Predigt im Abendgottesdienst über Jesaja 55,1-5

  • 30.06.2019 , 2. Sonntag nach Trinitatis
  • Prädikantin Dr. Almuth Märker

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserm Vater und unserm Herren Jesus Christus. Amen.

 Liebe Gemeinde, wir müssen mal reden! Wir müssen mal über’s Geld reden. Genauer: Wir müssen mal über Ihren Umgang mit Geld reden. Ja, ich weiß, das ist eher unangenehm. Und es wird von der Kanzel herunter auch eher nicht erwartet.

Aber die Frage lautet: Warum, liebe Gemeinde, gebt Ihr Geld aus für etwas, was gar kein Brot ist?!! Und warum gebt Ihr Euer sauer verdientes Geld für etwas aus, das nicht satt macht?

Warum geben wir Geld für soviel Zeug aus? – Macht es uns satt? Stillt es unsern Durst?

-          Klamotten (s. das sog. Powershopping),

-          Reisen,

-          Unmengen von Büchern (die dann ungelesen im Regal stehen),

-          Schuhe – und noch einmal: Klamotten, Klamotten, Klamotten,

-          IPhones, Kopfhörer, Smartphones,

-          Autos, SUV’s

‚Das kann ja heiter werden‘, denken Sie jetzt vielleicht, liebe Gemeinde, - ‚die Predigt mündet in eine plumpe Konsumschelte.‘ Und: ‚So steht das bestimmt nicht in der Bibel!‘

Aber da muss ich Ihnen widersprechen. O doch! Die eben gestellten Fragen stehen genau so und zwar wörtlich in unserm Predigttext in der Bibel. Ich lese ihn; er steht bei Jesaja im 55. Kapitel (V. 1-5) – und achten Sie auf Vers 2:

„Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch!
Warum zählt ihr Geld dar für das, was kein Brot ist, und euren sauren Verdienst für das, was nicht satt macht? Hört doch auf mich, so werdet ihr Gutes essen und euch am Köstlichen laben.
Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir! Höret, so werdet ihr leben! Ich will mit euch einen ewigen Bund schließen, euch die beständigen Gnaden Davids zu geben.
Siehe, ich habe ihn den Völkern zum Zeugen bestellt, zum Fürsten für sie und zum Gebieter.
Siehe, du wirst Völker rufen, die du nicht kennst, und Völker, die dich nicht kennen, werden zu dir laufen um des Herrn willen, deines Gottes, und des Heiligen Israels, der dich herrlich gemacht hat.“

 Der Beginn der Predigt – er ist also keine Konsumschelte. Vielmehr stellt er die Fragen ganz klar mit Jesaja. Vor allem, ich bin keinen Deut besser. Auch ich muss mir die Frage von Jesaja stellen lassen. Wofür gebe ich mein Geld aus? Und noch genauer: Macht es mich satt? Nährt es mich? Gibt mir das, was ich kaufe, Trost? Schenkt es mir Freude? Hilft es mir zur Gemeinschaft? Jesaja fragt sehr zugespitzt und kritisch: Warum gebt ihr Geld für Dinge aus, die Euch gar nicht glücklich machen?

Und er wendet als Maßstab den Begriff der Seele an. Wird eure Seele gesund? Geht es eurer Seele gut? Könnt ihr auf dem Grund eurer Seele aufatmen? Seele ..., zugegeben ein eher altertümliches Wort, im Alltag selten gebraucht. Aber Jesaja wusste, wovon er sprach: Das, was mich tief erfüllt, wodurch mir Leben eingehaucht wird, was mir den Atem für mein Leben gibt. Das ist die Seele, und mein Leben soll voll davon sein: seelenvoll. (vgl. hebr. näfesch, griech. psyche, lat. anima)

Doch zurück zu uns und zu mir und meinem Alltag. Zugegeben, ich brauche sie ja, diese Dinge:

-          Ich brauche das Paar neue Schuhe. Die alten waren ja ausgetreten.

-          Ich brauche den Urlaub. Um mich zu erholen.

-          Ich brauche Kichererbsen, Brot, Tomaten, Erdbeeren. Mein Magen knurrt.

Aber brauche ich wirklich?

-          Das Fläschchen mit dem Duft von Rossmann? Ich weiß, dass ich nach dem Kauf genauso einsam bin wie vorher. Der synthetische Duft ändert nichts an meiner Einsamkeit.

-          Die CD’s oder mp3-files mit Musik? Oder sollen sie nur darüber hinweg täuschen, dass meine Beziehung schon lange eingeschlafen ist und dass ich endlich mit meinem Partner oder meiner Partnerin reden sollte?

-          Das 9. T-Shirt von Primark? Oder betäubt es nicht vielmehr meine Hilflosigkeit gegenüber all dem, was ich in den Medien über Klimawandel und über Ausbeutung in fernöstlichen Textilfabriken gehört habe?

