Motettenansprache
- 26.01.2019
- Pfarrer Hundertmark
Liebe Motettengemeinde,
„Geh hin; dir geschehe, wie du geglaubt hast“ antwortet Jesus dem verzweifelten Hauptmann von Kapernaum als er dessen unerschütterlichen Glauben wahrnimmt. In seiner katastrophalen und existenzbedrohenden Familiensituation wendet er sich an Jesus Christus, von dem erzählt wurde, er wirke Wunder.
Nun tun wir uns schwer mit Ereignissen, die jenseits unseres Verstandes liegen. Gerne möchten wir alles in eine logische Kette einfügen, um dann mit voller Überzeugung „Ja“ sagen zu können. Ja, das verstehe ich.
Ja, das ist einleuchtend.
Wunder sind niemals einleuchtend. Sie geschehen jenseits unserer Verfügungsmacht und lassen sich auch nicht bis ins letzte erklären.
Auf ein Wunder haben die Eltern des kleinen Jungen und mit ihnen ganz Spanien gehofft. Traurige Gewissheit tickerte heute Morgen über die Nachrichtensender. Er konnte nur noch tot geborgen werden. Warum gab es hier kein Wunder? Wieso wurde die Hoffnung enttäuscht?
Wir Menschen können nicht in Gottes Pläne schauen. Das macht es uns so schwer, zu unterschieden, was sein Wille ist und wo andere Kräfte im Spiel sind. Nicht Gottes Wille führte zum Tod des kleinen Jungen, sondern ein illegal gegrabenes Bohrloch, welches zudem noch unzureichend gesichert wurde.
In der nachher zur Aufführung kommenden Choral-Kantate „Was mein Gott will das g´scheh allzeit“ wird uns glaubendes Vertrauen auf Gott in der ersten Choralstrophe musikalisch nahegebracht. Der umfänglich komponierte Satz erfüllt mit seiner Musik den ganzen Raum, so wie Gottes Wille alles umfängt, folgt man dem Duktus des Liedes und des Glaubens eines verzweifelten Hauptmanns von Kapernaum.
Viel lässt sich über eigenes Tun und Gestalten erreichen. Es wäre ziemlich töricht, würden wir die Hände in den Schoß legen und sagen: „Nun mach mal, lieber Gott.“ Mit dem freien Willen und den uns geschenkten Begabungen haben wir auch die Pflicht, beides sinnvoll einzusetzen.
Dort jedoch, wo wir an die Grenzen menschlicher Möglichkeiten kommen, bleibt manchmal nur die Hilfe rufende Hinwendung an Gott.
Dabei erleben wir den Widerstreit zwischen Glauben und Entsetzen.
In der musikalisch einfach gestalteten Bass-Arie wird jenes Entsetzen herausgearbeitet.
Je nach persönlicher Situation lässt es sich füllen. Ich brauche das hier gar nicht konkretisieren weil sich für jeden Beispiele finden lassen für das, was zum Entsetzen ist.
Besonders in einer Welt, die sich nicht mehr mit einfachen Mustern erklären lässt, ist Gott als Trost und Zuversicht wie ein stabilisierender Faktor, damit das Entsetzen nicht die Oberhand gewinnt.
Hier die armen Menschen, dort die Reichen.
Hier die unterdrückten und geknechteten, ausgebeuteten Seelen, dort eine skrupellose Politikerkaste. Solch populistischen Parolen stoßen gerne Herzenstüren auf. Sie werden das Entsetzen jedoch nicht vertreiben können. Wir gestalten unser Leben selber und verwirklichen Lebensentwürfe mit vollen Bewusstsein und in voller Verantwortung füreinander. Dabei ist nicht alles, was durch uns geschieht, Gottes Wille. Gerne fährt der Teufel in die Parade.
Aber alles, was durch Gott geschieht, geschieht nach seinem Willen, der auf mich einwirken kann, der mich rettet und heilt.
Wie nun lässt sich erkennen, wo Gottes Wille am Werk ist oder doch nur der eigene Wille sich zum Gott machen will?
Im Widerstreit – so erzählt es der Kantatentext.
Entsetzen, Anfechtung und auch Angst stehen dem Vertrauen gegenüber.
Wer diesen ständigen Kampf gewinnt lässt sich ebenfalls nicht mit einfachen Antworten sagen. Wir erleben, dass Anfechtungen alle Hoffnungsfunken löschen können. Ebenso können wir uns von den Erfahrungen erzählen, wo Vertrauen Ängste zerstreute und sie ganz klein hat werden lassen.
Wir sind den Ungeistern und so manchen Zeitgeistern ausgeliefert, erliegen ihnen gelegentlich und produzieren dadurch Leid für diejenigen, die mit uns leben.
Um in diesem Widerstreit bestehen zu können und die richtigen Entscheidungen zu treffen, brauchen wir Sicherheit.
Hier, liebe Motettengemeinde, kommt mit der letzten Strophe des Chorals noch einmal Gott als wirkmächtiges Gegenüber ins Spiel. Wo wir schwach werden, stärkt er; auch am Lebensende, der vielleicht größten Anfechtung menschlichen Seins. Deshalb rufen wir mit den Worten der letzten Choralstrophe:
„Noch eins, Herr, will ich bitten dich,
du wirst mir’s nicht versagen:
Wenn mich der böse Geist anficht,
laß mich doch nicht verzagen.
Hilf, steur und wehr, ach Gott, mein Herr,
zu Ehren deinem Namen.
Wer das begehrt, dem wird’s gewährt;
drauf sprech ich fröhlich: Amen.“
LESUNG Mt 8, 5-13
Der Hauptmann von Kapernaum
5 Als aber Jesus nach Kapernaum hineinging, trat ein Hauptmann zu ihm; der bat ihn
6 und sprach: Herr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gelähmt und leidet große Qualen.
7 Jesus sprach zu ihm: Ich will kommen und ihn gesund machen.
8 Der Hauptmann antwortete und sprach: Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.
9 Denn auch ich bin ein Mensch, der einer Obrigkeit untersteht, und habe Soldaten unter mir; und wenn ich zu einem sage: Geh hin!, so geht er; und zu einem andern: Komm her!, so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das!, so tut er's.
10 Als das Jesus hörte, wunderte er sich und sprach zu denen, die ihm nachfolgten: Wahrlich, ich sage euch: Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden!
11 Aber ich sage euch: Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen;
12 aber die Kinder des Reichs werden hinausgestoßen in die äußerste Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappern.
13 Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: Geh hin; dir geschehe, wie du geglaubt hast. Und sein Knecht wurde gesund zu derselben Stunde.
Gebet
Barmherziger Vater in Himmel,
du sagst uns zu, Schutz und Schirm über unserem Leben zu sein. Dafür danken wir dir am Ende der Woche. Wir bringen vor Dich, was du uns hast erleben lassen an schönen Momenten und klagen Dir Leid, das uns umfangen hat. Besonders bitten wir dich für alle, deren Hoffnungen enttäuscht wurden bitten dich: Befreie uns von allem, was unsere Seelen und Herzen belastet durch Jesus Christus, deinen Sohn, in dessen Namen wir zu Dir rufen:
Vater unser im Himmel…..