Predigt über 2.Korinther 1,3-7
- 27.03.2022 , 4. Sonntag der Passionszeit - Lätare
- Dr. Almuth Märker
Predigt 2. Kor. 1, 3-7
Sonntag Lätare (IV)
Abendgottesdienst St. Thomas 27.3.2022
Der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im 2. Brief des Paulus an die Gemeinde in Korinth im 1. Kap. (3-7). Ich lese auch gleich einen Vers zuvor; der wird Euch vertraut in den Ohren klingen:
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus!
Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, 4der uns tröstet in aller unserer Bedrängnis, damit wir auch trösten können, die in allerlei Bedrängnis sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott. 5Denn wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus. 6Werden wir aber bedrängt, so geschieht es euch zu Trost und Heil; werden wir getröstet, so geschieht es euch zum Trost, der sich wirksam erweist, wenn ihr mit Geduld dieselben Leiden ertragt, die auch wir leiden. 7Und unsre Hoffnung steht fest für euch, weil wir wissen: Wie ihr an den Leiden teilhabt, so habt ihr auch am Trost teil.
Gott segne an uns dies Wort. Stille
Ich mag keinen billigen Trost. Ich mag es nicht, wenn mir in einer ernsten oder bedrohlichen oder schmerzvollen Lebenssituation Sätze gesagt werden wie: „Das wird schon wieder.“, „Halt die Ohren steif.“, „Das ist mir auch schon mal passiert.“, „Nicht so schlimm.“ oder „Es hätte noch schlimmer kommen können.“ Solchen platten Trost kann ich nicht hören. Und das ist noch gelinde ausgedrückt. Solchen billigen Trost ertrage ich kaum. Es empört mich, wenn nach einem solchen Pseudotrostsatz alles wieder gut sein soll. In meinem Schmerz, in meinem Leid fühle ich mich dann nicht ernst genommen. „Kopf hoch!“ - Ist es das, was mir dann hilft?! Ist es ein solcher Satz, der Euch liebe Gemeinde herausführt aus Bedrängnis, Angst und Not?
Bedrängnis, Angst und Not. Viele von uns sind einfach nur hilflos, fühlen Ohnmacht angesichts des Kriegs in der Ukraine. Aus den Nachrichten erfahren wir, wie Menschen dort zum Spielball politischer Machtkämpfe werden. Diese Bilder bedrücken. Vor ihrem Hintergrund schrumpft eigenes Leid scheinbar zusammen. Doch das tut es eben nur scheinbar. Das, was wir in unserm Leben an Schwerem erlebt haben, bleibt real und stark und schwer. Auch wenn wir das Leid anderer wahrnehmen. Eigene Drangsal wird nicht kleiner durch noch größere Drangsal bei anderen.
Wie dann aber damit umgehen? Wie können wir mit dem Leid anderer, wie können wir mit dem eigenen Leid umgehen?
Ich glaube, zu allererst ist es wichtig, das Leid ernst zu nehmen! Zuallererst heißt es anzuerkennen, dass dieses Schlimme – dieser Verlust, dieser Tod, diese Krankheit, diese Kränkung, dieser Rauswurf, diese Vertreibung, diese Trennung, dieser Bruch, dieses Scheitern – dass dieses Schlimme passiert ist in meinem Leben. Zuallererst heißt es, es nicht klein zu reden und es sich nicht kleinreden zu lassen!
Ist das nicht, liebe Gemeinde, ein großes Passionsthema? Es scheint genau in diese Zeit, in der wir uns befinden, zu passen. Im Leiden sein, in Geduld das aushalten, im Tal der Trauer sein. Und auf Gottes Hilfe hoffen. Harret auf Gott. Paulus nennt Gott den „Vater des Erbarmens und den Gott allen Trostes“. Paulus hat Gottes Schöpferkraft so sehr verinnerlicht, dass er fest daran glaubt: Indem Gott die Welt erschaffen hat, hat er auch den Trost geschaffen. Aus dieser Konsequenz im Glauben des Apostels Paulus spricht ein tiefes Gottvertrauen. Aber wie komme ich, die ich konkret von meinem Leid überwältigt bin und in dem Tal der Trauer sitze, dahin? Wie kann ich mitten im Leiden auf Gott vertrauen?
