Motettenansprache

  • 08.03.2019
  • Pfarrer Martin Hundertmark

Liebe Motettengemeinde,

 über die Furcht lässt sich vieles sagen, weil sie ein stark lebensbestimmendes Gefühl ist. In der 1. Episode der großen Star Wars Filmreihe spricht Meister Joda zu Anakin Skywalker über die Folgen von Furcht:

"Furcht ist der Pfad zur dunklen Seite. Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass, Hass führt zu unsäglichem Leid." (Star Wars, Episode 1)

Anhand einiger Alltagserfahrungen könnte man jetzt durchdeklinieren, inwieweit diese These stimmt. Wo sich ein Mensch z. B. vor Fremdem fürchtet, entsteht schnell Wut auf alles, was ungewohnt ist. Und je mehr sich diesbezüglich anstaut, desto schneller setzen die Schutzmechanismen ein, sich durch Hass abgrenzen zu wollen. Dabei gerät dann immer stärker das eigene „Ich“ in den Blickpunkt. Wo dem so ist, spielt liebendes Betrachten auf meine Umgebung keine Rolle mehr, geschweige denn ein Einlassen auf Neues.

Am Ende einer solchen Spirale stehen Handlungen, unter denen andere Menschen leiden. Furcht wir also niemals ein guter Ratgeber sein.

Aber: Was tue ich, wenn mich Furcht überfällt? Was, wenn einfach alles zu viel wird an Veränderungen, an Aufgaben? Was, wenn ich feststellen muss, das ist nicht mehr meine Stadt, meine Welt, in der ich mich bisher sehr gut zurechtgefunden habe?

Einem sich Fürchtenden imperativisch sagen zu wollen, „Fürchte dich nicht!“ wird wohl wenig von Erfolg gekrönt sein.

Gegen die Furcht helfen keine Imperative, sondern Zusagen. Sie trocknen den Nährboden der Furcht aus und durchbrechen die zum Leid führende Spirale.

Im Jesajabuch liefert der Prophet deshalb auch gleich einen ganzen Blumenstrauß solcher Zusagen.

 

„Fürchte dich nicht, ich bin bei dir!“

 

ist die große Zusage eines begleitenden Gottes. Gerade da, wo sich das Gefühl von Einsamkeit in jeglicher Hinsicht breit zu machen droht, hilft die Erfahrung, jemanden zu haben, der trotzdem zu mir steht. Der Grund, Furcht nicht zum alles bestimmenden Lebensthema werden zu lassen, ist die Gemeinschaft mit Gott in Jesus Christus. „Ich bin bei Dir“ gilt für alle Bereiche unseres Lebens, für die religiöse Anfechtung gleichermaßen wie für das Kampffeld „Alltag“, auf dem christliche Wertmaßstäbe verteidigt werden müssen, um den Furchtmenschen nicht das Feld zu überlassen.

  „Weiche nicht, denn ich bin dein Gott!“

 Es ist kein geringerer als der Schöpfergott und der Gott, der aus Liebe zu uns Menschen niemals aufgibt. Er stärkt den Rücken, wo darauf viele Lasten abgelegt werden. Nicht bei jedem Zweifel gleich alles infrage zu stellen – dazu will uns der Prophet Jesaja ermutigen. Vor denen, die uns einzureden versuchen, bequeme Wege zu gehen, anstatt für Liebe, Freiheit, Gerechtigkeit und Gemeinschaft einzustehen, brauchen wir nicht zu weichen. Denn wir haben Gott zur Seite. Er erinnert uns stets daran, dass es sich lohnt, dem Gesetzt des Stärkeren zu widerstehen, dass es sich lohnt, die Perspektive der Schwachen einzunehmen und danach zu schauen, was dem Leben dienlich ist.

 

„Ich stärke dich, ich helfe dir auch!“

 

Nicht jeder hat die Gabe, in allen möglichen und unmöglichen Krisensituationen stark zu sein, schon gar nicht, wenn es sich um Szenen handelt, in denen ich plötzlich gegen meine gesamte Umgebung Position beziehen muss. Weil jedoch Gottes Zusage, dem Schwachen aufzuhelfen nicht nur Worte sind, sondern sie sich in Jesus Christus ganz menschlich verwandelt hat, dürfen wir darauf vertrauen, in schwachen Momenten, jene göttliche Stärke zu erfahren, die uns hilft. Und noch eins: Wir müssen nicht alles alleine regeln. Wir dürfen uns helfen lassen, weil im entscheidenden Moment unseres Lebens nicht eigene Stärke, sondern Vertrauen auf Gottes Liebe gefragt ist.

 „Ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.“

 Momente der Gottesferne sind schreckliche Momente der Ohnmacht. Gerade da, wo ich Gott brauche, scheint er mir unendlich weit weg. Jesus am Kreuz hat sein Gefühl der Gottverlassenheit in den Himmel geschrien. Er starb ganz als Mensch, um dann zu erleben, wie stark Gottes Zusage „ich helfe dir auch“ ist. Gegründet auf der furchtlosen Liebe, vermochte sie, den Tod zu besiegen. Deshalb haben wir die begründete Hoffnung im Glauben, dass uns Gott hält, dass seine und nicht unsere Gerechtigkeit uns in die ewige Gemeinschaft führt.

Als Eltern oder Großeltern können wir an das Bild von jemanden, der in der Hand gehalten wird als Symbol für Schutz und Fürsorge gut anknüpfen. Wir übertragen dann solche Lebenserfahrungen gerne auf Gott und sprechen von seiner Hand, weil uns so klar wird: Wer in einer Hand geborgen ist, braucht sich nicht zu fürchten. Amen.

Gebet

 Barmherziger Gott,

hilf uns durch deine Kraft, wo wir schwach sind. Stärke unser Bemühen um Gerechtigkeit. Verwandle Eigensinn in die Bereitschaft, die Perspektive meines Gegenübers einzunehmen.

Zum Fürchten sind viele Alltagserfahrungen und wir wissen dann manchmal nicht, was wir beten sollen. Dafür nehmen wir die Worte deines Sohnes Jesus Christus.

Vater unser im Himmel…

 Martin Hundertmark, Pfarrer an der Thomaskirche, hundertmark@thomaskirche.org