein im Alltag stets erneutes pfingstliches Wunder.

Gewiss, verschließen darf ich mich dem nicht. Der Schlüssel zur Herzenswohnung aber ist die Liebe.

„Wenn jemand mich liebt, wird er mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen.“ (Vers 23)

Für die johanneische Theologie spielt die Liebe eine zentrale Rolle. Gott liebt die Welt, so dass er seinen einzigen Sohn Mensch werden lässt.

In der Liebe sind somit Gott und Mensch miteinander verbunden. Deshalb wird hier so großer Wert auf die Liebe als Schlüssel gelegt. Ohne Liebe könnt ihr nichts tun und Liebe ist das einzige, was ihr tun könnt. Alles Weitere darf getrost Gott überlassen werden. Liebe zu Gott zeigt sich, nachdem er Wohnung machte und dort eingezogen ist, im Bewahren der Worte Jesu und im Glauben. Mystische Demonstrationen besonderer Hinwendung und Liebe zu Gott machen keinen besseren Menschen aus mir.

 In Bachs Kantate besingt der Bass in seiner Arie den dringlichen Wunsch des Wohnungnehmens durch den dreieinigen Gott. Auch die geringste Hütte kann Gott als Wohnung dienen. Festlicher, triumphaler Musik wird das Bild der kleinen Hütte gegenübergestellt, um zu verdeutlichen:

Erstens ist bei Gott nichts unmöglich.

Zweitens braucht es für Gottes Innewohnen kein Palast, weil seine Liebe selbst die schlechteste, heruntergekommenste Hütte zum Palast werden lässt. Und drittens stillt Gott die Sehnsucht nach gnadenvoller Zuwendung.

 

Tröstendes Zwiegespräch in Liebe

 

Ähnlich dem alttestamentlichen Buch „Hoheslied“, das von zwei Liebenden erzählt, wird in der Kantate von Bach im Duett von Seele und Geist die Beziehung zwischen mir und Gott besungen. Dabei spielt der Trost eine zentrale Rolle. Gewissermaßen als Interpretation des verheißenen Trösters aus unserem Predigtabschnitt wir die Liebe als Urgrund und Motor glaubenden Handels besungen.

„Bleibt in meiner Liebe. Denn ohne Liebe könnt ihr nichts tun“, gibt Jesus Christus seiner Gemeinde im Johannesevangelium mit auf den Weg. Aus Liebe handeln und nicht aus Machtkalkül – davon dürfen, ja müssen wir uns leiten lassen, will Christsein sich als glaubwürdig in einer lieblosen Welt erweisen.

Die Kraft dafür bekommen wir aus steter Vergewisserung der Seele, dass sie nicht alleine gelassen wird, sondern in ihrem Garten Gottes Geist sanft wehen kann.

Vielleicht sind es gerade diese sanften Momente, die heutzutage zu Veränderungen führen. Wo Gottes Geist der Liebe mich umfängt, erfahre ich jene tröstende Geborgenheit, die mich frei macht vom eigenen Sorgen und permanenten Tun-Müssen.

Lass Gottes Geist wehen, liebes Menschenkind. Du wirst ihn nicht herbeizwingen können. Ebenso wenig wirst du ihm vorschreiben, mit welcher Stärke er sich deiner bemächtigen soll.

Auch brauchen wir solche geistwehenden Momente nicht ständig auf der Zunge zu tragen.

Denn nicht selten erweist sich bei denjenigen, die überall erzählen, dass sie der Heilige Geist ergriffen hat, die Taube am Ende doch eher als Meise.

Es genüg völlig, wenn wir uns vom Geist bewegen lassen, die Worte Jesu in Taten umzusetzen.

 

Am Ende seiner Rede verheißt Christus Frieden.

27 Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.

 

Und da hören wir wieder das weihnachtliche „Fürchtet euch nicht“. Neben dem Osterfest prägt es auch pfingstliches Geschehen. Furcht ist kein guter Ratgeber für Gemeindeaufbau. Die ersten Apostel haben das am eigenen Leib erfahren bzw. spüren können. Auch die verklärende Rückschau auf früher war wenig hilfreich, um für die Zukunft am Reich Gottes zu bauen.

Beides darf und soll uns vergewissern, wir haben es immer wieder nötig, vom Geist Gottes erinnert, ermahnt und getröstet zu werden, um Zukunft gestalten zu können.

Göttlicher Friede wie ihn Jesus verheißt ist zuallererst Friede im eigenen Herzen. Den kann niemand anderes geben. 

Heutzutage leben wir wie damals die ersten Gemeinden im römischen Reich

im Spannungsfeld von brüchigem irdischen Frieden und unverbrüchlichen himmlischen Frieden.

Dass Friede brüchig und manchmal auch heuchlerisch oder zynisch sein kann, dafür braucht es nur wenige Blicke in die Tagespolitik.

Wie schnell wandeln sich Freunde und Handelspartner in erbitterte Gegner, weil einer seine eigenen Interessen plötzlich an erste Stelle stellt?

Gerne kleiden sich auch diejenigen mit dem Mäntelchen der Demokratie, die sie am Ende doch nur zerstören wollen.

Und Despoten bzw. Diktatoren werden aus falsch verstandenem Frieden hofiert, um vermeintlich schnelle Lösungen für komplexe Probleme herbeizuführen.

Weltlicher Friede wird immer brüchig bleiben. Das entbindet uns nicht von der Sorge um ihn und der Fürsorge für ihn. Weltlicher Friede bringt Wohlstand und Glück für viele Menschen.

Was er nicht vermag, ist auch der Seele Ruhe zu schenken. Weltlicher Friede und Seelenfriede müssen sich nicht als Antipoden gegenüber stehen. Häufig tun sie es dennoch.

Jesus verheißt uns seinen Frieden. Und noch mehr: Er befähigt und beauftragt seine Gemeinde, diesen Frieden weiterzugeben.

Pfingsten will mit Liebe und Frieden begeistern.

Begeistert von Liebe und Frieden verändern sich Lebensumstände im kleinen überschaubaren Bereich. Wo wir solche pfingstlichen Erfahrungen im eigenen Alltag machen, wächst auch die Hoffnung auf Veränderungen im Großen.

Das Werk des verheißenen Trösters und Beistands ist noch nicht vollendet. Wir brauchen seine Erinnerungen und sein sanftes Wehen. Wir brauchen auch sein Brausen, damit die Welt nicht der Lieblosigkeit anheimfällt.

Amen.

 

Und der Friede Gottes, welcher größer ist als unser Verstehen, bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.