Predigt Röm 12,9-16 

  • 19.01.2025 , 2. Sonntag nach Epiphanias
  • Superintendent Sebastian Feydt

Predigt Röm 12,9-16 
2.So.n.Epi., 19. Januar 2025
Superintendent Sebastian Feydt

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus.

Liebe Gemeinde, 
vielleicht haben Sie schon einen kurzen Blick in ihrem Gottesdienstheft auf den Predigttext für den heutigen Sonntag geworfen. 
Oder Sie kennen die Texte für den 2. Sonntag nach dem Epiphaniasfest sehr gut.
Grundlage der Predigt sind heute Verse aus dem Brief des Paulus an die christliche Gemeinde in Rom. 
Paulus ist selbst nicht in Rom.
Aber er kennt einzelne Personen in den Hausgemeinschaften dort. Sie waren während der Verfolgung der Christen aus der Stadt geflohen, Paulus begegnet, dann aber wieder, als es die Situation zuließ, zurückgekehrt. Ihnen schreibt Paulus in Rom. 
Es geht ihm darum zu vermitteln, wie die Gerechtigkeit Gottes Leben ermöglicht. 

Sie merken: 
Das das ist kein ganz einfaches Unterfangen, aber weil Paulus die Frauen und Männer kennt, an die er schreibt, kann er das auch auf einem hohen theologischen Niveau tun. 

Es geht ihm um das Zusammenleben von jüdischen und nichtjüdischen Menschen, um das gemeinsame Essen, um das gemeinsame Feiern des Gottesdienstes. 
Maßstab für alles Leben ist für ihn die Tora, die Sammlung der Angebote Gottes.
Aber Paulus lässt die Alltagserfahrungen der Menschen nicht aus dem Blick geraten. 

Wir würden den Apostel falsch verstehen, wenn wir seinen Brief als ein Schreiben mit erhobenem Zeigefinger lesen würden. 
In der Übersetzung nach Martin Luther entsteht der Eindruck. 
Aber es ist wichtig zu wissen: Paulus geht es nicht um eine lange Liste von Ermahnungen.
Paulus weiß, wie schwierig es werden kann, unter den harten Bedingungen des Römischen Reiches den geistlichen und den ethischen Grundsätzen der Thora zu folgen. 
Und Paulus weiß, wie wir Menschen sind: 
nie nur gut. Sondern verstrickt in die Fänge all dessen, was dem Leben und der Würde des Menschen widerspricht. Sünde nennt er das. 

Paulus geht es nicht darum zu ermahnen. 
Paulus will ermutigen. 
Er möchte, dass die Christen und Christinnen – ja, die Gemeinde in Rom wurde von starken Frauen geprägt - spüren, welche Gaben und welche Kraft sie in sich tragen. Wozu sie in der Lage sind. Was von Ihnen ausgehen kann.

Hören Sie einmal mit diesem Hintergrund 
die Worte des Paulus wie folgt:

                                  
Geliebte Gottes in Rom,
liebe heilige Geschwister, …
ihr entfaltet eure vielfältigen Gaben,     
wenn eure Liebe ohne Falsch ist, indem ihr das Böse hasst und dem Guten anhängt, wenn ihr in geschwisterlicher Liebe untereinander herzlich seid und in Ehrerbietung einander zuvor kommt, 
wenn ihr nicht träge seid in dem, was ihr tut, euch vom Geist entflammen lasst und dem Herrn dient. 

Liebe Geschwister, ihr lebt eure vielfältigen Gaben, indem ihr fröhlich seid in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet, 
wenn ihr euch der Nöte der Heiligen annehmt und Gastfreundschaft übt… 
Segnet, die euch verfolgen; segnet und verflucht sie nicht. 
Eure Gaben entfalten sich, indem ihr euch freut mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden, indem ihr eines Sinnes untereinander seid, nicht nach Hohem trachtet, sondern euch herunter zu den Niedrigen neigt und euch nicht selbst für klug haltet.


Liebe Gemeinde, ich denke, dass es uns, die wir die Worte des Apostels heute hören und lesen, weiterhilft, wenn wir sie nicht in einem ermahnenden, sondern in einem ermutigenden Ton hören. Denn fast alle seine Hinweise hat Paulus nicht als Aufforderungen formuliert, die noch zu erfüllen sind. Nein, Paulus war sich sicher, dass die Christen in Rom sehr wohl wussten, was in der Thora steht und wie es gemeint ist. 


Und er war sich ganz sicher, dass in einem Jeden und einer Jeden von Gott angelegt ist, sich an diesen lebens-dienlichen, guten Angeboten Gottes zu orientieren, danach zu leben. 
Nie vermögen alle alles zu erfüllen. Das zu meinen, überfordert mich und andere sofort. Es führt oft sogar zu einer abwehrenden Reaktion. Wer will schon gern vorgeschrieben bekommen, wie ich mich gut verhalten soll? Die einen empfinden es, als würden sie bevormundet werden, andere beschleicht der Gedanke, dass ich in meinem Verhalten Fehler mache, merke, wie schwierig es ist, gegen den Strom zu schwimmen, unliebsame Wahrheiten auszusprechen, mich in einer Minderheit wiederzufinden und trotzdem zu behaupten, einfach nur zur eigenen Meinung zu stehen. 

