Predigt über 1. Korinther 2,1-10,
An diesem Wochenende fand der Kanzeltausch zwischen Thomaskirche in Leipzig und Kreuzkirche in Dresden statt.
- 14.01.2018 , 2. Sonntag nach Epiphanias
- Pfarrer Holger Milkau
Liebe Thomas-Gemeinde,
gute Vorsätze für ein neues Jahr, es ist ja noch ganz jung, gute Vorsätze soll man haben. Und gute Wünsche für‘s Gelingen, bringe ich Ihnen mit, liebe Schwester und Brüder mit meinen herzlichen Grüßen von der Kreuzkirchgemeinde in Dresden. Gute Vorsätze wollen umgesetzt werden. Oft bedarf es guter Ratschläge dafür oder eine hilfreiche Orientierung, wie diese:
Meine Brüder und Schwestern, als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu predigen. Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, ihn, den Gekreuzigten. Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern; und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten der Weisheit, sondern im Erweis des Geistes und der Kraft, auf dass euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft. Von Weisheit reden wir aber unter den Vollkommenen; doch nicht von einer Weisheit dieser Welt, auch nicht der Herrscher dieser Welt, die vergehen. Sondern wir reden von der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist, die Gott vorherbestimmt hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit, die keiner von den Herrschern dieser Welt erkannt hat; denn wenn sie die erkannt hätten, hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt. Sondern wir reden, wie geschrieben steht (Jesaja 64,3): »Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.« Uns aber hat es Gott offenbart durch den Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen Gottes. 1. Korinther 2, 1-10
Mit den Worten des Paulus betreten wir also die erste kleine Strecke auf dem Weg des neuen Jahres. Paulus erinnert sich an frühere Tage. Und er zieht daraus die Einsicht für sein Denken.
Erinnern wird man sich 2018. Am 1. Januar vor 60 Jahren traten die römischen Verträge in Kraft. Das war der Anfang eines politisch geeinten Europa. Am 11. November vor 100 Jahren endete in einem Eisenbahnwagon im Wald von Compiègne der Erste Weltkrieg, der das alte Europa hatte traurig untergehen lassen und dem ein noch viel traurigerer folgte. Das heißt: wir erinnern erfahrene, erlittene Zerstörung und zugleich den konstruktiven Willen zum Aufbau guter Beziehungen, gemeinsamer Zielen, gemeinsamen Lebens. Das möchte sein. Dem stellt sich auch die Stadt Leipzig, die 2018 zum Jahr der Demokratie erkoren hat. Ein Blick in die Gegenwart und in die Zukunft auf der Grundlage unserer Gesellschaftsform. Manches zerstörte Vertrauen, manche zerstörte Erwartung der Vergangenheit verlangt unseren konstruktiven Willen zum Aufbau guter Beziehungen.
Auch im persönlichen Leben.
Beste Vorsätze also; gewiss auch bei einem jeden von uns.
Und das Gute ist heute: für unsre Pläne haben wir noch starken Rückenwind, von Weihnachten her. Denn: Welt ging verloren, Christ ist geboren. Freue dich, o Christenheit.
Freude ist der Rückenwind, der uns helfen will die Vorhaben des neuen Jahres anzugehen. Ein Wind, ein Geist, der Freude über Gottes Herrlichkeit, die zur Welt kam, die Auftrieb gibt. Gegen alles Zögern, gegen alle Trauer, gegen alle Vorbehalte:
Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, hat Gott bereitet denen, die ihn lieben
Auch daran erinnert sich Paulus; erinnert uns: Dass Jesus gekommen ist, will vor allem Freude geben.
Von Gott kommt mir ein Freudenschein, wenn du mich mit den Augen dein gar freundlich tust anblicken, Herr Jesu Christ, so singen wir. Diese Freude kann so leicht nichts zerstören. In seiner Geburt schenkt Jesu eine Freude, die so groß ist, dass es damit gelingt, manches andere auszuhalten. Manches andere mit zu tragen. Manches andere mit neuen Augen zu sehen. Manchen Aufgabe neu zu beginnen. Freude, die beschenkt.
Wir haben das sicher alle getan: uns gegenseitig Freude bereitet, wie Gott es tut. Das ist ja die gern geübte Aufgabe zu Weihnachten. Sehr gelungen und mit großem Anklang haben auch die beiden Chöre, der Thomanerchor und die Kruzianer, sich auf dem Weg zwischen Leipzig und Dresden die Staffel in die Hand gegeben und den Menschen wechselseitig, am jeweils anderen Ort, Freude geschenkt.