Es klingt verrückt und scheint skandalös, liebe Gemeinde, aber die Antwort heißt: Indem ich aufs Kreuz blicke.
Einige von Euch sind womöglich bei der Leidensaufzählung, die ich eben abgespult habe, zusammengezuckt, weil sie eigene Lebensmomente sofort vor Augen hatten: Verlust, Tod, Krankheit, Kränkung, Rauswurf, Vertreibung, Trennung, Bruch, Scheitern. Vielleicht könnt Ihr aus Eurer Lebenserfahrung diese Reihe sogar noch ergänzen und erweitern. Für manche war das damals ein kurzer schmerzhafter Lebensmoment, für andere ein über Jahrzehnte hin fortgesetztes Leiden. Hört bitte einmal in Euch hinein, erinnert Euch. An irgendeinem Punkt waren der Schmerz und das Weh so groß, dass Ihr gar nicht anders konntet, als an das Kreuz zu denken. So ähnlich müssen sich die Schmerzen für den gekreuzigten Jesus angefühlt haben. Das ist der pure Wahnsinn. Mitten im Leben einen solchen Todesschmerz durchleben zu müssen. Paulus schreibt es so: „Die Leiden Christi kommen reichlich über uns.“ Aber das ist nicht das Ende seiner Überzeugung. Gleichauf damit steht: „Wir werden reichlich durch Christus getröstet.“
Funktioniert so der Trost? Ist Trost eine Maschine? Ich muss nur am richtigen Rädchen drehen, ich brauche nur das Räderwerk richtig zu ölen, dann klappt das schon mit dem Trost …
Nein, so geht es nicht mit dem Trost. Er kann nicht funktionieren. Er kann uns nur zuwachsen. Der Trost kommt manchmal fast unbemerkt und zuerst ganz klein. Und wächst dann auf, wird größer. Gottes Trost für mich hat immer eine Erinnerung an das Kreuz und an mein Leid in sich. Vergessen werde ich es nie. Aber damit leben. Und wenn ich mich, von diesem Trost belebt, vorsichtig aufrichte, werde ich eins bemerken: Ich bin nicht allein. Ich bin NICHT MEHR allein. Ich bin mit anderen in guter Gemeinschaft, die Leid erfahren haben. Auch sie haben erkannt, dass sie darin Christus ähnlich sind. Und sie haben Trost und Kraft für einen Neuanfang bekommen. Gott schenkt diese Kraft im richtigen Augenblick. Das glaube ich.
„Nicht so schlimm!“, war einer der Pseudotrostsätze, über die ich mich am Anfang meiner Predigt mockiert hatte. Kommt ihnen dieser falsche Trostsatz irgendwie bekannt vor? Soweit ich es einschätzen kann, wird er täglich tausendfach gesagt.
Ein kleines Kind steht auf der Straße. Die Kugel Eis ist in den Dreck gefallen. „Nicht so schlimm.“
Ein kleines Kind spielt auf dem Spielplatz, und ein anderes Kind zertritt die Sandburg. „Nicht so schlimm.“
Ein kleines Kind ist gerannt und auf die Knie gefallen. Sie bluten. „Nicht so schlimm.“
Wie falsch ist dieser Trost! Das Leid und den Schmerz ernst nehmen. Und dann erst Trost finden.
Fangen wir doch damit an, wie wir mit unsern Kindern und Enkelkindern reden und umgehen:
Die Kugel Eis liegt im Dreck und schmilzt in der Sonne. „Das tut mir leid.“
Die Sandburg, die gerade erst fertig geworden war, ist kaputt. „O wie schade.“
Du weinst bitterlich und Deine Knie bluten. „Komm her, ich nehm dich in den Arm.“
Den Schmerz ernst nehmen. Den Menschen in seinem Leiden ernst nehmen. Der Trost wird sich einstellen. „Denen, die Gott lieben, wird auch ihr Betrüben, lauter Zucker sein.“ (EG 396, 6)
Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und unser Beginnen in Christo Jesu. Amen