Motettenansprache
- 15.06.2019
- The Rev. Dr. Robert G. Moore
Lesung Matthäus 24,15-28
15Wenn ihr nun sehen werdet den Gräuel der Verwüstung stehen an der heiligen Stätte, wovon gesagt ist durch den Propheten Daniel (Daniel 9,27; 11,31) – wer das liest, der merke auf! –, 16alsdann fliehe auf die Berge, wer in Judäa ist; 17und wer auf dem Dach ist, der steige nicht hinunter, etwas aus seinem Hause zu holen; 18und wer auf dem Feld ist, der kehre nicht zurück, seinen Mantel zu holen. 19Weh aber den Schwangeren und den Stillenden in jenen Tagen! 20Bittet aber, dass eure Flucht nicht geschehe im Winter oder am Sabbat. 21Denn es wird dann eine große Bedrängnis sein, wie sie nicht gewesen ist vom Anfang der Welt bis jetzt und auch nicht wieder werden wird. 22Und wenn jene Tage nicht verkürzt würden, so würde kein Mensch gerettet werden; aber um der Auserwählten willen werden diese Tage verkürzt. 23Wenn dann jemand zu euch sagen wird: Siehe, hier ist der Christus!, oder: Da!, so sollt ihr's nicht glauben. 24Denn es werden falsche Christusse und falsche Propheten aufstehen und große Zeichen und Wunder tun, sodass sie, wenn es möglich wäre, auch die Auserwählten verführten. 25Siehe, ich habe es euch vorausgesagt. 26Wenn sie also zu euch sagen werden: Siehe, er ist in der Wüste!, so geht nicht hinaus; siehe, er ist drinnen im Haus!, so glaubt es nicht. 27Denn wie der Blitz ausgeht vom Osten und leuchtet bis zum Westen, so wird auch das Kommen des Menschensohns sein. 28Wo das Aas ist, da sammeln sich die Geier.
Cantata BWV 116
1. Coro
Du Friedefürst, Herr Jesu Christ,
Wahr' Mensch und wahrer Gott,
Ein starker Nothelfer du bist
Im Leben und im Tod.
Drum wir allein
Im Namen dein
Zu deinem Vater schreien.
2. Aria
A Oboe d'amore solo,
Continuo
Ach, unaussprechlich ist die Not
Und des erzürnten Richters Dräuen!
Kaum, dass wir noch in dieser Angst,
Wie du, o Jesu, selbst verlangst,
Zu Gott in deinem Namen schreien.
3. Recitativo T
Continuo
Gedenke doch,
O Jesu, dass du noch
Ein Fürst des Friedens heißest!
Aus Liebe wolltest du dein Wort uns senden.
Will sich dein Herz auf einmal von uns wenden,
Der du so große Hülfe sonst beweisest?
4. Aria (Terzetto) S T B
Continuo
Ach, wir bekennen unsre Schuld
Und bitten nichts als um Geduld
Und um dein unermesslich Lieben.
Es brach ja dein erbarmend Herz,
Als der Gefallnen Schmerz
Dich zu uns in die Welt getrieben.
5. Recitativo A
Violino I/II, Viola, Continuo
Ach, lass uns durch die scharfen Ruten
Nicht allzu heftig bluten!
O Gott, der du ein Gott der Ordnung bist,
Du weißt, was bei der Feinde Grimm
Vor Grausamkeit und Unrecht ist.
Wohlan, so strecke deine Hand
Auf ein erschreckt geplagtes Land,
Die kann der Feinde Macht bezwingen
Und uns beständig Friede bringen!
6. Choral
Corno e Oboe d'amore I e Violino I col Soprano, Oboe d'amore II e Violino II coll' Alto, Viola col Tenore, Continuo
Erleucht auch unser Sinn und Herz
Durch den Geist deiner Gnad,
Dass wir nicht treiben draus ein Scherz,
Der unsrer Seelen schad.
O Jesu Christ,
Allein du bist,
Der solchs wohl kann ausrichten.
Liebe Bachfest Gemeinde,
die Kantate, die wir gleich hören, wurde von Johann Sebastian Bach im Jahr 1724 am Ende des Kirchenjahrs in November komponiert. Die Lesungen, die den biblischen Hintergrund der Kantate bilden, handeln von der Wiederkehr Jesu am Ende aller Zeit. Nach dem Evangelisten Matthäus wird Jesus die Welt nicht nach menschlichen Maßstäben, Gesetzen und Ordnungen, sondern nach der Barmherzigkeit Gottes richten. Diese Barmherzigkeit, also Gottes Liebe, wird uns Menschen in Jesus offenbart. Das ist das Thema der Guten Nachricht von Jesus Christus: Gott, der die Welt erschaffen hat, liebt die Welt und ist für die Welt da.