Sich gegenseitig Freude schenken ist mehr als nur einer Gefühlsregung. Mehr als der Wunsch, irgendetwas Nettes zu machen, irgendwie nett zu sein. Die Freude, die man schenken und bewahren kann, braucht ein Fundament.
Die Freude darüber, dass Christus gekommen ist, nährt sich darum aus einer Form der Weisheit.
Paulus sagt: Ich, meine Brüder und Schwestern, als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu predigen.
Es geht um Weisheit. So vieles muss man kennen und sich in so vielem auskennen, wenn man heute mitreden will. Das kann man nicht alles lernen, um weise zu werden. Wer Weisheit sucht, muss sich helfen lassen. Zum Beispiel von Maschinen. Von einer Suchmaschine, wie wir das alle oft genug tun. Das kann ein wenig riskant sein.
Wer zum Beispiel mit Suchmaschine die Verbindung Weisheit und Leipzig eingibt, findet kurioserweise die Firma Weisheit Lotterieeinnahme der SKL am Friedrich-List-Platz. Interessant.
Ist die Weisheit ein Glückstreffer?
Ist das weise, was Erfolg verspricht, was Erwartungen erfüllt? Das, woran man schon gewöhnt ist, was den Konventionen gehorcht. Was bestätigt, was man bereits kennt. Die alten Erfahrungen und Regeln immer wieder bestätigt.
Wirklich weise ist doch eher das, was von der erwarteten Reaktion, dem erwarteten Verhalten abweicht und durch ungewöhnliche Entscheidungsfreude besticht.
Weise und Sachsen als Suchbegriff einzugeben, kann sich jeder trauen; das Ergebnis ist erstens bekannt und zweitens erfreulich: Friedrich der Weise Kurfürst von Sachsen, gilt als Motor und Förderer der Reformation. Auf den sind wir stolz.
Den Namen „Der Weise" trägt er zu Recht. Er regiert sein Territorium 40 Jahre ohne Krieg, findet immer eine diplomatische Lösung. Seine Taktik des Abwartens und das Vermeiden von Konfrontation zahlen sich aus.
Das Silber des Erzgebirges füllte die Staatskasse. In Kur-sachsen ging‘s aufwärts. Wo sind solch Landesfürsten heute?
Wir sehen viel Taktieren, Verzögern, Unentschlossenheit. Aber nicht aus Weisheit, sondern aus Unsicherheit. Vielleicht sogar aus Angst, die angestammten Plätze an der Macht nun doch zu verlieren. Die Weisheit im Lande scheint immer mehr auszuwandern. Anstatt mutig und beherzt zu entscheiden, Leben fördern, Leben retten, Leben feiern, lassen wir uns zunehmend lähmen; lassen Dinge geschehen, sehen zu wie andere sich anmaßen und mit Bevormundung und bösen Worten die Oberhand gewinnen. Die Inszenierung des Tabubruchs: das war der Begriff, den man schon 2003 dafür gefunden hatte, als es wieder losging mit rechtsradikalem Aufbegehren in unserem Land. Da wird umsichtiges, weises Handeln preisgegeben. Stattdessen lautstarkes und ungezogenes Aufbegehren gefeiert. Da kann es einem schon bange werden und die eigene Schwachheit in Furcht und mit großem Zittern so recht vor Augen führen. Wie kommen wir da heraus?
Mit Gott? Ja, mit Gott.
Paulus redet: nicht von einer Weisheit dieser Welt, auch nicht der Herrscher dieser Welt, die vergehen. Sondern er redet von der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist, die Gott vorherbestimmt hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit, die keiner von den Herrschern dieser Welt erkannt hat; denn wenn sie die erkannt hätten, hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt. Paulus redet wie geschrieben steht (Jesaja 64,3): »Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.«
Wenn wir von dem reden, was kein Auge gesehen, kein Ohr gehört deutet das auf Unerhörtes hin, auf ungewöhnliches Handeln. Darauf, Entscheidungen zu suchen und zu treffen, die man nicht erwartete. Das wäre die Grundlage der Weisheit: Ungewöhnlich denken und unerwartete Lösungen finden. Das kann sogar in Konfliktfällen helfen.