Was ich da kaufe? – Ist das Gefühl von Einsamkeit danach weg? Bringt es meine Beziehung wieder in Ordnung? Tröstet es mich in meiner Trauer? Nimmt es mir meine Hilflosigkeit?

Jes. 55, 2: Warum zählt ihr Geld dar für das, was kein Brot ist, und euren sauren Verdienst für das, was nicht satt macht? Hört doch auf mich, so werdet ihr Gutes essen und euch am Köstlichen laben.

 Doch, liebe Gemeinde, die ganze Geschichte mit dem Betäubungsshopping und der Infragestellung vom Geldausgeben hat einen ganz großen Haken. Viele, sehr viele in unserer Gesellschaft können sich das gar nicht leisten. Sie haben für’s Kaufen gar kein Geld. Jesaja hat gerade – und zwar zuerst – an diese Menschen gedacht:
„Alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch!“

Ohne Geld – gratis – ... aus Gnade.

„Kauft – ohne Geld“ Dahinter verbirgt sich freilich ein Paradox, und mancher von Ihnen wird aus eigener bitterer Erfahrung rebellieren. „Kauft – ohne Geld“, das ist ein Zustand, von dem viele von uns vielleicht träumen:

-          Wenn der BaFöG-Antrag abgelehnt ist.

-          Wenn HartIV hinten und vorne nicht reicht.

-          Wenn auf dem Rentenbescheid nach 40 Jahren Arbeitsleben 600 € steht.

-          Wenn nach einer Trennung für drei Kinder Unterhalt zu zahlen ist und dem Vater dann selbst kein my überm Selbstbehalt bleibt.

Na ja, irgendwie reicht es dann schon. Die niedrige Rente lässt ja den 70jährigen nicht verhungern. Und auch die Unterhalt zahlende Mutter, die von ihren Kindern getrennt lebt, wird nicht direkt am Hungertuch nagen. Aber – das finde ich gut an Jesaja – wir brauchen eben nicht nur das Notwendigste zum Leben: „Brot“ zum Sattwerden und „Wasser“ gegen den Durst. Sondern damit es uns – unserer Seele – gut geht, möchte ich auch etwas darüber hinaus haben. Etwas, das das Leben schön macht; etwas, das gut tut oder einen Höhepunkt setzt.

-          Das Glas Wein nach der Chorprobe für die Rentnerin,

-          Ein Wochenende verreisen mit dem besten Freund.

Jesaja hat für dieses „Mehr“ vollstes Verständnis. Er nennt es „Wein und Milch“ (neben Brot und Wasser).

Das, was unser Herz nährt und was es stark macht, gibt es bei Gott: Brot und Wasser.

Und das, was mein Herz mit Freude erfüllt, was meine Seele erfreut und mich ganz tief im Innern glücklich macht und mir Ruhe gibt, auch das gibt es bei Gott: Wein und Milch.

Das Wesentliche, tiefe Freude, innere Gelassenheit, die gute Energie zum Handeln und zur Veränderung, die kommen von Gott.

Darauf, liebe Gemeinde, können wir uns verlassen. Keine Angst: Gott zieht diese Zusage nicht zurück. Nie nie nie. Von Generation zu Generation gibt sie sie weiter. Er nennt es „ewigen Bund“. Hört das doch bitte, liebe Gemeinde. Neigt eure Ohren, schreibt Jesaja. „Hört, so werdet ihr leben.“ Wieviele Predigten müssen eigentlich och gehalten werden, bis die Gemeinden dieser Welt es begreifen?

Ich kehre zum Anfang von Jesajas Sätzen zurück („Alle, die ihr durstig seid ...“). Und jetzt erst ergänze ich sein erstes Wort: „Wohlan!“ übersetzt Luther. In einer an Jugendliche gerichteten Predigt habe ich das etwas frischere „Hey!“ gelesen. Dieses „Hey!“ entspricht im Übrigen recht genau dem hebräischen Wort „hoy“, das diesen Satz einleitet. Das erste Wort des Jesaja ist das eines Marktschreiers. Ein Ruf, der Aufmerksamkeit erzeugen soll; ein Schrei, nach dem sich alle umsehen und nachschauen, was es da Tolles gibt. Was für eine Art ‚Marktschrei‘ kann ich von der Kanzel geben, so dass alle sich recken und aufmerken, was jetzt kommt?

[2x Händeklatschen; Fingerpfiff wie ein Pfiff auf dem Markt] – Wann werden wir es begreifen?!

„Alle, die durstig sind, kommt zum Wasser!

Und wenn ihr kein Geld habt, kommt trotzdem und esst hier!

Kommt hier herüber und kauft, ohne etwas zu bezahlen, gratis köstlichen Wein und wunderbare Milch!“

Das Wesentliche gibt es bei Gott gratis. Wann werde ich es begreifen?

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und unser Beginnen in Christo Jesu. Amen.

 

Dr. Almuth Märker, Prädikantin an St. Thomas, Leipzig

Almuth.maerker@web.de