Predigt über Apostelgeschichte 9,1-20

  • 04.09.2022 , 12. Sonntag nach Trinitatis
  • Superintendent Sebastian Feydt
  1. 12.So.n.Trin 04.09.2022 – Acta 9,1-20

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

In der Stille bitten wir Gott um seinen Segen für sein Wort.

 

Liebe Gäste, liebe Gemeinde,

es ist nicht unmöglich: Mitunter werden sogar die fanatischsten Fundamentalisten in die Knie gezwungen - und es verändert sich etwas in ihrem Leben.

Die Apostelgeschichte erzählt so von Saulus.

 

Wie haben Sie es vorhin in der Epistel gehört?

Ist dieses Geschehen, das da einst aus Damaskus erzählt wird, etwas, das Ihnen beim Suchen im eigenen Lebensalltag und im Glauben  heute Orientierung geben kann?

 

Ich muss zugeben: Ich begegne der  Bekehrungsgeschichte mit Zurückhaltung. Denn ich werde die Vermutung nicht los, dass uns hier etwas berichtet wird, das für viele nicht wirklich ein überzeugendes Beispiel für den Weg zum christlichen Glauben ist.

Weil es ihnen so geht, wie ich es auch erfahren habe: In meinem Leben hat es kein Bekehrungserlebnis gegeben. Mich haben kein Blitz und auch keine überirdische Stimme zum Glauben an den lebendige Gott gebracht.

Es war überhaupt kein Ereignis, das mich dazu geführt hat, Gott zu vertrauen - es wurde mir vielmehr vermittelt.

 

Mit meiner Taufe als Kind hat es begonnen. Ja.

So, wie wir es bei Johann eben erlebt haben.

Und wie es doch bei Vielen von uns war:

Am Anfang sind es die Eltern und Großeltern, die Paten, Verwandte und Freunde, die ihren Glauben teilen - mitteilen.

Nichts daran ist sonderlich spektakulär.

Schon gar nicht eifernd oder gar kämpferisch.

Ich bin vielmehr dankbar, dass mir mit der Vermittlung des christlichen Glaubens nahegebracht wurde, die Würden zu wahren, für Gerechtigkeit einzutreten, Frieden zu stiften…

Aus einer Kraft heraus, die ich nicht selbst habe, sondern von Gott vermittelt bekomme.

Glaube und Gewalt schlossen sich hingegen für mich aus. Weil die furchtbaren Konsequenzen der verhängnisvollen Allianz von christlichem Glauben und menschenverachtender Gewalt mir in meiner Kindheit prägend vor Augen standen.

 

Ich erinnere, wie ich als Kind mit meiner Großmutter vor der Ruine der Dresdner Frauenkirche stand, später als Jugendlicher Kerze auf die Trümmer stellte. Im harten Wind war es ein glimmender Docht, der nicht ausgelöscht wurde. Das war eine geistliche Erleuchtung ganz eigener Art für mich…

 

Aber gerade sie führte dazu, eine Erleuchtung, wie sie von Saulus berichtet wird, zu hinterfragen: Kann es so etwas überhaupt überzeugend geschehen? Diese radikale Infragestellung des bisherigen Lebens und eine plötzliche Umkehr hin zu einem ganz anderen Leben.

 

 

Es braucht doch dafür eine innere Auseinander-setzung. Niemand wird aus dem Nichts plötzlich ein anderer Mensch. Auch Saulus nicht.

 

Deshalb wird dieser Mann auf seine Taten angesprochen. Haben Sie es noch im Ohr?

Was verfolgst du mich? – lautet die Frage.

Hier geht es um den Grund seines Handelns.

Warum tust du, was du tust?

 

Aber es sind nicht Menschen, es sind nicht die unterdrückten Christen, die die innere Auseinandersetzung des Paulus auslösen. -

Es ist der Herr – sagt die Apostelgeschichte.

 

Die tiefe, die innere, die wirklich grundlegende Infragestellung des eigenen Lebens und Handelns erfolgt in geistlicher Gestalt: Indem ich auf meine existentielle Verwurzelung, meine Beziehung über mich selbst hinaus zu Gott hin angesprochen werde.

