Motettenansprache zum 335. Geburtstag von Johann Sebastian Bach
- 21.03.2020
- Pfarrerin Britta Taddiken
Liebe Gemeinde,
heute ist Johann Sebastian Bachs 335. Geburtstag. Normalerweise würden wir die Motette heute feiern mit Menschen aus aller Welt. Wir haben oft 2000 Besucher und mehr, wenn der Thomanerchor und das Gewandhausorchester hier in der Thomaskirche eine von Bachs Kantaten und andere geistliche Werke aufführen. Bachs Musik am originalen Ort, mit dem originalen Klangköper im originalen Format, dem Gottesdienst. Das bringt Menschen aus allen Kulturen zusammen!
Heute leider nur über das Internet. Aber das wollten wir ermöglichen und grüßen alle, die jetzt zuschauen. Bachs Werk verbindet uns über Grenzen hinweg. Wir finden etwas Zeitloses oder sollte man sagen: Überzeitliches in seiner Musik. Und auch in dem, wie er sie mit dem Wort verbindet. Immer hat das auch uns heute etwas zu sagen. Und Menschen, die herkommen, die ahnen das, auch wenn sie unsere Sprache vielleicht gar nicht sprechen und auch Menschen, die meinen, mit dem christlichen Glauben nicht so viel anfangen zu können, sind berührt.
Als Bach lebte, haben die Menschen häufiger so etwas erlebt wie wir jetzt. Eine Pandemie. Immer mal wieder zog die Pest durch oder eine andere Seuche. Es war viel normaler damals. Wie die Leute damit umgegangen sind – das hören wir in einigen der Lieder, die Thomaskantor Gotthold Schwarz heute für uns singt, der 17. Thomaskantor nach Bach. Der Text des ersten Liedes von Max Reger stammt von Paul Fleming. 1623 wurde er im Alter von 14 Jahren vom damaligen Thomaskantor Johann Hermann Schein hier in Leipzig in die Thomasschule aufgenommen. Nach seinem medizinischen Magister an der hiesigen Universität entdeckte er sein dichterisches Talent. Auf einer Reise verstarb er im Alter von 30 Jahren in Hamburg an einer Lungenentzündung. Beigesetzt wurde er im Chorumgang der Hamburger Hauptkirche St. Katharinen. Sein wohl bekanntestes Gedicht wurde häufig musikalisch vertont:
„Lass dich nur nichts nicht dauren mit Trauren,
sei stille, wie Gott es fügt,
so sei vergnügt mein Wille!
Was willst du heute sorgen auf morgen?
Der Eine steht allem für,
der gibt auch dir das Deine.
Sei nur in allem Handel ohn Wandel,
steh feste, was Gott beschleusst,
das ist und heißt das Beste.“
Das ist ein großartiger Zuspruch, den wir da bekommen. Lasst das, was Euch jetzt verunsichert, wo ihr überhaupt nicht wisst, wie Ihr planen sollt und was morgen sein wird – lasst das nicht so groß werden, dass es Euch komplett lähmt. Dass es Euch über Gebühr beherrscht. Leichter gesagt als getan, in allem „Handeln ohn Wandel“ zu sein, jetzt wo alles Handeln lahm liegt. Und wo viele, gerade auch die, die hier in den Motetten sonst oft singen, in existentielle Probleme hineinschlittern. Und viele andere auch. Und von denen, die erkranken und die auch sterben werden, ist da natürlich erst recht zu reden.
Fleming kannte das auch. Und versucht gerade darin sich und anderen trotzdem Mut zu machen. Er spricht davon, einen „vergnügten Willen“ zu haben. Trotzdem und in alledem. Ein „vergnügter Wille“. Was für ein schönes Bild. Ich glaube, den müssen wir nun wirklich behalten und auch in uns aktivieren – einen „vergnügten Willen“. Dass wir neu nachdenken. Kreativ mit der Situation umgehen, wie sie nun mal ist. Das ist das Pfund, das wir haben in unserer Gesellschaft – das Wissen, die Kompetenzen, die Phantasie der Vielen. Sie ist unendlich groß ist, wenn wir sie miteinander teilen! Je weiter und offener wir da miteinander unterwegs sind, umso besser. Gedanklich sollten wir jetzt allen äußeren Abschottungstendenzen widerstehen. Denn: Das Coronavirus hat die ganze Welt befallen. Und das macht eines sehr klar: Wir sitzen alle im selben Boot. Und wir werden den Weg aus dieser Situation heraus auch nur zusammen schaffen. Mit großem starken, und ja auch „vergnügtem“ Willen.
Wir werden jetzt wohl eine Menge Zeit haben, darüber nachzudenken. Auch über das, was Danach sein wird. Wie werden darüber im Gespräch bleiben müssen, gerade in den nächsten Wochen. Und wir können dabei gleich einen der größten Sprachfehler einholen, der gerade so umhergeistert: Dass wir auf soziale Kontakte möglichst verzichten sollen. Nein. Verzichten sollten wir auf körperliche Nähe. Sozial aber sollten wir uns gerade nahe bleiben. Dazu braucht es „vergnügten“ Willen. Dazu braucht es, dass wir aufeinander achten und bedenken: Alles, was wir tun, kann eine Folge für unseren Nächsten haben. Das gilt im Schlechten in Bezug auf Ansteckung – es gilt aber auch im Guten. Bitten wir Gott um einen starken „vergnügten Willen“ und dass wir fest stehen können in all dem, was auf uns zukommt. Mit-und füreinander. Amen.
Gebet
Unser Gott, wir bitten Dich: Sei Du an unserer Seite in diesen Tagen. Hilf uns, umsichtig zu bleiben, vorsichtig und zugewandt. Schenke uns einen starken und vergnügten Willen. Segne alle, die im Moment im Einsatz für die Erkrankten und Besorgten, für die Sterbenden und für die, die sich um sie kümmern. Gib uns Kraft, andere zu ermutigen und gute Gedanken, wie wir beieinander bleiben können in dieser Zeit.
Gemeinsam bitten wir Dich mit den Worten Jesu:
Vaterunser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung , sondern erlöse uns von dem Bösen! Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Und so segne und behüte Euch der allmächtige und der barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen.
Pfarrerin Britta Taddiken
taddiken@thomaskirche.org