Predigt über Epheser 1,3-14
In diesem Gottesdienst haben wir das Fest der Jubelkonfirmation gefeiert. Gut 60 Jubilarinnen und Jubilare gedachten ihrer Konfirmation vor 25, 50, 55, 60 und mehr Jahren.
- 27.05.2018 , Tag der Dreieinigkeit – Trinitatis
- Pfarrerin Taddiken
Predigt am 27. Mai 2018 über Epheser 1,3-14, Sonntag Trinitatis (Jubelkonfirmation)
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde, liebe Konfirmationsjubilare,
bei Konfirmation ist es oft das erste Mal im Leben, dass man bewusst wahrnimmt: Ich bin gesegnet - ich werde gesegnet. Die zappeligsten kicherndsten Jugendlichen werden in diesem Moment ganz andächtig. Man ist da ja körperlich nahe beieinander - man merkt, was sich da verändert, wie da Ruhe einkehrt selbst in hochnervösen und hormonell etwas angespannten Jugendlichen.
In Sachen Konfirmation bin ich persönlich Spätzünder. Mich hat es damals mit ungefähr 13 Jahren sehr beeindruckt, als viele Freunde konfirmiert worden sind. Wie die da nach vorne gegangen sind in der Kirche. Und es passierte etwas Besonderes: Genau die gleichen, mit denen ich in der Schule reichlich Quatsch gemacht haben, wurden auf einmal ganz ernst, heilig ernst. Den Ernst des Lebens kannten wir aus der Schule, weil der Druck in der Pubertät natürlich zunahm. Aber dass es in einer Öffentlichkeit in solchem heiligen Ernst um uns ging? Diese Erfahrung hat bei mir dazu beigetragen, den Dingen mit Kirche und Glauben näher auf die Spur zu kommen. Ich wusste nicht genau, was ich alles für Fragen hatte über das Leben oder Sterben oder über das, was ich damals für religiös hielt. Eigentlich war es eher ein riesiges Durcheinander in meinem Kopf und auch in meinem Gemüt. Aber ich hatte so eine Ahnung, hier „bei Kirchens" könnte sich zumindest etwas davon ordnen.
Und ich hatte Glück oder war es Fügung? Ich geriet an jemanden, der war gesegnet, an einen Pfarrer Mitte 60, wir waren sein letzter Konfirmanden-Jahrgang vor dem Ruhestand. Er war gesegnet. Er war zwar überhaupt keine große Predigtbegabung und machte auch keinen besonders großartigen oder abwechslungsreichen Unterricht. Aber er hatte im wahrsten Sinne des Wortes klare Augen. Wasserblau, habe ich nie wieder so gesehen. Und hinter diesen Augen wohnte ein klarer Geist, mit dem er auszudrücken wusste, was ihn in seinem Leben geprägt und verändert hatte. Davon hat er immer mal erzählt, dass er als junger Mann für Führer, Volk und Vaterland freiwillig in den Krieg gezogen ist und dann den größten Teil seiner Jugend in Kriegsgefangenschaft in Algerien verbracht hat. Von dem, was er vorher gesehen hatte, war er traumatisiert, aber das scherte damals niemanden. Immer wieder hat er uns vor allem anhand von Texten aus der Bergpredigt nahegebracht: Leute, sucht den Frieden. Geht auf die anderen zu. Und vor allem: Geht niemanden auf dem Leim, der sich an die Stelle Gottes setzten will. Er hat uns immer ermutigt, zu dem zu stehen, was wir schon konnten und er hat mit dem gleichen Nachdruck auch gefordert, darüber zu diskutieren und uns Gedanken zu machen. Ich habe seinen Segen zur Segen zur Konfirmation als einen ganz besonderen empfunden. Mit dem Geist der Bergpredigt, den ich damals vielleicht wenigstens halbwegs begriffen hatte, hatte ich fortan doch eine ganz gute Leitplanke im pubertären Chaos. Etwas, was ich in der Schule so nie gefunden habe.
Deshalb gehöre ich zu denen, die bei der Konfirmandenzeit an dem schwierigen Alter von 12-14 Jahren festhalten. Bei dem heute in vielen Studien ja gezeigten Umbau in Köpfen in diesem Lebensabschnitt, ist es schlicht wichtig, von ferne begleitet zu werden von jemandem, der es erträgt, dass man sich an ihm abarbeitet. Jemand, der einen irgendwie zeigt: Du kannst machen, was Du willst - auch wenn ich mich über dich ärgere, ich mag dich trotzdem. Leider überfrachten wir in unserer Gesellschaft wider besseren Wissens Jugendliche in dem Alter immer noch mit knallvollen Lehrplänen und lauter Zeug, das sie sich eh nicht merken können. Warum lassen wir sie nicht mehr ausprobieren und stehen sozusagen als Absicherung daneben? Warum quälen wir sie und uns mit ihrer Unruhe?
Ich hoffe, dass Sie in irgendeiner Form im Rückblick auch sagen können: Doch, es war eine wichtiger Erfahrung. Erfahren, gesegnet zu sein. Oder dass sich da eine Spur durchzieht bis heute, eine Linie, die ich seit dem habe. Ich finde immer mehr, dass Konfirmandenzeit dann als gelungen betrachtet werden kann, wenn jemand merkt: Ich bin gesegnet, ich bin gewollt, ich bin bejaht - und zwar nicht nur von meinen Eltern, sondern weil ich da bin. Weil Gott mir mein Leben geschenkt hat als Gabe und Aufgabe.
