Predigt über 1. Korinther 15,50-58
- 02.04.2018 , Ostermontag
- Pfarrerin Taddiken
Predigt am Ostermontag, 2. April 2018, 1. Korinther 15,50-58
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde,
der Schriftsteller Ernest Hemingway hat einmal gesagt: „Alle Geschichten enden, wenn man sie weit genug verfolgt, mit dem Tod, und der ist kein echter Geschichtenerzähler, der Ihnen das vorenthält". Die alten Studenten- und Trinklieder kennen diese Weisheit auch: „Wer einmal tot da liegt, wird nicht mehr lebendig", singen sie. Auch in der Bibel selbst wird solch ein Lied zitiert: „Lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot." Wissen Sie, wie die Bibel das nennt? Sklavenweisheit. Das die Weisheit derer, die sich abgefunden haben mit der Realität dieser Welt, die sich wie Sklaven zufriedengeben in der Gefangenschaft des im Moment für sie Sicht- Denk- und Beweisbaren.
O ja, man ist da schnell drin und vor allem auch, darin die eine große Weisheit, ja gar Wahrheit zu erkennen, die doch wohl für alle gilt. Nun ja, es gibt immer nur Ansichten von Wahrheit, die Frage ist, wie man sich von der eigenen einnehmen lässt und was man sich dabei möglicherweise vergibt. Das betrifft für viele eben auch die Frage: Ostern, was ist denn da nun wirklich passiert - oder auch nicht? Auferstehung Jesu Christi von den Toten? Wie jede Frage oder jeder Gedanke trifft sie bei uns auf die bisher erkannten und möglicherweise ja recht engen Grenzen dessen, was wir für normal und möglich halten. Viele gehen mit bei dem, was die Dichterin Marie Luise Kaschnitz mal „Auferstehung mitten am Tag" genannt hat. Das können auch die Osterskeptiker sagen: Ja, das gibt es, manchmal stehen wir auf zur Auferstehung mitten am Tag, bekommen Kraft und Mut herauszugehen aus unserer Verzweiflung, unserer Lethargie, unserem Pessimismus. Auferstehung mitten am Tag: neue Kraft, neuen Trost gewinnen. Aber das mitten in diesem Leben. Das gibt's. Und das ist schon viel, wenn man weiß: Ja, so ist es, ich vertraue darauf und es gibt mir Kraft.
Aber: Das allein muss es noch nicht sein, wenn wir uns hineinbegeben in die biblischen Geschichten und die Überlieferungen von Ostern. Ostern geht es um weit mehr und anderes, angefangen mit einer Weitung unserer Wahrnehmung und Sinne und dessen, was wir zu hoffen wagen. Das versuchen die Ostergeschichten der Evangelien uns nahe zu bringen, diese rätselhaften Überlieferungen, wo die Frauen und Männer, die viele Wochen und Monate mit ihm unterwegs waren, Jesus nach seiner Auferstehung nicht erkennen. Wir haben ja von den beiden Emmausjüngern eben gehört, die ihn erst am Brotbrechen und am Brennen ihres Herzens erkennen - nicht an der Stimme oder dem Äußeren - und von diesen Geschichten gibt es noch mehr. In einer anderen hält Maria Magdalena Jesus gar für einen Friedhofsgärtner. Warum eigentlich ist das so, warum erkennen sie ihn nicht? Offensichtlich hat sich etwas an ihm grundlegendet verändert oder verwandelt - es ist es nicht und er ist es doch. Irgendwann sickert es ihnen ins Herz hinein. Das Neue sprengt den Rahmen des Alten, des Vorstellbaren, wir kommen da nicht so schnell mit.
