Motettenansprache über Lk 8 zur Kantate BWV 18 "Gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt"
- 17.02.2017
- Pfarrer Hundertmark
Motettenansprache am 17.2.2017 zur Bachkantate BWV 18 „Gleichwie der Regen und Schnee…“, Thomaskirche zu Leipzig
Am Ende wird die Ernte gut sein, liebe Motettengemeinde.
So erzählt Jesus von Gott, der uns Menschen zutraut, dass seine Frohe Botschaft aufgeht und fruchtbar wird. Reichlich teilt Gott aus. Reichlich empfangen wir als seine Menschenkinder diese Frohe Botschaft. Damit sie zu einer solchen wird, braucht es den guten Ackerboden.Und genau hier liegt das Problem. Christen sind nicht per se der gute Ackerboden. Als Mensch trage ich den vierfachen Acker vielmehr in mir, mit Disteln und Dornen, mit felsigen Steinbrocken, dürrem Grund und gutem, fruchtbaren Boden. Die vierte Strophe des Nachtwächterliedes bringt es auf den Punkt:
Hört, ihr Leut, und lasst euch sagen: unsere Glock hat vier geschlagen!
Vierfach ist das Ackerfeld;
Mensch wie ist dein Herz bestellt?
1.) Zertretene Hoffnung
Ein Viertel meines Lebens ist bestimmt von Hoffnungen, die zertreten werden. Noch ehe die Saat der Liebe und Zuwendung aufgehen kann, noch ehe die Idee zu Ende gedacht ist, da kommt jemand und zerstört alles. Jesus nennt diesen Zerstörer „Diabolos“ – Teufel. Für Martin Luther und seine Zeitgenossen war der Teufel ganz konkret in der Gestalt des Papstes und dem muslimischen Türckenheer greifbar. Nur auf dieser historischen Hintergrundfolie lässt sich der Text im Rezitativ heute überhaupt noch singen. Inhaltlich gehört er gestrichen. Der Diabolos also hat kein Gefallen an der guten Ernte, sondern lässt die Saat durch die Vögel auffressen. Die Vögel stehen in diesem Gleichnis für die äußeren Einflüsse. Zahlreich sind sie und bestimmen mein Leben zu einem Viertel. Zu einem Viertel, dass am Ende ohne Ergebnis da steht.
Ich bin mir sicher, jede und jeder kennt die Erfahrung, dass da irgendwie von außen etwas in meine Lebenspläne eindringt und alle Kraft, Saat Gottes, alles Vertrauen auf ihn auffressen will. Dabei brauche ich doch die Kraft Gottes. Ich brauche sie, um mein Leben nicht allein an vergänglichen Dingen festmachen zu müssen. In einer Welt und Gesellschaft, die sich leicht beeinflussen lässt, weil alles einfließt in das eigene Leben, wo Politik über Kurznachrichtendienste gemacht wird, wo Orientierung immer schwieriger wird, wo mit vermeintlich einfachen Antworten, die Alternative aufgezeigt wird, tut es gut, wenn die Vögel nicht so zahlreich am Lebenswegesrand warten, um die gute Saat wegpicken zu können. Jesus sagt: Bleibt beharrlich und schaut vom Ende her auf euer Leben. So wird es leichter, auch die Abschnitte auszuhalten, in den das Gefühl überhandnimmt, alles, was in irgendeiner Weise Frucht bringen könnte, wird weggepickt.
2.) Auf der Sonnenseite des Lebens
Wo der Nährboden nicht nachhaltig ist, führt schnelles Wachstum in die Katastrophe. Die unterschiedlichen Krisen des letzten Jahrzehnts im Finanzsektor, in der Staatenfinanzierung oder in Unternehmensvorständen habend uns gezeigt: Nur mit Substanz lässt sich nachhaltig ein Mehrwert schaffen, von dem viele etwas haben. Auf das eigene Leben übertragen heißt das:
Bin ich immer auf der Sonnenseite des Lebens, trocknet die Seele aus und mit ihr geht der Lebenssaft verloren bzw. mit den Worten der Kantate gesprochen: „Ein Andrer sorgt nur für den Bauch; inzwischen wird der Seele ganz vergessen. Der Mammon auch hat vieler Herz besessen.“
Und dann? Dann stirbt alles ab.
3.) keine Luft zum Atmen
„Mir wächst das alles über den Kopf“, wird mir manchmal erzählt. Ein Bild für Überforderung und ein Bild für Ängste, die Zukunft nicht mehr bewältigen zu können. Wie Dornen stechen diese Ängste ins Leben hinein, lassen die Hoffnungen verbluten. Wie Disteln überwuchern die Sorgen um Familie, um genügend Einkommen und Auskommen jegliche Kreativität. Neues kann nicht entstehen. Die Kraft fehlt. Keine Luft mehr zum Atmen. Alle Dynamik erstickt im Alltäglichen. Auch das macht ein Viertel meines Lebens aus. Ein Viertel, das aus dem Sorgen für und der Sorge um das Leben besteht. Wie soll da noch Freude aufkommen? Geschweige denn Platz sein für die Frohe Botschaft des liebenden Gottes?
Wo Sorge und Angst schneller wachsen als der Halm des Lebens, droht jegliches Leben zu ersticken. Ein Viertel des Lebens nur Sorge. Auch Sorge, dass ich etwas verpassen könnte an Lebensfreude und deshalb alles mitnehme, ohne Rücksicht auf Verluste. Die Disteln stechen dann unangenehm in meine Lebensbilanz und verursachen Schmerzen.
4.) Ende gut alles gut?
Ja, natürlich, auch wenn das märchenhaft klingt. Am Ende wird es gut werden. Die Choralstrophe formuliert es so: „Wer sich nur fest darauf verlässt, der wird den Tod nicht schauen.“
Der himmlische Vater, liebe Motettengemeinde, teilt immer wieder aus, auch in Krisenzeiten, in allgemeinen und persönlichen. Er macht das, weil er weiß, soviel auch verloren geht, die Ernte wird gut werden. Das macht Mut. Wachsen gegen den Trend. Hoffen gegen die Hoffnungslosigkeit mit der Gewissheit im Herzen: Gottes Botschaft ist letztlich immer wieder eine Frohe Botschaft, die Frucht bringt - auch in mir! Amen.
Gebet
Guter Gott,
wir vertrauen uns Dir an, wenn wir zu Dir beten und bitten Dich:
- für alle, denen es momentan zu viel wird, deren Sorgen und Ängste so stark wuchern, dass deine Botschaft nicht mehr durchdringen kann. Hilf ihnen durch uns, dass dein Evangelium auch sie erreicht.
- für alle, die schnell äußeren Einflüssen und Einflüsterungen erliegen, denen die innere Kraft fehlt, um populistischen Lösungen widerstehen zu können. Stärke sie, damit deiner Liebe mehr vertraut wird als den Neidgefühlen.
- für alle, die am Ende der Woche Bilanz ziehen über ihr Tun. Lass sie nicht verzweifeln, wenn Dinge nicht gelingen konnten und erde sie, wo der eigene Verdienst höher geachtet wird, als das Geschenk deines Segens zu unserem Tun. Wofür wir keine Worte finden für unsere Anliegen, beten wir mit den Worten deines Sohnes. Vater unser……
Pfarrer Martin Hundertmark (hundertmark@thomaskirche.org)