Motettenansprache zum 3. Sonntag nach Epiphanias
- 24.01.2025
- Prof. Dr. Dr. Andreas Schüle
PDF zur Motettenansprache HIER
Liebe Gemeinde,
die Weihnachtszeit geht dem Ende zu. Das mag für viele seltsam klingen, weil Weihnachten gefühlt doch schon wieder fast einen Monat zurückliegt. Die allermeisten Christbäume sind längst entsorgt, und die Weihnachtsartikel in den Lebensmittelläden und Warenhäusern will jetzt wirklich niemand mehr haben, auch nicht zum halben Preis.
Der kirchliche Kalender ‚tickt‘ allerdings ein bisschen anders. Der kommende Sonntag ist der letzte nach dem Erscheinungsfest, und am 2. Februar ist die Weihnachtszeit dann sozusagen auch offiziell vorbei.
Das hat etwas damit zu tun, dass das kirchliche Weihnachten nicht nur die Geschichte von der Geburt Jesu erzählen will. Weihnachten geht weiter. Die Weihnachtszeit ist auch ein Nachspüren dessen, was von diesem Glanz, von der Botschaft der Engel „Euch ist heute der Heiland geboren“ mitgeht und weiterträgt – für ein ganzes Jahr. Ist von diesem Glanz noch etwas da, wenn die Realität wieder hart zuschlägt? Oder ist die Bubble schon geplatzt?
Man kann etwas dafür tun, dass Weihnachten einen durchs Jahr begleitet. Bei mir ist das auf zugegebenermaßen eigentümliche Weise der Fall. Ich habe eine schöne, geschnitzte Krippe von meinen Eltern geschenkt bekommen, die natürlich jedes Jahr unter dem Christbaum ihren Platz findet. Aber bei mir im Keller ist es feucht und auch sonst kann ich sie nirgends lagern. Also steht sie nun das ganze Jahr über auf einer Kommode. Und ich schaue immer wieder gerne hin – auf das Kind in der Krippe, Ochs und Esel, die um die Ecke gelaufen kommen, die Hirten, die mit ihren Lampen die Gesichter der Heiligen Familie erleuchten, die drei Könige, die Geschenke ausbreiten. Weihnachten ist auch ohne Winter eine schöne Geschichte, die Freude und eben einen besonderen Glanz verströmt.
Aber auch ganz abgesehen von solchen persönlichen Momenten scheinen die biblischen Geschichten um die Geburt Jesu auf eine fast unheimliche Art aktuell zu sein. Am vergangenen Montag wurde der neue US-Präsident vereidigt. Vor dem Hintergrund der Weihnachtserzählungen erinnert er, wenigstens mich, doch sehr an den König Herodes, von dem erzählt wird, dass er nach dem Leben des Jesuskindes trachtet: Ein Herrscher, der keinen Widerspruch duldet, der sich an seiner Macht berauscht, der meint, alles zu können, immer Recht zu haben und der diejenigen für irrelevant hält, die nicht in sein Weltbild passen. Trump ist nicht neu, dieser Typ begegnet einem immer wieder, wenn man sich mit Geschichte beschäftig. Und das hat auch schon die Bibel gewusst, so als wollte sie sagen: Solche Herrscher sind in ihrer Gewalttätigkeit niemals zu unterschätzen. Aber das letzte Wort behalten sie dennoch nicht.
Nach der Vereidigung gab es einen Gottesdienst, den traditionell der neue Präsident besucht. Da hielt eine Bischöfin eine Predigt, die vielleicht jetzt schon die beste Predigt des neuen Jahres ist. Sie tat nichts anderes als einen der mächtigsten Menschen daran zu erinnern, dass viele zu ihm aufschauen in Sorge und Angst, was nun geschehen wird. Sie bat um Barmherzigkeit für Menschen, die nicht zu den Privilegierten gehören, die am unteren Rand der Gesellschaft irgendwie durchkommen müssen, die aber deswegen keine Menschen zweiter Klasse, sondern Kinder Gottes sind, so wie auch der Mann im Weißen Haus. Es war eine Predigt, die zu Demut mahnte und dazu, Differenzen zu ertragen, statt Mauern zu bauen.