Es hat reichlich Versuche gegeben von Anbeginn der Christenheit, uns, die wir eben denken wie Menschen, nahe zu bringen, wie man verstehen kann, was Ostern bedeutet. Dass es da um Veränderung und Verwandlung des Sterblichen und Menschlichen geht hin zu etwas ganz Neuem. Und dass das etwas ist, was uns und unser Leben jetzt schon vollkommen verändern kann - jedenfalls in dem, was wir hoffen und worauf wir zu leben. Ein ganzes Kapitel lang geht es im 1. Brief des Paulus an die Korinther darum. Und ganz am Schluss, da kommt er auf diesen Punkt der Verwandlung, von der die Geschichten der Jünger mit dem Auferstandenen erzählen:
Das sage ich aber, liebe Brüder, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können; auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit. Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden; und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune erschallen und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden. Denn dies Verwesliche muss anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit. Wenn aber dies Verwesliche anziehen wird die Unverweslichkeit und dies Sterbliche anziehen wird die Unsterblichkeit, dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht: »Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?« Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz. Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus! Darum, meine lieben Brüder und Schwestern, seid fest und unerschütterlich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn, denn ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.
Tja, nicht so leicht für uns heute zu verstehen. Aber etwas davon haben wir symbolisch eben schon erlebt, bei der Taufe unserer vier Täuflinge. An ihren Taufkleidern wird sichtbar: Mit unserer Taufe haben wir schon Anteil bekommen an dieser Verwandlung. Wir tragen symbolisch schon das neue Gewand des neuen Lebens, das öffentlich macht: Wir sind über unseren Weg hier hinaus mit Gott verbunden. Auch der Tod wird uns nicht von ihm trennen. Er gehört vielmehr zu unserer Verwandlung zu neuem Leben, auf dass einst dasselbe mit uns geschehe, was an Jesus Christus als erstem geschehen ist. Deshalb haben wir auch die Taufkerzen an der Osterkerze entzündet: Das Leben von Lahja Alisa, Felix, Greta und Georg ist unwiderruflich verbunden mit Jesus Christus, sein Licht des neuen Lebens leuchtet uns jetzt hier und dereinst in Ewigkeit. Diesem neuen Leben begegnen die Jünger von Emmaus mit ihrem Weggefährten und Maria Magdalena mit dem Gärtner zum ersten Mal. Und dabei gehen ihnen nach und nach die Augen auf und die Emmausgeschichte nimmt das ja wunderbar auf, wenn die Jünger von ihrem Weggefährten aufgefordert werden, doch mal hinzuschauen auf das, was sie mit diesem Jesus erlebt haben:
Dass eben auch das irdische Wirken Jesu von Anfang an ein Kampf gegen den Tod und für das Leben war. Er schenkte Armen, Elenden und Verachteten Gottes Nähe. Er heilte und trieb Dämonen aus, die die Menschen kaputt machen. Und auch um den Tod hat er sich nicht gedrückt, er hat wie wir alle mit ihm und gegen ihn gekämpft. Paulus beschreibt das hier ja als einen großen Entscheidungskampf. Das sind natürlich Bilder seiner Geisteswelt und seiner Zeit, die wir heute vielleicht nicht so ungebrochen teilen können. Aber wir können in ihnen Versuche erkennen, auf Ostern hinzuweise und was es auch für uns bedeuten kann. Eine alte Weisheit lautet: Der Finger, der auf den Mond zeigt, ist nicht der Mond. Alle Ostererzählungen, auch diese schwierigen Worte des Paulus sind Fingerzeige auf die Gewissheit, die auch die Jünger nach Ostern erst langsam wiederfinden mussten: Jesus lebt. Mit Ostern ist die Kraft des Neuen Lebens in der Welt. Nichts von dem, was uns jetzt dieses Leben manchmal so schwer macht, all das, was uns den Tod unserer Beziehungen bringt wie Hass, Abwertung, Ausgrenzung, all das muss weder so bleiben noch erst recht nicht die Oberhand gewinnen. Und dort, wo wir an den schon errungenen Sieg des Lebens und der Liebe glauben, werden wir dafür auch eintreten und uns nicht den Mut nehmen lassen. Neues Leben findet auch neue Wege mitten in dieser alten verletzten und geschändeten Welt.
