Motettenansprache

  • 04.01.2025
  • Jens Sommer

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Lesung aus dem Evangelium nach Matthäus  (Kapitel 2, Verse 1-6)

Da Jesus geboren war zu Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, ihn anzubeten. Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem, und er ließ zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte. Und sie sagten ihm: Zu Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten: »Und du, Bethlehem im Lande Juda, bist mitnichten die kleinste unter den Fürsten Judas; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.


Ist das zu glauben?

Weihnachten, die Geburt des menschgewordenen Gottes?
Gott, den das Volk Israel schon lange kennt,
der sei in Jesus Mensch geworden und habe auf Augenhöhe mit uns kommuniziert.
Er sei gekreuzigt worden und auferstanden.
Daraufhin haben sich Gemeinden gegründet, die daraufhin Jesus den Auferstandenen weitersagen, der 
 - laut dieser ersten Christen – mit allen Menschen Gemeinschaft haben möchte für immer.
Selbst der Tod ist dafür keine Grenze.

Ist das zu glauben? 

Menschen tun das seit etwa 2000 Jahren. Haben sie dafür Beweise?

Wir sind noch mitten in der Weihnachtszeit.
Wir hören heute gesungene Texte zur Darstellung der Geburt, wie sie Lukas erzählt.
Es wird in der Kantate besungen: Jesus in der Krippe, Hirten auf dem Feld, Engel, die zu ihnen sprechen.
In der Lesung hörten wir die Version des Matthäus: Sterndeuter, die bei Herodes nach dem Kind fragen.
Die Krippe kommt bei Matthäus nicht vor.

Ist das zu glauben? Und dann auch noch verschiedene Geschichten zur Geburt?

Der Evangelist Markus fängt erst beim erwachsenen Jesus an, als er von Johannes getauft wird.
Die Geburt erzählt er gar nicht.
Der Evangelist Johannes schreibt zu Beginn: Im Anfang war das Wort, das Wort war bei Gott und das Wort ist Fleisch (Mensch) geworden.
Drei Versionen bei vier Evangelisten. Was stimmt nun?
Und wenn wir uns eine Krippe in einer Kirche oder zu Hause ansehen, dann haben wir eine vierte Version:
Statt Sterndeutern sind es Könige. Und diese gehen zur Krippe. So erzählt das die Bibel nicht.
Die Geschichte von Lukas mit der Krippe kennt keine Könige oder Sterndeuter und die Geschichte von Matthäus mit den Sterndeutern kennt keine Könige und keine Krippe. Sterndeuter gehen dort in ein Haus und treffen Maria und Josef und das Kind.

Was stimmt nun?

Es stimmt alles – wenn auch nicht so, wie wir das mit unserem naturwissenschaftlichen Denken gerne hätten. Denn Hand aufs Herz: Was wäre gewonnen, wenn wir genau wüssten, wo die Krippe gestanden hätte oder welchen Weg die Sterndeuter genau genommen haben?
Wüssten wir dann, ob Gott Mensch in Jesus geworden ist?

In der Predigtausbildung bekamen wir gesagt (mit zwinkerndem Auge):
Viele Menschen würden es nicht merken, wenn Sie jeden Sonntag dasselbe predigen. Aber Geschichten … die dürfen Sie nicht wiederholen. Die behalten die Menschen.
Jesus wusste das: er benutzte Bilder und Gleichnisse, um das Reich Gottes zu erzählen:
Der barmherzige Samariter, der verlorene Sohn,
die 99 Schafe, die ein Hirte alleine lässt, um das eine zu suchen. Bekannt. Noch heute.

Und so erzählen auch Lukas und Matthäus ihre Geschichte zur Geburt:
Jesus wird in Armut geboren in einer Krippe, bei den Letzten der Gesellschaft, den Hirten.

Oder: Jesus wird für die ganze Welt geboren. Daher die Sterndeuter aus dem Ausland, die sich für ihn interessieren.
Daraus wurden später Könige  - (was aber nicht in der Bibel steht),
Könige, die aus den damals bekannten drei Kontinenten kamen und deshalb auch so dargestellt wurden.
Was Jesus ausmacht wird erzählt.

Johannes kommt es darauf an:
Von Anfang an hat Gott an uns gedacht,
will mit uns Kontakt und kommt selber,
als Mensch, um uns auf Augenhöhe zu begegnen und uns seine Gemeinschaft anzubieten.
Das Wort Gottes wurde Mensch – Fleisch.
Nicht machtvoll kommt Gott, sondern in der menschlichen Begegnung. Wir können auch ablehnen.

Und er kommt arm – ohne Privilegien. Das betont Lukas.
Gerade die, an die niemand denkt, sollen es zuerst wissen.
Da, wo es dunkel ist – draußen bei den Hirten – sind Engel und singen, es leuchtet der Himmel.

Und Matthäus betont, dass Gott in Jesus für die ganze Welt gekommen ist.
Nicht nur für sein Volk, mit dem er schon seit Abraham unterwegs ist.
Die Sterndeuter kommen aus dem Ausland und fühlen sich eingeladen, nehmen Anteil. 

Was stimmt?

In einer Geschichte lässt sich das, worum es geht, vielleicht besser transportieren als in nüchternen Sätzen.

Und ist das zu glauben oder Wunschtraum, Erfindung, Illusion?

Warum glauben Liebende an die Liebe?

Nicht so sehr, weil sie etwas darüber gelesen, sondern weil sie Erfahrungen mit ihr gemacht haben.
Seit Jahrhunderten gibt es Menschen, die Erfahrungen mit dem Glauben an Gott,
seine Einladung in seine Gemeinschaft gemacht haben.
Sie können erzählen, welche neue Perspektive sich auf ihr Leben eröffnet hat.
Vielleicht ja auch durch die Musik heute, die von diesem Glauben erzählt.

Jens Sommer