Motettenansprache zu Mk 8,35-37
- 28.02.2025
- Kirchenrat Lüder Laskowski
PDF zur Motettenansprache HIER
Liebe Motettengemeinde,
„Du linksgrüner Träumer, der unseren Wohlstand aufs Spiel setzt.“ „Du selbstsüchtiger Kleinbürger, der sich weigert, über den eigenen Gartenzaun zu sehen.“ Das sind verdichtet zwei Fronten, die sich auf vielen Ebenen der aktuellen Debatten gebildet haben. Sie sind nicht neu. Wir werden sehen. Schon Jesus wusste um Geist und Haltung, die jeweils hinter ihnen stehen.
Doch eins nach dem anderen. Es ist eine unheimliche Schärfe in die öffentliche Debatte eingezogen. Was immer zu ahnen war, liegt offen zu Tage. Die Bundestagswahl hat es sichtbar gemacht. Gestern das furchtbare Gespräch im Weißen Haus noch mehr. Wir wandeln auf dünnem Eis. Leicht bricht es und wir sehen, wie fragil ist, worauf wir unser Leben bauten. Wie bedroht unser Zusammenleben, unser Wohlstand, die äußere und innere Sicherheit sind.
Dieser neue Zustand verändert erst das Lebensgefühl und dann das Leben selbst. Durch die Sorge um die Zukunft. Durch den inneren, seelischen Aufwand, diese härtere Wirklichkeit zu sortieren. Es strengt an, eine eigene Position zu finden und zu halten, um nicht von jeder widersprechenden Äußerung, jedem neuen Ereignis, das durch die Medien geistert, aus der Bahn geworfen zu werden.
Jesus stellt die Frage: „Denn was hilft es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen und Schaden zu nehmen an seiner Seele?“ Damit verschiebt er das Thema auf eine andere Ebene – auf eine existentielle im umfassenden Sinne. Also über die politische, meinungsgeleitete, individuelle, zeitgebundene hinaus. Er verweist uns auf etwas, das uns sehr oft nicht gelingt, wenn wir gebannt auf die Ereignisse in der Welt starren.
Jesus rahmt den Impuls in diesem Vers durch zwei Aussagen, die zugleich ein Rahmen um unseren Entscheidungsspielraum im Leben setzen. Die uns Leitplanken auf den verschlungen Wegen hier auf dieser Erde in dieser unübersichtlichen Zeit aufstellen.
Schauen wir auf die erste Leitplanke.Im Satz zuvor sagt Jesu: „Denn wer sein Leben behalten will, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird’s behalten.“ Rollen wir den Satz von hinten auf. Jesus und das Evangelium sind untrennbar miteinander verbunden. Die gute Nachricht, dass unser Leben nicht vergeblich ist, weil Gott uns liebevoll ansieht, ist nicht abzulösen von Jesus Christus. In ihm sehen wir, was das konkret meint.
Darum auch verbindet Jesus unsere Lebenshaltung mit seinem Schicksal. Erinnern wir uns, wie er sich Menschen zugewandt hat, die nach ihm riefen und wie diese Menschen danach zu neuem Leben fanden. Und setzen anschließend selbst auf die Kräfte, die Liebe und Hingabe in uns freisetzen. Dann wird seine Verurteilung durch die Welt, sein Scheitern und sein Triumph entgegen aller Maßstäbe und Annahmen der Welt zu Orientierung und Trost für uns. Denn wir haben immer die Möglichkeit, von einem rein materialistischen selbstbezogenen Zugang zum Leben Abstand zu gewinnen. Weil wir immer schon Anteil an seinem Sieg über die Welt haben.
Vor seiner entscheidenden Frage also erinnert Jesus daran, dass ein voller Bauch oder ein ungestörtes Leben nicht ausreichen, wenn es um erfülltes Leben geht. Mehr noch: wer nur an seinen materiellen Wohlstand denkt, seine ganze Kraft und Zeit allein auf die Absicherung und Mehrung seiner materiellen Möglichkeiten verwendet, wird das Leben verfehlen. Und zwar eben nicht nur, weil er selbst etwas verpasst, sondern vor allem auch darum, weil er die Bedürfnisse seiner Nächsten aus dem Blick verliert, weil er sich nicht mehr berühren und fordern lässt von den Bedürfnissen der anderen bis hin zu ihrer Not und Verzweiflung.
Die andere Leitplanke setzt Jesus durch die Zuspitzung, die seiner zentralen Frage folgt: „Denn was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?“ Mit diesem Satz mahnt er – und das ist in seinen Wirkungen die Gegenposition zur eben beschriebenen – die Rettung der Welt nicht allein mit dem eigenen Handeln zu verbinden. Die persönliche Gesinnung und Tat zum alleinigen Maßstab zu machen. Wir alle sind Gottes Kinder. Aus ihm sind wir hervorgegangen. Zu ihm kehren wir wieder zurück. Jesus verweist hier auf des Menschen Ursprung und Ziel. Er weist auf Gott. Und damit ordnet er Erkenntnis und Streben des Menschen seine Grenzen zu. Denn in beidem – unserem Denken wie unserem Handeln – bleiben wir stets begrenzt. Sichtbar wird das besonders augenscheinlich an den Grenzen unseres physischen Lebens, also schlicht unserer Geworfenheit in die Welt und unserer Endlichkeit. Damit ist verknüpft die Zeitlichkeit aller Urteile und Taten. Alles was Menschen unternehmen, um sich selbst zu erlösen, wird scheitern. Mehr noch. Es wird in menschenfeindliche ideologische Verengung münden.
Das sind die Leitplanken. Weder ein einseitiger Materialismus, der sich nur um die eigenen Bedürfnisse kümmert und im extremen Fall immer davon ausgeht, man wolle ihm etwas wegnehmen. Das verhärtet das Herz und tötet die Seele. Noch idealistische Erlösungsfantasien, die die eigene Wahrnehmung verengen und die sich selbst und alle anderen rundum gnadenlos überfordern. Das erstickt das Herz und lässt die Seele zittern.
Ist das ein weichgespülter Opportunismus? Unbefriedigendes Lavieren irgendwo im Ungefähren? Unentschieden, schwach? Ganz im Gegenteil. „Denn was hilft es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen und Schaden zu nehmen an seiner Seele?“ Jesu neuer Blick auf das Leben ist radikal. Denn er führt über die Freiheit zur Liebe. Und über die Akzeptanz der eigenen Grenzen zur Hingabe.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.