Darum geht's wenn wir Ostern nachdenken, das ist Paulus wichtig: Nie und nirgends in der Bibel wird beschrieben, wie die Auferweckung Jesu geschehen ist. Vielmehr geht es immer darum, was die Erfahrung der Zeugen in ihnen selbst bewegt hat. Was in ihnen verwandelt wurde, durchaus plötzlich und in einem Augenblick, wie Paulus schreibt. Nicht zuletzt deshalb kommen wir Nachgeborenen letztlich alle in Verlegenheit, wenn wir es hören, dieses große Wort: Auferstehung oder Auferweckung. Aber die Sehnsucht, zu verstehen, etwas zu begreifen, dass es einem dämmert wie den Frauen und den verstörten Jüngern, die ist doch tief in uns drin und jedes Osterfest geht's von Neuem um das, was wir vorhin zu Beginn des Gottesdienstes gehört haben: „Auf, auf, mein Herz, mit Freuden, nimm wahr, was heut geschieht." Mit dem Herzen hinschauen, hinhören, genau, sich nicht abweisen lassen von dieser Geschichte, die sich in das Gewohnte nicht einordnen lässt, die erst langsam in unser Verstehen einsickern muss. In einem Trauergespräch hat mir mal der Sohn der Verstorbenen gesagt: „Ich kann nicht glauben, was das mit der Auferstehung betrifft. Trotzdem: Bitte sprechen Sie davon in der Trauerfeier." Auferstehung nur in diesem Leben - das ist eben doch noch nicht alles, das hat er gespürt.
Aber wie davon reden heute? Manchmal müssen wir uns Worte leihen, damit wir nicht unbehaust bleiben in einer Umgebung, die sich in ihren eigenen kleinen Durchhalteparolen im Irdischen eingenistet hat - und dennoch den Tod so sehr fürchtet, dass sie ihn so gut wie niemals zur Sprache bringt. Sondern oft so hilflos und betroffen ist, wenn er bei ihr einbricht. Wie so oft können Kinder uns Worte und Bilder leihen, um uns aufzuhelfen in unserer Verlegenheit. So wie es in der Geschichte des kleinen Willi ist, die ich neulich gelesen habe. Willi ging in die dritte Klasse und er war eigentlich ein Kind wie alle anderen, nur: Er hatte einen Gehirntumor. Er wurde bestrahlt und es ging ihm elend schlecht. Die Kinder aus seiner Klasse haben das mitbekommen. Sie haben Willis Krankheit mit ihrer Nähe ausgehalten und haben manches weggelacht mit ihrer Freude. Und doch: die Krankheit war stärker. Willi ist gestorben. Die Kinder wollten ihn nun auch im Tod begleiten. Doch die Eltern waren dagegen. Sie wollten die Kinder schützen und in Wirklichkeit wohl doch nur sich selbst. Vor den Fragen, die die Kinder haben zum Tod und so, das ist das mit der großen Verlegenheit, die uns Erwachsene in der Regel alle befällt, wenn wir an den Gräbern stehen. Aber die Kinder haben sich gegen ihre Eltern durchgesetzt. Sie sind zu Willis Beerdigung gegangen. Alle hatten ein Bild gemalt und es zu einem großen Bilderbuch. Einer hat Willi in Gott hinein gemalt, der dick ist und rund und für vieles Platz hat. Sogar auch für ein Zebra, damit die Tiere nicht vergessen werden, denn Willi hat Tiere sehr gerne gehabt. Alles ist in den Bildern versammelt in Gott und geborgen in ihm. „Tschüss" haben sie noch auf das Bild geschrieben und: Bis bald. Das, was sie sich in der Schule immer gesagt hatten.
Angesichts der Ewigkeit bekommen diese Worte einen neuen Klang: bis bald. Wer hat's den Kindern beim Malen eingegeben? Keine Lehrerin, kein Lehrer, keine Mutter, kein Vater. Und doch: Diese Bilder sind Osterbotschaft pur. Eine wunderbare Auslegung der paulinischen Hoffnung, nach der alles auf dies eine Entscheidende hinauslaufen wird: Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Gott wird sein alles in allem und dafür ist der Grund gelegt an Ostern durch den, der als erster von Gott zum neuen Leben gerufen worden ist. Dahin sind wir unterwegs, auch wenn der Stachel des Todes in der Welt noch zu spüren ist. Dabei ist längst eine gebrochene Gestalt. Zu Ostern feiern wir den Anfang seines Endes und den Beginn des neuen Lebens in unserem eigenen. So lasst es uns auch leben und es teilen mit denen, die uns begegnen.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Britta Taddiken, Pfarrerin an der Thomaskirche