Motettenansprache Kantate "Seid nüchtern und wachet"

  • 01.04.2017
  • Pfarrer Hundertmark

Motettenansprache zur Kantate von G. P. Telemann „Seid nüchtern und wachet“ TVWV 1:1274

am 01.04.2017 um 15 Uhr St. Thomas zu Leipzig

„Wenn ihr angefochten werdet, durch Trübsal und Verzweiflung oder durch eine Gewissensnot, dann esst, trinkt, sucht Unterhaltung wenn euch die Gedanken an ein Mädchen aufhelfen, so tut so.“ Martin Luther

Liebe Thomasser,

für die beginnenden Abiturprüfungen ist der von Martin Luther gut gemeinte, durch Lebens- und Glaubenserfahrungen geprägte Ratschlag vielleicht nicht die idealste Vorbereitung. Trotzdem beschreibt er einen Umgang mit Anfechtungen, der hilfreich sein kann, um sich von Gewissensnöten nicht gefangen nehmen zu lassen. Dem Teufel, als Symbol der Versuchung, lässt sich am besten mit Fröhlichkeit und Lebensfreude begegnen. Wobei ein Zuviel auch wieder problematisch werden kann, wie wir ebenfalls bei Luther lesen können, wenn er den Teufel beschreibt. „Es muß ein jeglich Land seinen eigenen Teufel haben, Welschland seinen, Frankreich seinen. Unser deutscher Teufel wird ein guter Weinschlauch sein und muß Sauf heißen, daß er so durstig und höllisch ist, der mit so großem Saufen Weins und Biers nicht kann gekühlt werden.“ Martin Luther

Hierzu wird wohl jeder einen individuellen Erfahrungsschatz beitragen können. Ob nun der Teufel mit zu vielen Saufen oder Fressen beschrieben wird, mit dem Verzehr zartschmelzender Schokolode oder mit Trübsinnigkeit, bleibt letztlich unerheblich. Erheblich ist vielmehr, was er anstellt. Er bringt Dinge durcheinander. Sein neutestamentlicher Name ist hierbei Programm.

Diabolos – Durcheinanderwirbler wir er dort genannt. Der Diabolos möchte den Menschen verunsichern, um ihn von dem, der ihm Sicherheit geben kann, wegzuführen. Mögen Zerstreuung und Fröhlichkeit eine Variante sein, dem Diabolos im Zaum zu halten.

Ein anderer Umgang wird in der gleich zu Gehör kommenden Kantate von Georg Philipp Telemann, in der das Thema „Versuchung“ als Zentralmotiv steht, beschrieben. Dort heißt es im Dictum:

„Seid nüchtern und wachet, denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher, wie ein brüllender Löwe, und suchet welchen er verschlinge. Dem wiederstehet fest im Glauben.“

Welches perfide Spiel der Teufel treibt, lässt sich allenthalben erleben. Sein Ziel, die Trennung des Menschen von dem, was ihm durch Gott begegnet – Liebe und Güte, Würde und Menschlichkeit, verfolgt er gnadenlos und mit allen Mitteln. Ist es nicht ein Ausdruck seines Wirkens, wenn Populisten mit vermeintlich einfachen Wahrheiten die Menschen durcheinanderbringen? Viel zu viele lassen sich verführen, indem ihre Ängste bedient werden und sich daraus schnell Zustimmung generieren lässt, wenn plötzlich Schuldige für die eigenen Angst und für den eigenen Mangel an Vertrauen gefunden werden. Der Diabolos treibt uns von Gott fort, wo wir die Würde des Menschen nicht mehr achten, wo wir unterscheiden zwischen denen, die uns genehm sind und denen, die Hilfe brauchen.

Und dort, wo die höllische Macht sich in den Gedanken ausbreitet, ihnen einzureden versucht, sich nicht des eigenen Verstandes, sondern lieber der Führung durch andere anzuvertrauen, da muss der Hilferuf des Angefochtenen aus der Tenor-Arie ertönen „Sprich mir zu aus deinem Wort, treib die bösen Geister fort, dass ihr Gift mich nicht verletzet.“

Gott hat uns mit unserem Menschsein die Freiheit geschenkt, in Verantwortung für unser Leben und als Menschen füreinander einzustehen. Das wiederspiegelt sich im Schöpfungsauftrag. Durch Jesus Christus werden wir dabei seelsorgerlich begleitet. Deshalb ist alles, was die Freiheit eines Christenmenschen mit dem Verweis, „ich kann besser für dich entscheiden als du es vermagst“ einschränken will, diabolisch. Die Fürsten der Welt lassen sich gerne zum Werkzeug des Diabolos machen und wollen uns genau diese Freiheit nehmen. Sie wollen uns binden an materielle Güter, wollen sie zum Ersatzgott machen oder wollen uns einreden, selber Gott sein zu können. All das wird in die Katastrophe führen, wie die deutsche Geschichte mit ihren beiden Diktaturen des letzten Jahrhunderts gezeigt hat.

„Seid nüchtern und wachsam“ – das gilt gleichermaßen als Programm für ein friedliches Zusammenleben in Freiheit und Verantwortung verschiedener Menschen in einer Stadt oder einem Land.

Der Teufel wird dort keine Chance haben, wo wir uns vergewissern, an wen wir gebunden sind – allein an Jesus Christus. Denn in den entscheidenden Momenten meines Lebens, tritt er hervor, steht mir zur Seite und steht für mich ein, wenn er sagt: „Du bist mein, ich erlöse dich“ aus allen Verstrickungen, die der Diabolos geknüpft hat. Solch ein Wörtlein wird viel mehr Kraft entwickeln als all die Möglichkeiten, mit denen der Teufel virtuos umzugehen weiß. Der Glaube jedoch an dieses Wort ist „des Satans Gift und der Höllen Mord“ wie in der Bass-Arie besungen wird.

Zum Schluss

Liebe Motettengemeinde, fröhliche Leute, vertreiben am ehesten den Durcheinanderwirbler. Denn in einem fröhlichen Herzen und Geist ist kein Platz für die dunklen Gedanken. Wie wird man nun aber fröhlich, wenn gar nicht danach zu Mute ist? Ein letzter Blick für heute auf Luther, wenn er schreibt:

„Die Musik ist eine Gabe und Geschenk Gottes, die den Teufel vertreibt und die Leute fröhlich macht.“ Martin Luther
AMEN.

Pfarrer Martin Hundertmark (hundertmark@thomaskirche.org)