Predigt im Online-Gottesdienst
- 26.04.2020 , 2. Sonntag nach Ostern - Miserikordias Domini
- Pfarrerin Britta Taddiken
Liebe Gemeinde,
unsere Konfirmanden suchen sich ihre Konfirmationssprüche selbst aus. Was meinen Sie, was Jahr für Jahr ganz vorne liegt?
Der erste Vers aus Psalm 23: „Der Herr ist mein Hirte – mir wird nichts mangeln.“
Die meisten haben noch nie einen Hirten getroffen. Aber sie wissen genau, was gemeint ist und um was es geht. Und so wird auch fast gar nicht gemurrt, wenn sie diesen Psalm im Laufe ihrer Unterrichtszeit auswendig lernen sollen. Sie spüren: Was da gesagt wird, das trägt. In guten und in schlechten Zeiten. Der Herr ist mein Hirte. Auch wenn wir Menschen beerdigen müssen hören und bedenken wir ganz oft diesen Vers: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Seit Tausenden von Jahren tröstet Menschen dieses Wort. Richtet sie auf – gerade auch in Zeiten wie jetzt, wo wir nichts wirklich planen können. Und wo wir vor allem überhaupt nicht sicher sein können: Liegen wir richtig mit dem, wie wir selbst die ganze Corona-Situation beurteilen? Kann ich mir dabei eigentlich selbst trauen? Oder wem sonst? Und: Wie muss ich diese ganzen Zahlen einordnen, die jeden Tag an unser Ohr dringen? Wo sollte ich durchaus misstrauisch sein? Wo bin ich lieber vorsichtig mit dem, was ich sage und wo gerade nicht? Da ist es zum Beispiel offensichtlich, dass sich so etwas wie der Wochenmarkt hier in Leipzig in Nullkomma nichts zum Corona-Hotspot entwickeln kann. Viel zu viele Menschen eng beieinander – und mit Verlaub: aus der sog. „Risikogruppe“... Aber: Er wird genehmigt. Ein Gottesdienst mit 100 Leuten in der Thomaskirche aber nicht, wo alle Hygiene- und Abstandsregeln ohne weiteres möglich wären. Unfassbar, wer blickt da noch durch? Umso wichtiger ist es, dass wir uns auch und gerade jetzt an solchen Worten festhalten. Dass wir uns von ihrer Kraft anstecken lassen. Sie können uns widerstandsfähig machen gegen so manches schreckliche Virus unserer Zeit – Sie können sicher sein, mit dem, wie es jetzt ist, werden wir uns nicht abfinden.
„Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ Der Sonntag des Guten Hirten liegt mitten in der österlichen Freudenzeit. Wo wir feiern: Jesus hat dem Tod den letzten Anspruch auf unser Leben entrissen. Das neue Leben ist in der Welt: Der Auferstandene, er ist mit uns auf dem Weg. Als Christen leben wir mit ihm und er mit uns. Wir leben in Beziehung, das ist das Entscheidende. Und nichts kann sie zerstören. Auch der Tod nicht. Wo wir nur ein kleines bisschen davon ahnen, da ist das neue Leben schon da. Mitten unter uns in dieser Welt. Genau das ist es, was der 23. Psalm beschreibt. Wie es ist, aus solch einer Beziehung mit Gott zu leben und aus dieser Perspektive heraus mein Leben zu betrachten: Der Herr ist mein Hirte. Und: Mir wird nichts mangeln. Er wird da sein, wo mir mein Leben vorkommt wie das finstre Tal, wo nichts anderes mehr geht und funktioniert als dass ich mir sage: Weitergehen, auch wenn ich nichts von dem verstehen kann, was gerade passiert und mich das verunsichert. Wo ich mich frage: Kann ich noch glauben? Ich weiß es nicht – weitergehen…
Vielleicht hat sich der 23. Psalm gerade deshalb so frisch gehalten, weil genau diese Seite unseres Lebens hier ausdrücklich zur Sprache kommt. Das „finstere Tal“ kommt vor. Und die Feinde sind Realität - die Momente, wo wir dem, was uns bedrohlich erscheint oder Angst macht, ins Angesicht schauen müssen. Aber genauso geht es um den gedeckten Tisch, an dem wir dabei schon sitzen und Gott uns voll einschenkt. Und das heißt doch wohl: Wir sind in keinem Moment unseres Lebens dazu verurteilt, vor unserem Unglück starr zu verharren. Oder uns ängstlich zu verkriechen. Wer am Tisch sitzen kann und eingeschenkt bekommt, der bekommt in dem ganzen Durcheinander und Toben der „Feinde“ etwas geschenkt, was ihm klaren Kopf verschafft: die nötige Distanz, um sich die Dinge anzuschauen. Und dann aufzustehen von dem Tisch und dann weiterzugehen…
Ehrlich gesagt: Gerade dieses letzte Bild in Psalm 23 von Gott als Gastgeber gefällt mir fast noch besser als das vom guten Hirten. Sich nicht hereinziehen zu lassen in das Getobe der „Feinde“ und sich dabei zu verzetteln, zu verrennen, zu verbittern oder sonst etwas. Machen wir uns nichts vor, diese letzten sechs Wochen, wie wir da leben: Das hat etwas mit uns gemacht. Das stresst uns. Und wir tun uns schwer damit, uns das einzugestehen. Aber genau das - das sind alles Mächte des Todes! Das sind auch die tobenden Feinde! O ja: Wie sehr brauchen wir es jetzt, dass wir in diesen Psalmvers einstimmen können: „Er erquicket meine Seele.“ „Erquicken.“ Ein wunderbares altes Wort. Schade, dass wir es nicht mehr benutzen. Es heißt: „lebendig machen, wieder beleben“. Da klingt doch etwas mit von dem, was Ostern in unserem Leben bewegt. Sagen wir ruhig: was es „anrichtet“. Dass wir vom Tisch wieder aufstehen können, weil Gott uns immer wieder neu und großzügig einschenkt. Und deshalb auch immer wieder den Aufstand wagen können, wo es dem Leben dient.
Gott schenke uns dazu klaren Kopf. Und mache uns so gewiss wie es viele unserer Konfirmanden offenbar sind, die sich diesen Vers als Zuspruch aussuchen: Er ist ja da, der gute Hirte. Mir wird nichts mangeln…
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Britta Taddiken, Pfarrerin an der Thomaskirche