Motettenansprache über 1 Thess 4,13-18 / Kantate „Es reißet euch ein schrecklich Ende“
- 16.11.2024
- Jens Sommer
Liebe Motettengemeinde!
„Es reißet euch ein schrecklich Ende, ihr sündlichen Verächter, hin.“
heißt es gleich in der Kantate, 1. Arie und dann im Rezitativ:
„Ach! wird dein Herze nicht gerührt? daß Gottes Güte dich zur wahren Buße leitet?“
Wird uns da gleich gesungen, dass wir aus Angst gut sein sollen?
Na wenn schon nicht von alleine,
dann wenigstens mit der Strafe im Rücken aus Angst.
Ist das – im wahrsten Sinn des Wortes - zu glauben?
Ist das unser Glaube?
Halten wir uns da nicht lieber an die Lesung, die wir gerade gehört haben:
- Die Auferstehung für alle.
- Letztes Fünkchen Hoffnung?
Aber ist das nicht Vertröstung?
Kantate und die Lesung - Beides ist wahr.
Das „schrecklich Ende“, das in der Kantate besungen wird,
ist das, was wir uns ganz alleine bereiten:
Folgen von Hass, Lieblosigkeit, Krieg,
Zerstörung der Natur.
Tod, Schrecken, Hoffnungslosigkeit.
Dafür braucht es Gott nicht - das schaffen wir alleine.
Die Arie hält uns vor Augen, welche Folgen es hat, wenn wir auf diesem Weg weitermachen.
Denn diese Erfahrung haben wir:
Gott greift nicht ein, um unsere Taten zu verhindern.
Die Kriege gehen weiter, wenn Menschen das wollen.
Beenden können das nur … wir Menschen.
Und wenn nun das Rezitativ fragt:
„Ach! wird dein Herze nicht gerührt?
Daß Gottes Güte dich zur wahren Buße leitet?“
Dann ist das ein Appell an unsere Möglichkeit umzukehren.
Gottes Güte? Was ist das?
Wir hörten es in der Lesung:
„Wir wollen euch über die Verstorbenen nicht in Unkenntnis lassen,
damit ihr nicht trauert, wie die anderen, die keine Hoffnung haben.
Wir werden mit Jesus auferstehen und immer beim Herrn sein.“
Aber war das nicht die Vertröstung?
Wenn mir jemand Freundschaft und Nähe anbietet,
habe ich zwei Möglichkeiten:
Entweder das Angebot anzunehmen,
diesem Menschen zu glauben
und Erfahrungen dieser Freundschaft zu machen
oder abzulehnen, weil ich der Meinung bin, dass das nicht stimmt.
Beweisen kann ich Freundschaft nicht.
Beweisen kann ich auch die Güte Gottes nicht oder dass Paulus Recht hat, der uns nicht darüber in Unkenntnis lassen wollte, dass die Verstorbenen für immer beim Herrn sind.
Aber ich habe die Möglichkeit, mich den Zeugnissen der vielen Menschen anzunähern,
die von dem Glauben an die Güte Gottes überzeugt waren
und ihn als Trost – nicht als Vertröstung empfunden und gelebt haben.
Sie halten den Glauben nicht einfach intellektuell für wahr oder nicht, sondern in ihrem Leben.
Oder in ihrem Sterben.
Sicher können Sie Menschen aufzählen,
kennen sogar welche,
die diesen Glauben hatten und in ihm geborgen waren oder noch sind. Vielleicht sind sie selber in diesem Trost geborgen.
Spinnen die alle?
Ich denke eher: Sie haben das Angebot dieser Auferstehungszusage angenommen und machen nun die Erfahrung, dass das trägt als Trost.
Vertröstung wäre: Dieses Leben nicht ernst nehmen und auf ein besseres Jenseits warten. Die Welt sich selber überlassen.
Und was kann Trost?
Die Perspektive auf das Leben ändert sich.
Noch einmal das Rezitativ:
„Ach! wird dein Herze nicht gerührt?
Daß Gottes Güte dich zur wahren Buße leitet?“
Nicht aus Angst vor Strafe, sondern aus dem Vertrauen,
dass ich längst gerettet bin,
unsterblich, zur Auferstehung geschaffen,
für immer beim Herrn,
kann ich es mir leisten, nicht länger aus der Angst um mich zu leben.
Im Hier und Jetzt:
Nicht mehr aus der Angst leben, zu kurz zu kommen.
Ich kann teilen, Grenzen öffnen, Gemeinschaft leben, Frieden schließen, nachgeben - selbst wenn es etwas kostet.
Ich kann damit anfangen.
Denn das ewige Leben habe ich ja schon, den Sechser im Lotto.
Die Redensart: man kann nichts mitnehmen – wörtlich nehmen.
Ja genau: Jetzt schon hier teilen, damit diese Welt besser wird.
Das alles aus der Freude, dass ich aufgehoben bin in Gott.
Das ist nicht Vertröstung, sondern Trost, aus dem ich handle.
Die Kantate weiß das auch: Denn im letzten Rezitativ hören wir gleich:
„Doch Gottes Auge sieht auf uns als Auserwählte“
Wir sind geborgen. Gottes Auge sieht auf uns als Auserwählte.
Auserwählt sind grundsätzlich alle Menschen, wenn sie es nur wollen.
Alle.
Sie sollen nicht in Unkenntnis bleiben - wie wir in der Lesung gehört haben.
Es gilt also beides:
*Das schreckliche Ende, das wir uns bereiten,
wenn wir aus der Angst um uns leben und unsere Schäfchen auf Kosten anderer ins Trockene bringen.
*Trostmenschen könnten zumindest dagegenhalten,
dass die Gewalt nicht noch mehr hoffähig wird,
Dinge tun,
die dem entgegenwirken:
den Frieden für wahr halten,
Nachgeben für eine Option halten,
den ersten Schritt tun,
Änderung eines Menschen für möglich halten.
Sie werden eigen Ideen haben.
Denn: wir sind längst geborgen.