Hat Ihre Konfirmation da in Ihnen etwas bewegt? Oder vielleicht eher: Wie hat sich dieser Segen bei Ihnen entfaltet? Bilanz? Gibt es für Sie solch eine Spur, einen Orientierungsrahmen, der sich Ihnen vermittelt hat? Oder hat das erst später damit begonnen? Oder sind Sie vielleicht auch noch auf der Suche danach?
Vielleicht ist es auch alles, je nach dem. Denn wir entwickeln uns, unsere Fragen verschieben sich. Mit 60 macht einen manches nicht mehr wild, worüber man mit 30 noch schlaflose Nächte hatte. Und mit Mitte 80 sieht man viele Dinge anders als ein 40jähriger. Unsere Erfahrungen prägen uns, die die wir voller Freude gemacht haben - aber noch mehr die, die uns wirklich haben lernen lassen, die schweren. Die Abschiede, die Niederlagen, die Fehler, die falschen Entscheidungen, die man getroffen hat.
Was kann sich da als Grundhaltung als hilfreich erweisen? Ich rede etwas nebulös daher, was ist es denn konkret? Es ist etwas, was wir aus dem heutigen aus Predigttext heraushören können. Es ist ein gewaltiger Hymnus, ein großes Lob-und Danklied aus urchristlicher Zeit. Und wie es ist bei solchen Liedern, funktionieren sie sozusagen über das Ganze: Die Melodie, der Gestus, über das, was solch ein Lied an sozusagen Überschießendem hat, das man nur erfasst, wenn man das Ganze hört und sich nicht in Details aufhält, wenn wir nachher aus dem Lied „Großer Gott, wir loben dich" singen, werden wir das erfahren. So ist das auch hier, in diesem Lied, das wir ganz am Anfang des Epheserbriefs finden.
Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus. 4 Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten in der Liebe; 5 er hat uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens, 6 zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten. 7 In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade, 8 die er uns reichlich hat widerfahren lassen in aller Weisheit und Klugheit. 9 Gott hat uns wissen lassen das Geheimnis seines Willens nach seinem Ratschluss, den er zuvor in Christus gefasst hatte, 10 um die Fülle der Zeiten heraufzuführen, auf dass alles zusammengefasst würde in Christus, was im Himmel und auf Erden ist, durch ihn. 11 In ihm sind wir auch zu Erben eingesetzt worden, die wir dazu vorherbestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt, nach dem Ratschluss seines Willens, 12 damit wir zum Lob seiner Herrlichkeit leben, die wir zuvor auf Christus gehofft haben. 13 In ihm seid auch ihr, die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt, nämlich das Evangelium von eurer Rettung - in ihm seid auch ihr, als ihr gläubig wurdet, versiegelt worden mit dem Heiligen Geist, der verheißen ist, 14 welcher ist das Unterpfand unsres Erbes, zu unsrer Erlösung, dass wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit.
Tja, in diesem Text ist es wie Weihnachten, Ostern und Pfingsten auf einen Schlag zu feiern - und Taufe und Konfirmation noch oben drauf! Das heutige Trinitatisfest lebt genau von dieser Idee, eine Woche nach Pfingsten zu rekapitulieren, was im letzten halben Kirchenjahr gefeiert wurde - und unsere Lebensfeste Taufe und Konfirmation noch obendrauf. Sprich: Die ganze Geschichte Gottes als Vater, Sohn und Heiliger Geist mit der Menschheit einerseits - und mit jeder und jedem von uns persönlich andererseits. Es ist wie eine einzige große Erinnerung an das, was uns in unserer Taufe ein für alle Mal zugesprochen wird und dessen wir uns in der Konfirmation vergewissern: Wir sind gesegnet „mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus". Mit allem steht da. Wir sind erwählt, „heilig und untadelig" zu sein in der Liebe - und das ist, meine ich, weniger moralisch zu verstehen, als es klingt, so nach alles richtig machen. Vielmehr geht es darum, auch bestimmt zu sein dafür, in Sachen Evangelium etwas mitzubewegen an dem Ort, an dem wir stehen und nicht in uns selbst zu bleiben. Wir sind gar vorbestimmt, Kinder Gottes und Erben Jesu Christi zu sein. Also keine auf irgendwelchen Schicksalswellen hin- und herdümpelnden Gestalten. Sondern Leute, die etwas erwarten dürfen vom Leben und vom Himmel. Die „versiegelt" sind mit dem Heiligen Geist - das hat etwas mit Schutz zu tun, aber auch mit Bekenntnis, mit Prägung, die sich in uns eingedrückt hat. Es ist, wie wir das in Johannas Taufspruch vorhin gehört haben, nicht der Geist der Verzagtheit, sondern der der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Mit ihm bekommen wir Anteil an dem, was Gott mit dieser Welt, ihrer Geschichte und uns bezweckt. Und das zu beschreiben ist wohl nur möglich mit einem solch überschießenden Lobgesang wie diesem. In seiner Kraft können wir handeln, können sie ansehen und angehen, all die offenen Baustellen bei uns selbst, die offenen Missstände in unserer Gesellschaft. Können neue Kraft gewinnen, ihnen etwas entgegenzusetzen. Können Schweres annehmen und tragen, können zurechtkommen mit unseren Erfahrungen von Vergeblichkeit. Wir sind als einzelne, jeder an seinem Ort, hineingenommen in Gottes Werk und Weg mit dieser unserer Welt, er hat uns Anteil am „Geheimnis seines Willens" gegeben, das wir eigentlich nicht erkennen können. Das macht uns zu Gesegneten und wer weiß, vielleicht auch für andere zu Menschen mit klaren Augen...
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Britta Taddiken, Pfarrerin an der Thomaskirche