Motettenansprache BWV 232 Credo

  • 19.05.2018
  • Pfarrer Hundertmark

Motettenansprache zum Credo aus der h-Moll Messe von J. S. Bach BWV 232 am 19.5.2018, St. Thomas zu Leipzig um 15 Uhr

Liebe Motettengemeinde,

mit unvergleichlicher Genialität hat Johann Sebastian Bach in seinem wohl größten Werk, der h-Moll Messe, sich ausführlich dem Credo gewidmet. Auf der Grundlage des altkirchlichen Glaubensbekenntnisses von Niccäa, unterstreicht er musikalisch, was in jenem theologisch entfaltet wird.

Für Kaiser Konstantin war nach überstandenen Machtkämpfen mit Maxentius und dem Mailänder Toleranzedikt von 313 die Einheit des nun sich auch offiziell entfaltenden Christentums zwölf Jahre später in großer Gefahr. Denn es entbrannte ein theologischer Streit darüber, in welchem Verhältnis Gott Vater und Sohn Jesus Christus zueinander stehen. Auf der Synode von Niccäa im Jahre 325 entstand gewissermaßen als Schlussdokument jenes Symbolum, welches Grundlage für viele Messkompositionen wurde, so auch bei Bach. Der berühmte Thomaskantor hatte dessen Theologie sehr tief verinnerlicht und interpretiert sie musikalisch.

Zu Beginn wird Gott als der allmächtige Schöpfer des Universums bekannt. Bach verwendet dafür die Zahl sieben als vollendete Zahl der Schöpfung, indem er eine Melodie aus sieben Noten gestaltet. Der Universalgedanke war den altkirchlichen Vätern bewusst, von daher steht hier im Glaubensbekenntnis „sichtbar“ und „unsichtbar“ und damit ist der Beginn des Bekenntnisses gleichermaßen auch zeitlos.

Der Mittelabschnitt erzählt das Christusgeschehen. Schwer vorstellbar war zu allen Zeiten, wie das gehen soll – wahrer Mensch und wahrer Gott in einer Person Jesus Christus? Mit der Metapher vom Licht, bauen uns die altkirchlichen Theologen eine Brücke für den Verstand, der doch ergründen möchte, was das Herz gerne glaubt. Christus ist Licht vom Licht, und wahrer Gott vom wahren Gott und eines Wesens mit diesem Schöpfer-Gott-Vater, dessen Kraft Licht in dunkles Chaos vor allem Leben brachte. Im Duett von Sopran und Alt veranschaulicht Bach mit einer kanonischen Komposition der beiden Stimmen – zwei Personen in einem Wesen. Sie sind verschieden und doch wesensgleich und verdeutlichen so den Glaubenssatz vom wahren Menschen und wahren Gott Jesus Christus.

Die Sätze vier bis sechs sind stark angelehnt an die Theologie wie wir sie im Johannesevangelium finden. „Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort“ heißt es dort zu Beginn. Wenige Verse weiter „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns. Und wir sahen seine Herrlichkeit; eine Herrlichkeit als des eingeboren Sohnes vom Vater“.

Das Wort Gottes ist in der himmlischen Sphäre bei Gott und steigt von dort herab auf die Erde. Im vierten Satz bringt Bach das musikalisch zu Gehör, indem die absteigende Dreiklänge komponierte. Die Moll-Tonart lässt erahnen, dass die Menschwerdung Gottes nur zu einem Ziel geschah: Uns Menschen durch den Kreuzestod Christi zu erlösen. So scheint über der Krippe immer auch das Kreuz im Hintergrund.

Der fünfte Satz bildet das Herzstück im Credo. Im vorangestellt sind 4 Sätze und ebenfalls 4 Sätze folgend ihm. Für Christen steht das Kreuz Jesu im Mittelpunkt ihres Glaubens. Es ist zugleich Symbol des Leidens und der Hoffnung - vielen ein Ärgernis und manchen auch eine Torheit, wie es der Apostel Paulus im Korintherbrief schreibt.

Wo Kreuze sinnentleert oder für parteipolitische Spielchen missbraucht werden bedarf es des christlichen Einspruchs genauso wie dort, wo sie aus falsch verstandener Toleranz versteckt werden sollen. Ein weiterer entscheidender Gedanke ist dem Kreuz ebenfalls immanent:

Es kündet von der für den menschlichen Verstand unvorstellbaren Liebe Gottes, die sogar über den Tod hinaus ihre Wirkung und Kraft entfaltet. Somit wird uns Menschen eine ganz neue Perspektive eröffnet. Wir sind erstens durch Christus befreit von allem, was uns von Gott trennen kann. Und zweitens haben wir eine Hoffnung die sich nicht irdisch begrenzen lässt, sondern bis in die Ewigkeit Gottes reicht.

Musikalisch nimmt Bach die dunklen Töne des Todes und Leidens im Cruzifixus-Satz auf. Somit wird der Karfreitag als Tag der Kreuzigung beschrieben. Mit den Worten „et sepultus est“ – und ist begraben- geschieht dann die musikalische Wende hin zur hellen Dur-Tonart.

Ein Verstummen am Ende besiegelt die Grablegung. Aber am Horizont leuchtet schon das Osterlicht, welches sich musikalisch im festlichen Ressurrexit-Satz seine Bahn bricht. Das größte Fest der Christen, die Auferstehung Jesu, die eingelöste Verheißung, muss mit allem, was möglich ist, die Hörer in den Bann ziehen.

Plötzlich und mit großer Kraft kann sich Hoffnungslosigkeit in Zuversicht wandeln.

Theologisch dafür zuständig ist die Kraft Gottes, welche vom Anbeginn der Zeiten unter uns wirkt – der Heilige Geist als dritte Säule der Trinität. Bach komponierte die vom Heiligen Geist erzählende Bass-Arie mit drei Kreuzen und unterstreicht dadurch die Einheit von Gott Vater, Sohn Jesus Christus und Heiligem Geist. Anders als im Apostolischen Glaubensbekenntnis, das Vielen geläufiger ist, wird hier im Abschnitt auch der Bogen zum Alten Testament gespannt. Gottes Geist, seine Kraft spricht durch die Propheten, macht lebendig gestern, heute und in Zukunft. Hin und wieder lässt sich das Wirken von Gottes Geist im eigenen Leben finden. Das bevorstehende Pfingstfest erinnert daran wie die Jünger Jesu plötzlich neue Kraft bekamen, einhergehend mit Mut, sich zu zeigen und vom Evangelium zu erzählen.

Der letzte Satz, ebenso festlich komponiert wie der resurrexit-Satz, lässt uns musikalisch noch einmal erleben, was den Gläubigen erwartet. Die Auferstehung von den Toten und die ewige Festgemeinschaft bei Gott, das Leben in der kommenden Welt ohne Tränen, Leid, in Frieden und Freude. Anders ausgedrückt: Weil ich als Christ weiß, dass das Ende für mich gut ausgeht, kann ich mich im Vertrauen auf Gottes Führung mit aller Kraft einbringen in eine Welt, die noch nicht erlöst ist. Befähigt zum Einspruch, wo andere von Erlösung sprechen, die doch nur Verführung bedeutet, kann von jener Hoffnung erzählt werden, die nachhaltig ist.

Dafür brauchen wir immer wieder den Beistand des Heiligen Geistes und die Fürsprache Jesu.

Amen.