Motettenansprache

  • 13.09.2024
  • Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Christoph Markschies

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Was für ein biblischer Text, liebe Motetten-Gemeinde, den Heinrich Schütz da vertont hat, 1639, mitten im Dreissigjährigen Krieg, in einem weiteren fürchterlichen Kriegsjahr, in dem sächsische Truppen den Durchmarsch der Schweden nach Prag nicht verhindern konnten, kleinere Scharmützel, größere Schlachten, Plünderungen, Vergewaltigungen, die hässliche Fratze des Krieges, Elend, Not und Tod überall und vor allem namenlose Angst bei denen, die noch von der Furie des Kriegs verschont waren. Was für ein biblischer Text, was für eine Musik in diesem Schreckensjahr: Nicht Tod, sondern Auferstehung der Toten. Nicht Not und Elend, sondern kunstvolle Musik, ein kleines geistliches Konzert: „Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich gläubet, der wird leben, ob er gleich stürbe; und wer da lebet und gläubet an mich, der wird nimmermehr sterben“. Und so klingt uns diese letzte Zeile immer noch in den Ohren: „nimmermehr sterben, nimmermehr sterben …“. So spricht nach dem Zeugnis des Johannesevangeliums Jesus Christus, so komponiert in krisenhafter Zeit ein Italien geschulter mitteldeutscher Barockkomponist und so wurde es uns eben gerade musiziert.

Heinrich Schütz, Hofkapellmeister in Dresden, hat seine liebe Not gehabt, in so schrecklichen Kriegszeiten überhaupt zu komponieren. In der Vorrede der Veröffentlichung seiner kleinen geistlichen Konzerte spricht er von der „Bosheit der jetzigen, den freien Künsten widrigen Zeiten“ und hofft darauf, dass die „jetzt unter den Waffen gleichsam erstickten und in den Kot getretenen Künste durch Gottes Güte zu voriger Würde und Wert wieder erhoben werden“. Und für die Zwischenzeit von Krieg und Not schreibt er eine eiserne Ration Musik, auch mit wenigen Stimmen und Instrumenten aufzuführen, Trostmusik gegen den Kummer, Hoffnungsmusik gegen die Angst. „Nimmermehr sterben“. Alles mit sparsamen musikalischen Mitteln konzentriert auf den hoffnungsstarken biblischen Text: „Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich gläubet, der wird leben, ob er gleich stürbe; und wer da lebet und gläubet an mich, der wird nimmermehr sterben“.

Der biblische Vers leugnet die Realität des Todes nicht, beschönigt nichts, verdrängt nichts. Tod ist überall: Im Nahen Osten, in der Ukraine, aber auch hier in den Kliniken, in unseren Wohnungen: Überall sterben Menschen, und die allermeisten hätten wir gern noch eine Weile bei uns gehabt. Der Evangelist Johannes und Heinrich Schütz setzen gegen den unzeitigen Tod keine theologische Vorlesung und kein trotziges Bekenntnis zur Auferstehung der Toten. Nein, es betritt das Schlachtfeld, es betritt die Intensivstation eine Person. Jesus Christus tritt auf und mit ihm Gott selbst. Und der Schöpfer dieser Welt sagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben“. Natürlich ist er das, er hat diese Welt ja ins Dasein gerufen und geschaffen. Er lässt sie daher auch nicht vor die Hunde gehen, gibt uns der Macht des Todes nicht endgültig preis. Er bewahrt seine Schöpfung in alle Ewigkeit. „Nimmermehr sterben“. Wir werden, liebe Gemeinde, sterben. So wie viele vor uns und viele nach uns. Aber wir werden leben, von Gott, von Jesus Christus Leben bekommen. Neu geschenkt, ob wir gleich sterben, wie es in Luthers etwas altertümlichen Deutsch bei Schütz heißt.

Schwer zu glauben, damals vor fast zweitausend Jahren. Kaum zu hoffen 1639 mitten in einem schrecklich langen Krieg. Schier unvorstellbar heute, in dieser neuen schwierigen Krisen- und Kriegszeit. Aber wir haben diese Person, Jesus Christus. Sie kommt uns nahe in jedem Gottesdienst, in jeder Motette. Sie geht uns zu Herzen, wenn die Thomaner Schütz singen und das Gewandhaus Mendelssohn musiziert. Und in solchen Momenten können wir glauben – und leben. Leben fröhlich und getrost, liebe Gemeinde, inmitten von allen Krisen, von Not und Tod. Wir leben. Und wir sollen auch weiterleben, in alle Ewigkeit. Nimmermehr sterben. Amen.

Gebet

Ich bin die Auferstehung und das Leben:
Gott schafft Leben und Zukunft.
Im Vertrauen darauf kommen wir zu Gott
mit unseren Anliegen heute Abend.

Gott, du Freund des Lebens. Wir bitten dich, erhöre uns.

Wir beten für die Menschen in Israel und Palästina,
   in der Spirale von Terror und Gegengewalt;
für die Menschen im Gaza-Streifen,
   bedroht von Hunger und weiteren schweren Militärschlägen;
für die israelischen Geiseln,
   immer noch in der Gewalt der Hamas,
und für alle, die sich um deren Freilassung bemühen;
für alle, die zu Frieden und Verständigung
   im Nahen Osten aufrufen und sich dafür einsetzen.

Gott, du Freund des Lebens. Wir bitten dich, erhöre uns.

Wir beten für die Menschen in der Ukraine,
die seit über zwei Jahren schweren russischen Angriffen ausgesetzt sind;
für alle Toten und Verletzten dort;
für die politisch Verantwortlichen und alle,
   die die Ukraine weiter unterstützen;
für die vielen Menschen weltweit, die unter Krieg und Bürgerkrieg leiden;
für alle, die im Alltag des Krieges
   sich für den Frieden einsetzen.

Gott, du Freund des Lebens. Wir bitten dich, erhöre uns.

Wir beten für alle, die an die Auferstehung glauben,
aber auch für alle, die mit dieser Botschaft nichts anfangen können;
für die vielen Menschen, die mit Sorge in die Zukunft schauen;
für Menschen, deren Lebenspläne zerplatzt sind.

Gott, du Freund des Lebens. Wir bitten dich, erhöre uns.

–Wir beten zum Schluss auch für alle,
die einen geliebten Menschen verloren haben
   und mit dem Verlust nur schwer leben können.

Und für alle, die sich bemühen, ihnen Trost und Hoffnung zu schenken.

Gott, du Freund des Lebens. Wir bitten dich, erhöre uns.

Vater unser

Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

 

Segen

Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr erhebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.