Motettenansprache

  • 10.05.2024
  • Prädikantin Dr. Almuth Märker

Motette Freitag 10.5.2024 – Freitag nach Christi Himmelfahrt

Ansprache

Ein kalter Hauch durchwehte den Kirchenraum. Und obwohl während dieses Gottesdienstes die Sonne des fortgeschrittenen Vormittags durch die Fenster hinter dem Altar schien und die Farben der Buntglasscheiben aufleuchten ließ …, obwohl also die Sonne Gelegenheit hatte, einen vielfarbigen Teppich aus Licht im Kirchenschiff zu weben, schien alles in diesem Moment dunkler, schwerer, wie plötzlich belastet zu sein.

Die Osterkerze war plötzlich aus.

Gestern, im Gottesdienst zu Himmelfahrt war alles seinen gewohnten gottesdienstlichen Gang gegangen: Begrüßung, Gebet, Wochenlied, Lesungen. Doch kurz vor Beginn der Ev.-Lesung baute sich ganz unerwartet die Küsterin im Altarraum auf. Ja wirklich: Sie trat aus der Tür der Sakristei und stellte sich direkt neben Taufstein und brennende Osterkerze. Ich war zunächst hochgradig verwirrt – und mit mir wohl auch andere Gottesdienstbesucherinnen. Hatte die Küsterin vielleicht irgendein liturgisches Instrument vergessen bereitzustellen und wollte es nun, bei laufendem Gottesdienst, noch nachträglich installieren? - Nein! Etwas Versäumtes, Vergessenes hätte sie unauffällig und ohne Aufsehen zu erregen, ergänzt. Doch sie; sie stand gleich einem Bodyguard neben der Osterkerze; sie zog förmlich die Aufmerksamkeit aller auf sich.

Noch begriff ich nicht. Am Kleinen Altar wurde unterdessen das Evangelium verlesen. Doch da! An der Stelle: „Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel.“ stoppte der Lektor, blickte auf und lenkte seinen Blick und damit unsere Blicke in Richtung Osterkerze. Das war der Einsatz der Küsterin, die in diesem Moment die Kerze ausblies.

 

Ein kalter Hauch durchwehte den Kirchenraum.

Alles schien in diesem Moment dunkler, schwerer, wie plötzlich belastet zu sein.

Irgendetwas schien still zu stehen in diesem Augenblick.

Jesus ist weg. Er ist fort. Seine irdische Präsenz hat ihr endgültiges Ende gefunden. Er ist aufgefahren – wie auch immer. (Meinem Enkelkind sagte ich:  nicht mit dem Bus und auch nicht mit einem Zug. Worauf er den Vorschlag machte: 'vielleicht in einer Gondel?') Jesus ist gen Himmel gefahren. Er ist fort. Er ist weg.

 

Liebe Gemeinde, WIE FÜHLT SICH DAS AN?

Wie fühlt es sich an, Jesus nicht mehr unter uns zu wissen?

- Versetzt es uns in panischen Schrecken wie damals, wenn wir in der Kindheit aus dem Schlaf aufschreckten und feststellten, dass die Eltern, dass Mutter oder Vater nicht da sind. Die Babysitterin schon nach Hause gegangen, die Geburtstagsfeier bei Freunden der Eltern noch nicht zu Ende. Angst, Hilflosigkeit, fehlende Orientierung. - Ist es das, was Christi Himmelfahrt in uns auslöst?

Fühlt es sich so an, Jesus nicht mehr unter uns zu wissen?

- Oder lässt es uns kalt? Lässt es uns kalt, ist es uns schnuppe, egal? Ausschlag auf einer emotionalen Skala von Eins bis Zehn: minus zwei? Es lässt uns kalt, wäre eine mögliche Reaktion auf die Feststellung, dass Jesus fort ist. - Circa 90 % der Menschen in Deutschland würden auf die Frage nach Christi Himmelfahrt und damit Weggang mit den Schultern zucken.

Doch bleiben wir bei uns. Legen wir uns selbst die Hand aufs Herz: Wie fühlt es sich an, Jesus nicht mehr unter uns zu wissen?

- Gibt es ein 'erwachsenes Gefühl', mit dem wir auf Jesu Weggang, auf unser Verlassensein und unser Geworfensein reagieren könnten?

Ja! Geworfen sein! Denn wir sind Christinnen und Christen.  Wir glauben an Jesus Christus, der als Mensch geboren wurde, der gestorben ist am Kreuz, der auferstanden ist … und aufgefahren gen Himmel. Als diese Menschen, die so glauben, die VERSUCHEN, so zu glauben, sind wir geworfen … IN DIE Welt.  

In die Welt? Was sollen wir denn in der Welt?!!

„Was ihr getan habt einer von diesen meinen geringsten Schwestern und Brüdern, das habt ihr mir getan.“

Was sollen wir denn in der Welt?

 

Liebe Gemeinde, ich bin sehr froh, dass uns die Musik, dass uns Orgel und Cello in  dieser Motette Gelegenheit bieten, ja dass sie es uns zum Geschenk machen, unsere Gedanken schweifen zu lassen und unser Herz auf die Reise zu schicken: Was sollen wir in der Welt? Wie können wir erwachsen und ohne Panik auf Jesu Weggang antworten?

Wie können wir antworten? - Amen

 

Prädikantin Dr. Almuth Märker

almuth.maerker@web.de