Predigt Estomihi (Ex. 32, 1-4) Nachteulengottesdienst
- 02.03.2025 , Sonntag vor der Passionszeit - Estomihi
- Prädikantin Dr. Almuth Märker
[Als aber das Volk sah, dass Mose ausblieb und nicht wieder von dem Berge herabkam, sammelte es sich gegen Aaron und sprach zu ihm: Auf, mache uns Götter, die vor uns hergehen! Denn wir wissen nicht, was diesem Mann Mose widerfahren ist, der uns aus Ägyptenland geführt hat. 2Aaron sprach zu ihnen: Reißt ab die goldenen Ohrringe an den Ohren eurer Frauen, eurer Söhne und eurer Töchter und bringt sie zu mir. 3Da riss alles Volk sich die goldenen Ohrringe von den Ohren und brachte sie zu Aaron. 4Und er nahm sie von ihren Händen und formte das Gold und machte ein gegossenes Kalb. Und sie sprachen: Das sind deine Götter, Israel, die dich aus Ägyptenland geführt haben!]
Liebe Gemeinde,
ich wäre gern wieder gesund. Ich meine, so richtig gesund. Schon, ja: Ihr seht mich hier auf der Kanzel. Und keine Sorge: Ich bin nicht mehr ansteckend. Aber ich schleppe mich so dahin. Seit Ende Januar geht das. Zuerst fühlte es sich an wie eine heftige Erkältung, dann war klar: Virusgrippe, die echte Influenza. Da wusste ich schon: Das kann dauern. Krankgeschrieben. Dann wieder auf Arbeit. Das volle Programm. Erst hatte ich nur halbe Kraft, es wurde besser; langsam. Und dann, ein paar Tage später plötzlich: Halsentzündung. Wieder schlapp, wieder alles nur halb.
Ich war am Ende. Ich war vor allem am Ende mit meiner Geduld. Ich war wütend (worauf? Auf wen eigentlich?). Ich war enttäuscht (wovon? Von wem?).
Und ganz tief in mir drinnen spürte ich eine tiefe Sehnsucht.
Eine Sehnsucht – wonach?
Da fiel mir ein und jetzt in diesem Nachteulengottesdienst fällt mir ein ein Wunsch unter den vielen Nachrichten, die mich, während ich darnieder lag, erreichten. Die meisten schreiben ja
'Gute Besserung'. Manche auch 'Gute Genesung'. 'Ich wünsche dir Heilung.' - Das stand da plötzlich auf meinem Handydisplay zu lesen. „Ich wünsche dir Heilung.“
Heilung. Das ist es! Dorthin geht meine Sehnsucht.
Eine Sehnsucht nach Heilung. Danach, wieder heil zu sein. Heile heile Segen.
Es muss gar nicht 'alles wieder sein wie früher'. Vielleicht kommt, wenn ich wieder gesund bin ja auch was Neues; gar ein Neuanfang.
Es geht auch nicht drum, 'wieder zu funktionieren': Schließlich bin ich keine Standuhr, die, wenn sie krank ist, nicht richtig tickt, und also repariert werden muss.
Nein, meine Sehnsucht heißt: heilen, heil werden.
Das ist eine tiefe und verständliche Sehnsucht. Und ich wünsche die Erfüllung dieser Sehnsucht all jenen unter Ihnen, die sich ebenfalls noch mit winterlichen Viren herumschlagen. Ich wünsche deren Erfüllung vor allem aber und ganz besonders denen unter Ihnen, die unter einer langwierigen, gravierenden Krankheit leiden; körperlich oder seelisch. - Ich wünsche Ihnen Heilung.
Vielleicht gibt es ja unter Ihnen welche, die in der Sehnsucht, wieder gesund, wieder heil zu werden, auch eine Lebenssehnsucht entdecken: Heil werden. Ich möchte heil werden. Ich wünsche mir, dass mein Leben heil ist, dass es sich fügt, dass sich Schritt für Schritt – d.h. von Jahrzehnt zu Jahrzehnt – Menschen und Dinge fügen. Dass sich mir zeigt, was wichtig ist. Dass ich herausfinde, wer mir am Herzen liegt. So wünsche ich mir, dass mein Leben heil wird.
Gibt es etwas, liebe Gemeinde, das zu einem solchen Heilwerden beitragen kann? Gibt es Heilendes, gibt es Heiliges für Sie?
Mit der Geschichte vom Goldenen Kalb haben wir vorhin den verzweifelten Versuch von Aaron verfolgen können, dem Volk der Israeliten etwas Anbetungswürdiges, Heiliges zu bieten. Dass er Muffensausen kriegte, als Mose ewig nicht vom Berg Sinai zurückkehrte, ist verständlich. Aber sein Plan und dessen Umsetzung sind stark anzuzweifeln. Schon die Instruktion „den Frauen, Töchtern und Söhnen die Ohrringe abzureißen“ (so steht es da!!!), ist doch völlig absurd. Stellt Euch das Ohrläppchenblutbad im Zeltlager vor: Die Männer fallen über die Frauen her und reißen ihnen die Ohrringe ab. Wenn etwas angeblich Heiliges unter diesen Umständen entsteht, dürfen wir schon starke Zweifel an Echtheit und Wirksamkeit haben.
Heiliges, das nur so aussieht? Das golden schimmert? Das verspricht und verführt? Erkennen wir uns da wieder? In den Anspielen vorhin haben wir es beobachten können: Was als heilig daher kommt, ist es oft nicht. Was ist falsch heilig und was echt heilig? Eine eigenartige Frage. Aber ich ich will sie heute Abend stellen. Ihr seid eingeladen, Euch selbst zu befragen und an vier Stationen dazu auf die innere Reise zu gehen.
Gott segne Euch auf diesem Weg. Gott – unser Heil – segnet uns. Amen.