Und in alle dem war dies eine Weihnachtspredigt, weil darin ausgesprochen wurde, worum es an Weihnachten geht: Darum, dass Gottes Glanz dort aufstrahlt, wo man es am wenigsten erwartet; dass Menschen, die keinen Einfluss und keine Macht haben, diejenigen sind, die als erste diesen Glanz sehen und auf diese Weise gewürdigt werden. Weihnachten ist eine Zeit, um Urteile, Vorurteile und das Bedürfnis beiseite zu legen, andere in das eigene Weltbild zu pressen. Weihnachten will ein ganzes Jahr hindurch dazu ermutigen, den Gedanken erst in den Kopf und dann auch ins Herz zu lassen, dass Menschen zuerst und vor allem Kinder Gottes sind, und so dem Zynismus der Herodes’se zu widerstehen – der damaligen und der heutigen.
Das ist nicht einfach. Barmherzigkeit und Güte, der Stoff aus dem Gottes Glanz gemacht ist, prallen allzu oft ab an dem Übel, das es in allen Nischen und Schichten einer Gemeinschaft gibt. Auch schwache und bedürftige Menschen können böse sein. Das hat die Messerattacke von Aschaffenburg einmal mehr gezeigt. Warum da jemand immer noch auf freiem Fuß sein konnte, dessen Gewalttätigkeit schon mehrfach aufgefallen war, das fragt man sich mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch. Und wenn dann noch Wahlkampf ist, dann wird aus berechtigter Wut der Ruf nach drastischen Lösungen – durchgreifen, Härte zeigen. Interessanterweise tun das inzwischen Politiker fast jeder Couleur.
Da ist Weihnachten auf einmal doch wieder ganz weit weg. Aber genau deshalb sind wir hier; genau darum erklingt heute noch einmal weihnachtliche Musik, um uns daran zu erinnern, dass Gott nicht aufhört, dort zur Welt zu kommen, wo es am dunkelsten ist. Gottes Glanz kann man ignorieren, man kann ihn unter einer Decke halten oder versuchen, ihn zu überstrahlen. Aber auslöschen kann man ihn nicht. Ein weihnachtlicher Glaube hält ein ganzes Jahr lang daran fest, dass Barmherzigkeit und Güte der Stoff der Welt sind, in der wir leben, und dass das eigene Leben schöner und würdiger wird, wenn es sich davon beglänzen lässt.
Das war es, was die Bischöfin dem neu gewählten Präsidenten ans Herz gelegt hat. Der reagierte gekränkt und schlug in den sozialen Netzwerken wild um sich. Aber manchmal ist das ja der Beginn von Einsicht. Es wird bis zum nächsten Weihnachten sicher noch viele Predigten dieser Art brauchen und Menschen, die sie sich zu Herzen nehmen. Aber auch das war damals beim allerersten Weihnachten nicht anders. Es waren wenige, die sich damals haben beeindrucken und einnehmen lassen, wenige, die den Weg zur Krippe gefunden und, ja, sich haben beglänzen lassen. Und doch: Von diesen Wenigen erzählt heute noch die ganze Welt.
Amen.
Im Glanz des Lichts,
scheinst du auf, Gott,
und durchdringst alles, was lebt.
Wahres Licht,
in Christus,
unserem Morgenstern,
lässt du das Dunkel schwinden.
Was dich verbarg,
klärt sich zur Spieglung deiner Liebe.
Wahres Licht,
erstrahle in der Welt und erleuchte
die Enttäuschten, dass sie nicht aufgeben,
die Verbitterten, dass sie nicht lieblos werden,
die Gehetzten, dass sie Ruhe finden,
die Gequälten, dass sie Erbarmen erfahren,
die in sich selbst Verhärteten, dass sie sich öffnen
und in deinen ewigen Glanz treten können.
Wahres Licht,
erstrahle in der Welt,
geh auf und verwandle
Gewalt in Vergebung,
Selbstsucht in Demut,
Profitgier in Friedfertigkeit,
Hass in Verständnis,
Verzweiflung in Sehnsucht.
Wahres Licht,
lass uns in dir stehen und in dir strahlen,
in dir atmen und in dir lieben,
in dir hoffen und in dir wirken,
in dir treiben und in dir ruhen,
in dir leben und sterben und auferstehen,
lichtgeworden im Licht
in Ewigkeit.
Und gemeinsam beten wir:
Vater unser
Amen.