Motettenansprache BWV 80 "Ein feste Burg ist unser Gott"

  • 27.05.2017
  • Pfarrer Hundertmark

Ansprache zur Motette mit Aufführung der Bachkantate „Ein feste Burg ist unser Gott“ BWV 80 am 27.5.2017 im Rahmen des Kirchentages auf dem Weg

Liebe Motettengemeinde,

In großen Buchstaben prangen die Anfangsworte aus Luthers Choral am Schlosskirchenturm von Wittenberg, weithin sichtbar für alle Besucher, die sich dorthin auf den Weg machen.

„Ein feste Burg ist unser Gott.“

Für viele Menschen ist es der Lutherchoral schlechthin, gesungen in Zeiten der inneren und äußeren Anfechtung und Bedrängnis als mutiges Zeichen: Wir werden nicht untergehen, sondern mit Jesus Christus den Versuchungen widerstehen.

Vielleicht hatte Luther die Wartburg vor Augen, jenen Ort, der ihm Schutz bot und Zeit gab, die Bibel zu übersetzen. Wer sich der Wartburg von ferne nähert, wird an diesem Gedanken sicherlich Gefallen finden. Sie thront uneinnehmbar über dem Land und über der Stadt Eisenach.

Sich eines Zufluchtsortes sicher zu sein ist ungemein hilfreich im unwirtlichen Alltag voller Feindseligkeiten. Der alt böse Feind war für Luther die katholische Kirche mit dem Papst als für ihn personifizierten Teufel der Gegenwart. Das, liebe Motettengemeinde, haben wir nach 500 Jahren überwunden, auch wenn es noch viel Trennendes zwischen den Konfessionen gibt.

Heute treibt der alt böse Feind sein Unwesen indem er sich der Gläubigen bemächtigt und ihnen einzureden versucht, ihren Glauben ja nicht so stark nach außen zu zeigen, um niemanden zu stören. Er bestärkt sie darin, auf ihrem Glaubensweg mit profillosen Reifen zu fahren, weil man so schneller vorwärts kommt. Doch kaum, dass es regnet auf der Straße des Lebens, gerät dann dieses Gefährt ins Schlittern und Schlingern. Diesem Feind zu widerstehen, scheint das Gebot der Stunde. Ein Kirchentag könnte dafür Impulsgeber sein, wenn, ja wenn er nicht selber der Gefahr erliegen würde, sich seines Profils zu berauben. Die Christen auf der ganzen Welt sind eingeladen, ein Christusfest in Wittenberg zu feiern. Was soll das denn, liebe Gemeinde? Feiern wir nicht jeden Sonntag Christusfest als Erinnerung an die Auferstehung des Herrn?

Und da steckt sie wieder die Angst, anderen auf den konfessionellen Schlips zu treten. Nur, weil man Sorge hat, dass sich die katholischen Glaubensgeschwister ausgeladen fühlen, wenn wir Reformationsfest feiern, wird alles weichgespült? Ökumene können wir nächstes Jahr wieder voranbringen.

Ich will als Protestant kein bis zur theologischen Unkenntlichkeit weichgespültes Christusfest feiern. Ich will ein Reformationsfest feiern, welches bei aller kritischen Auseinandersetzung mit Luther, dessen große Verdienste in den Vordergrund rückt:

  • die Wiederentdeckung der Freiheit durch die Gnade eines uns grundsätzlich wohlgesonnenen Gottes.
  • die Rückbesinnung auf Jesus Christus alleine, der für uns streiten und siegen wird
  • die Ermutigung zum Glauben und zur Liebe und -die Bestärkung, selber die Bibel kritisch zu lesen, um Gottes Wort zu entdecken, darüber zu streiten und es wirksam werden zu lassen.

Wo das beherzigt wird, gehen Impulse um die Welt. Dafür brauchen wir nur ein kleines Stück von jenem Mut, der Luther vor Kaiser und Papst hat treten lassen, um sein Bekenntnis abzulegen. Trauen wir uns das zu? Ja, liebe Motettengemeinde, weil Gott es uns zutraut.

„Der Fürst dieser Welt, wie saur er sich stellt. Tut er uns doch nicht, das macht, er ist gericht´. Ein Wörtlein kann ihn fällen.“

Und wenn uns die Zweifel übermannen, so wie bei Martin Luther oft geschehen? Dann brauchen wir ihnen nicht zu erliegen, sondern nehmen die Musik von J. S. Bach, lassen uns von ihr trösten und stärken, wenn z. B. der Tenor in der Kantate singt:

So stehe dann bei Christi blutgefärbten Fahne,

o Seele, fest

und glaube, daß dein Haupt dich nicht verläßt,

ja, daß sein Sieg

auch dir den Weg zu deiner Krone bahne!

Tritt freudig an den Krieg!

Wirst du nur Gottes Wort

so hören als bewahren,

so wird der Feind gezwungen auszufahren,

dein Heiland bleibt dein Hort!

Den Heiland Jesus Christus ins Herzenshaus einzuladen – für mich ist das das schönste und eindrücklichste Bild aus der heutigen Kantate. Mit diesem Bild kann ich mich auf den Weg zu den Menschen machen.Tragen wir unser Christsein in die Welt.

Erzählen wir den Menschen, wie unser Gott zu uns ist – freundlich durch Jesus Christus, der Ordnung macht im Herzenshaus und alle lebensfeindlichen Kräfte dort hinausfegt.

Zeigen wir den Menschen sein Kreuz als großes Zeichen der Hoffnung, dass die Liebe am Ende allen Hass besiegt und sogar den Tod überwinden wird. Wagen wir es mit Luther, der schreibt:

"Glaube ist eine lebendige, verwegene Zuversicht auf Gottes Gnade. Und solche Zuversicht macht fröhlich, mutig und voll Lust zu Gott und allen Geschöpfen."

„Ein feste Burg ist unser Gott!“

In großen Buchstaben möge dieses Glaubensbekenntnis über unserem Leben prangen, vergoldet durch Jesus Christus, wetterbeständig und für alle weithin sichtbar. Amen

Martin Hundertmark, Pfarrer an der Thomaskirche zu Leipzig (hundertmark@thomaskirche.org)