Die berühmteste aller Entscheidungen, die einem Herrscher sprichwörtliche Weisheit einbrachte, traf dieser mit einem ungewöhnlichen Rat in einem Konfliktfall, wir kennen sie:
Da waren die zwei Frauen mit dem Kind, die beide behaupteten, es sei ihr eigenes, von denen es aber nur einer gehören konnte. Salomon, der weise König, hielt ihnen die Aufforderung entgegen, den Streit zu schlichten, indem er das Kind in der Mitte zerteilen lassen wollte. Woraufhin die wahre Mutter das eigene Kind lieber preisgab, als ihm einen Schaden zugefügt zu sehen. Es wird ihr natürlich zugesprochen, denn daran war die Wahrheit erkannt. Verzicht aus Liebe. Verzicht, der letztlich recht behält und das Leben gewonnen hat. Das ist, trotz allen Spottes, die Weisheit Gottes. Davon redet Paulus vertraut nicht allein Salomos Weisheit, sondern Gottes Weisheit:
Als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu predigen. Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, ihn, den Gekreuzigten.
Ungewöhnliches Handeln, unerwartete Entscheidung als Grundlage der Weisheit. Das ist wichtig. Doch es reicht noch nicht ganz. Es muss etwas mehr hinzukommen. Das Gottvertrauen. Der Geist nämlich, der die Dinge erforscht, alle Dinge, auch die Tiefen Gottes. So sagt Paulus.
Eine Grundstimmung ist das. Ein Klang, der das Instrument der Weisheit richtig stimmt. Ein Grundton, der uns hören und spüren lässt, dass es in unsern Entscheidungen nicht wieder um uns selbst geht, nicht um gewinnen und aufsteigen, nicht um herrschen und ausstechen; sondern um die bescheidene Unterordnung unter die Bedürfnisse der anderen, der nächsten. Es geht um Verzicht. Um den Verzicht zugunsten anderer aus Liebe. Liebe zur Umwelt, Liebe zur Gerechtigkeit. Liebe zum Leben.
Das ist die Tiefe Gottes: er nimmt sich selbst zurück, um Platz zu schenken und Raum zu geben allen, die ihn suchen.
Zum Verzicht aus Liebe hatte Salomon die streitenden Mütter herausgefordert. Und das junge Leben des Kindes gerettet.
Verzicht aus Liebe hat Jesus Christus gelebt, in dem, was er tat und in dem, was er sagte. Dazu ist er am Kreuz für uns gestorben. Damit hat er unser Leben gerettet.
Daran erinnert uns Paulus, wenn er nichts kennt als Jesus Christus den Gekreuzigten um daraus weise zu werden, nicht aus hohen Worten und ausgeklügelter Wissenschaft. Oder Zufallstreffer der Suchmaschine.
Allein Christus kennen, das ist weise durch Verzichten. Das ist nicht einfach. Das verkauft sich nicht gut. Weil uns Nachgeben und Abgeben scheinbar klein macht und nach unten drückt. Doch es ist ja das Kreuz, das den Verzicht zum Zeichen des neuen Lebens erhoben hat. Dieses Zeichen der unaufhebbaren Hoffnung, dass es sich lohnt, allein zu kennen; vor aller Weisheit und allen Spitzfindigkeiten. Das Kreuz Christi ist dieses „Mehr" in unserer Welt, von dem her das Leben Kraft gewinnt. Weil es den Menschen von seinem Siegeswahn befreit; weil es ihm zeigt, wie groß die Kraft des lebendigen Gottes eben dort wird, wo wir für ihn in unserem Leben und in unserer Welt Platz machen. Gott vertrauen und seiner Weisheit etwas zutrauen.
Gute Vorsätze für ein neues Jahr, es ist ja noch ganz jung, gute Vorsätze soll man haben. Solch ein weiterer Vorsatz könnte das doch sein: Platz machen für Gott in unserem Leben und nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten.
Wenn uns das gelänge, würden wir einstimmen in den Gesang, den die Thomaner uns nun anstimmen. Wir würden uns unterordnen unter Gottes Wirken und einordnen in seinen Plan: Wir beugen unsre Knie vor Gott dem Vater, dass er Kraft gebe durch den Reichtum seiner Herrlichkeit,
stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, und Christus wohnen möge durch den Glauben in unserem Herzen. Amen
Pfarrer Holger Milkau, Kreuzkirche Dresden
Holger.Milkau@evlks.de