Das Problem ist, dass der Mensch dieser Botschaft keinen Glauben schenkt, ihr misstraut. Denn er sieht die Welt nicht von Gott regiert, sondern von Menschen, die Macht ausüben, Angst und Schrecken verbreiten. Wir sind der Überzeugung, dass wir Menschen die Welt beherrschen, ihre Gesetze bestimmen und unser Leben sichern können. Allerdings: Wenn uns die Probleme über den Kopf wachsen, wenn wir mit unseren Ängsten nicht mehr umgehen können, dann suchen wir einen starken Mann, der uns führen kann. Die Geschichte lehrt aber, dass dadurch der Zustand der Welt nicht besser wird. Im Gegenteil, der starke Mann führt uns in die Katastrophe. Wir brauchen nur an die Kriege zu denken, die Verwüstung, Armut, Zerstörung verursachen. So war im Ersten und Zweiten Weltkriegen. So war es im amerikanischen Bürgerkrieg. So war es bei der Völkerschlacht. So war es im 30-jährigen Krieg. Meist ist es dann zu spät für die Erkenntnis, dass der uns durch Gott angebotene Weg, Jesus Christus zu folgen, der bessere, der sinnvollere Weg gewesen wäre. Denn er ist ein Weg des Friedens und der Gerechtigkeit.
Einige der Texte, die Johann Sebastian Bach in der Kantate verwendet, wurden von Jakob Ebert geschrieben. Ebert lebte und arbeitete hauptsächlich in Schlesien in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhundert. Er hat viel von Krieg, Pest und Hunger erfahren. Ebert ruft die Christen auf, sich dem Friedefürst, Jesus Christus zuzuwenden. Dieser Titel, Friedefürst, stammt aus dem Buch des Propheten Jesaja, der im 8. Jahrhundert vor Christi weissagte,
5Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; 6auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende (Jesaja 9)
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Der Prophet sagt voraus, was Gott tun will, aber in der Gegenwart kritisiert er den damaligen König, Ahaz, der kein starker Mann ist. Der König und das Volk sollen auf Gewalt verzichten und zur Gerechtigkeit wenden, um Frieden zu erreichen.
Der Text von Jakob Ebert greift die prophetische Botschaft auf und führt sie weiter.
1. Du Friedefürst, Herr Jesu Christ,
wahr’ Mensch und wahrer Gott,
ein starker Nothelfer du bist
im Leben und im Tod.
Drum wir allein im Namen dein
zu deinem Vater schreien.
In Jesus Christus sieht Ebert die prophetische Vision realisiert. Sein Leben, seine Lehre, sein Tod und seine Auferweckung offenbaren, dass und wie Gott „mit uns“ in der Welt ist.
Gedenke, Herr, jetzt an dein Amt,
dass du ein Friedfürst bist,
und hilf uns gnädig allesamt
jetzt und zu aller Frist.
Lass uns hinfort dein göttlich Wort
im Fried noch länger schallen.
Liebe Gemeinde, lasst uns diese Botschaft nicht nur hören. Lasst uns auf sie auch antworten – durch unser Leben hier und heute. Überall in der Welt, auch in Deutschland und Amerika, sind Menschen verunsichert, haben Ängste und diffuse Wut – auch viele Christen. Sie wissen oft nicht, wem sie vertrauen, an wen sie sich wenden sollen. Für uns Christen stellt sich in besonderer Weise die Frage: Sollen wir an den sogenannten starken Männern anvertrauen, oder sollen wir an den Friedefürsten Jesus Christus wenden? Das ist die Alternative. Johann Sebastian Bach beantwortet diese Frage sehr klar und eindeutig: Fegt den Weg des Friedens, den Jesus Christus aufgezeigt hat. Es liegt an uns, ihm auf diesem Weg zu folgen und allen „starken Männern“ eine Absage zu erteilen.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft,
bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Gebet
Wir danken dir, allmächtiger Gott, dass du in Jesus Christus mit uns Frieden geschlossen hast. Wir bitten dich um deine Barmherzigkeit, dass wir untereinander Frieden halten und in unserer Welt der Versöhnung dienen, damit alle Menschen deine Liebe erfahren.
Herr, allmächtiger Gott, du lenkst die Herzen der Menschen. Allen, die Macht und Verantwortung tragen, öffne die Augen, Ohren und Herzen, dass sie einsehen, was dem Menschen und dem Wohl der Völker dient. Mache sie und uns bereit, Frieden und Versöhnung zu stiften. Das bitten wir durch unsern Herrn Jesus Christus, deinen lieben Sohn, der uns gelehrt hat, wie wir beten dürfen:
Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit. Amen.
The Rev. Dr. Robert G. Moore
(Robert.Moore@elca.org)