Da habe ich noch nicht davon gesprochen, wie anstrengend es ist, überhaupt noch durchzudringen mit den eigenen hehren Zielen. Und das geht ja nicht nur jungen Menschen so, die an der fehlenden Sensibilität für die wirklichen Herausforderungen unserer Welt schier verzweifeln könnten. 
Es ist alles andere als leicht, da freundlich und herzlich zu bleiben, auch generationen-übergreifend einander zuvorkommend zu begegnen und sich wechselseitig darin zu übertreffen, einander mit Achtung und Respekt zu begegnen. Das ist oft einfach anstrengend – und selbst wenn ich es möchte, gelingt es nur bedingt. 
Zumal angesichts der Tatsache, dass es um mich herum anderen völlig egal ist, was gut ist. Sie leben, wie es ihnen gerade passt.    Koste es was es wolle. 
Auch das erleben wir gerade und es lässt mich mit der Frage zurück, wo es hinführt, wenn die schamlose Provokation und die Lüge zum Zündstoff im Verhältnis der Menschen untereinander wird. 
In der Mitte des 1. Jahrhunderts nach Christus, als Paulus seinen Brief nach Rom geschickt hat, war es für die christlichen Hausgemeinschaften in der Machtmetropole des Imperiums auch mehr als anstrengend und anspruchsvoll, den Maßstäben zu folgen, die sich im Glauben aus der Orientierung an Christus ergaben. 
Deshalb will Paulus ermutigen. Und es gelingt ihm, weil er einen zutiefst zugewandten, menschenfreundlichen Ansatz vermittelt. 
Er sagt eben nicht „Du musst…“                      
Paulus sagt: Vertrau darauf, dass Gott in Dir, durch den Heiligen Geist, etwas angelegt und zum Leben erweckt hat, das Dich leben lässt. 
Du bist begabt. Du kannst das: ohne Hintergedanken zu lieben. Und Du, du vermagst es, das Böse beim Namen zu nennen, es als zerstörend und tödlich zu identifizieren, ohne zu verletzen.
Und Du, Du bist in der Lage, auch in den schwersten Momenten Anderen achtsam und respektvoll zu begegnen. 
Und dann sind da diejenigen, die gelassen teilen, was sie zum Leben haben, so dass andere nicht Not leiden müssen. 
Ach, und da seid Ihr, die Ihr darin geübt seid, Gästen und Fremden gegenüber freundlich zu sein und es auch zu bleiben. 

Liebe Gemeinde, so stelle ich es mir vor war es, als der Brief des Paulus in den Häusern und Gemeinschaften verlesen wurde.
Und natürlich, dann kam der Hinweis:               

Es geht nicht ohne diejenigen, die sich nicht zurückhalten lassen in ihrer Begeisterung; denen abzuspüren ist, wie sie Gottes Kraft in sich vervielfältigen können und dafür brennen, andere an der Quelle ihres Lebens teilhaben zu lassen.
Liebe Gemeinde, sollte Ihnen bei meinen letzten Sätzen jemand in den Sinn gekommen sein, auf die oder den zutrifft, was Paulus da mit seinen Worten an Begabung anspricht, dann entfalten seine Worte heute unter uns ihre Wirkung. Denn, wenn Sie bei bestimmten Begabungen und Hinweisen aus unserem Text an andere denken, die das vermögen, dann finden Sie bestimmt auch Gaben, die Ihnen gegeben sind, für die Sie Gott dankbar sein können. Nehmen Sie doch das Gottesdienstblatt nach dem Gottesdienst zu Hause noch einmal in die Hand und suchen nach der Ermutigung des Paulus, durch die Sie sich angesprochen fühlen. 
Wir werden nicht alle alles erfüllen. Hüten wir uns vor dieser Überforderung.  Aber in der Gemeinschaft der Christen – auch als Minderheit in unserer Stadt, in unserer Region - sind wir in der Lage, unsere Begabungen, die wir aus der Geistkraft Gottes her haben, einzubringen und zu leben. Zum Wohl der Gemeinschaft. Zum Gelingen unseres gemeinsam gestalteten Lebens. 
Eine starke christliche Gemeinde, eine aus dem Geist Gottes lebende Gemeinde ist ein Segen für die Gemeinschaft, für die Stadt, für die Menschen. 
Das wiederum, das sagt nun Paulus in seinem Brief wirklich unmissverständlich als Aufforderung. Da steht der Imperativ:
Segnet, die euch verfolgen; segnet, und verflucht sie nicht. 
Wer fragt, wie das geht, bekommt von Paulus einen Hinweis durch seine Wortwahl. Das von Martin Luther mit „segnet“ übersetzte griechische Wort ist eulogeite. Und das heißt wortwörtlich übertragen: gut reden
Wie wäre es, wenn wir in diesem Verständnis des Segens für Menschen, von denen wir uns getrieben oder regelrecht verfolgt fühlen, unsere Wortwahl neu ausrichten. Denn das ist ja etwas, das ich beeinflussen kann. Wie ich über und zu anderen Menschen spreche, auch dann, wenn sie mich schier verrückt machen, ich mich von ihnen in die Ecke und in den Nachteil getrieben fühle, verfolgt… 
Wo das gelingt, wo sich durch uns Gottes Menschlichkeit in Jesus Christus in gelebter Menschenwürde und verteidigten Menschen- rechten offenbart, wo der Geist Gottes Menschen auch in schweren Umständen begeistern kann, dort stellt sich ein, was Paulus am Ende seiner Verse beschreibt:
Gutes zusprechen, Segen geben…
Dort freuen sich Menschen mit den Glücklichen. Da weinen Menschen mit den Traurigen. Da ziehen plötzlich doch viele an einem Strang und orientieren sich nicht an vermeintlich Mächtigen, sondern halten die Erniedrigten im Auge und im Herz.
Ob das eine geistliche Orientierung ist für heute, für den morgigen Tag, für alles, was noch auf uns zukommt.                                      Halten wir uns nicht selbst für klug. 
                                                                                                                                
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere   Herzen und Sinne in Christus Jesus.