 

Was uns beim Hören der biblischen Erzählung vordergründig wie eine ethische Frage erscheint: Warum verfolgst du den christlichen Glauben? – ist im Kern eine zutiefst geistliche Frage.

Was verfolgst du mich?

Es ist die Frage nach dem Verständnis Gottes, abgeleitet aus dem alltäglichen Tun und Handeln eines Menschen.

Hier sind wir in dieser biblischen Geschichte an der Stelle angekommen, wo sie für mich glaub-würdig wird.

 

Weil die Frage, die Gott stellt, die Frage nach Gott ist. Was verfolgst du mich?

Was tust du – Mensch, Gott gegenüber Menschen an?

Welche Achtung hast du denn vor Gott, dass du auf den Gedanken kommst, Gewalt anzuwenden im Namen Gottes.

 

 

Wie eng ist deine Vorstellung von Gott, dass Du meinst, dass diejenigen, die auf einem anderen Weg zu Gott unterwegs sind, zu verfolgen oder gar umzubringen sind?

Eine hoch aktuelle Frage ist das!

 

Liebe Gemeinde, um meine Vorstellung von Gott geht es. Wieviel Weite und Größe billigen wir Gott zu? Wie viele Wege zu Gott zu finden, Gott zu vertrauen, lassen wir gelten – selbst wenn wir anderer Meinung sind?

 

Umkehr, Veränderung, Bekehrung beginnen dort, wo Menschen bereit sind, sich von Gott – und auf Gott hin ansprechen zu lassen, ihr Denken und Handeln im Zusammenhang mit Gott hinterfragen zu lassen, es selbst in Zweifel zu ziehen, ggf. für falsch zu erkennen und es dann zu lassen.

 

Mit welchen Schwierigkeiten das verbunden ist, wird uns beispielhaft an Saulus verdeutlicht.

Saulus bekommt gerade keine fertige Lösung vor Augen gestellt. 

Auf den Weg wird er geschickt. Zu den Menschen. Dort, wo sie mehrheitlich leben, in der Stadt – dorthin soll er gehen.

Dort ist zu erfahren, was zu tun ist.

 

Sehen kann er es nicht. Die Grundbedürfnisse des Lebens, Essen und Trinken, verlieren für ihn für eine gewisse Zeit ihren Stellenwert.

Weil anderes an ihre Stelle tritt.

 

Hananias wird von Gott beauftragt, Saulus in seiner existentiellen Krise heil werden zu lassen. Er wird gesegnet. 

 

Die Bekehrung des Saulus vollendet sich, als ihm die Hände aufgelegt werden, er von seiner umfassenden Blindheit geheilt und mit einem neuen, heiligen Geist erfüllt wird.

Das, glaube ich, ist wirklich glaub-würdig.

Das ist heilsam.

Und das wirkt – hinein in die Gemeinschaft von Menschen, sei es die Familie, die Haus-gemeinschaft, die Kollegenschaft, mein Freundeskreis.

 

Eine Veränderung von Menschen kann sich heute dort ergeben, wo sie geschenkt bekommen, was gerade Christen weitergeben können: den Segen Gottes, die Hoffnung auf Erneuerung und die Gewissheit, in einem neuen Geist leben zu können.

 

Das sind deshalb unsere Aufgaben heute:

Zu tun, was niemand anderes außer uns tun kann: Die Gaben Gottes weiter zu geben.

Segen, Heilung und Hoffnung, den Geist Gottes.

 

Wir werden nicht in jedem Fall erleben, was die Menschen in Damaskus an Paulus erleben konnten. Aber wir können uns daran orientieren, welche Kraft im Wirken Gottes stecken kann.

 

Und sogleich fiel es von seinen Augen wie Schuppen und er wurde wieder sehend; und er stand auf, ließ sich taufen und nahm Speise zu sich und stärkte sich....

 

Und alsbald predigte er in den Synagogen von Jesus, dass dieser Gottes Sohn sei.

 

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

 

Gottesdienst am Ehrenamtstag, 4. September 2022, St. Thomas Leipzig

 

Sebastian Feydt, Superintendent