Motettenansprache
- 31.05.2019
- Pfarrer Hundertmark
Liebe Motettengemeinde,
„Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit. Gegen das Böse läßt sich protestieren, es läßt sich bloßstellen, es läßt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurückläßt. Gegen die Dummheit sind wir wehrlos. Weder mit Protesten noch durch Gewalt läßt sich hier etwas ausrichten; Gründe verfangen nicht; Tatsachen, die dem eigenen Vorurteil widersprechen, brauchen einfach nicht geglaubt zu werden - in solchen Fällen wird der Dumme sogar kritisch - und wenn sie unausweichlich sind, können sie einfach als nichtssagende Einzelfälle beiseitegeschoben werden. Dabei ist der Dumme im Unterschied zum Bösen restlos mit sich selbst zufrieden; ja, er wird sogar gefährlich, indem er leicht gereizt zum Angriff übergeht. Daher ist dem Dummen gegenüber mehr Vorsicht geboten als gegenüber dem Bösen.“ (Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung)
Seit vergangenem Sonntag ist die AfD stärkste politische Kraft in Sachsen.
Dietrich Bonhoeffers Ausführungen "Von der Dummheit" aus „Widerstand und Ergebung“, lesen sich nach über siebzig Jahren wie ein Kommentar zu diesem Ereignis. Fassungslos, erschüttert und in gewisser Weise auch ratlos stehen viele Demokraten vor dem gesellschaftlichen Scherbenhaufen. Alle bisherigen Strategien von rigoroser Ablehnung bis hin zu Gesprächsangeboten haben nicht fruchten können. Und bangen Blicks wird auf den 1. September geschaut, dem Tag der nächsten Wahl, wenn es darum geht, wer dieses Bundesland regieren wird.
Wer unbedingt Lust an der Destruktion verspürt, möge doch bitte ohne Seil bergsteigen gehen.
Da wird dann wenigstens nur das eigene Leben gefährdet und nicht das Leben und die Zukunft eines ganzen Landes.
„Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe;
Sei mir gnädig und erhöre mich.
Eile, Gott, mich zu erretten,
Herr, mir zu helfen.“
Eingangs einer jeden Motette am Freitagabend bitten wir mit den Psalmversen um Gottes Nahesein und seinen Beistand.
„Manchmal hilft nur noch beten“, höre ich Menschen in ausweglosen Situationen sagen. Widersprechen will ich ihnen nicht, wohlwissend, dass Gebetsanliegen keine Münzen für den Gebet-o-Mat sind. Unsere Wünsche dürfen und werden immer Eingang finden in unsere Gebete.
Und auch dies gehört zur oft bitteren menschlichen Lebenserfahrung: Gebete werden nicht erhört. Menschen sterben, Katastrophen weiten sich aus, Fußballvereine verlieren…
Am Ende dieser Woche, die im Kirchenjahr thematisch mit dem Gebet verknüpft ist, lohnt sich die Frage nach dem, was wir und wie wir beten. Einher damit geht auch die Reflektion über unser je eigenes Verhältnis zum Gebet.
Jesus Christus selbst nimmt die menschliche Zerrissenheit, wenn es ums Thema Gebet geht, ernst. Seine Wegweisung ist der Hinweis auf das eine Gebet – das Vater unser. In jedem Gottesdienst versammeln wir uns hinter seinen Worten.
„Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen“
In der Motette „Der Geist hilft unserer Schwachheit auf“ interpretiert Johann Sebastian Bach musikalisch, was Paulus im Römerbrief zum Ausdruck bringt: Wir sind als Menschen angewiesen auf Gottes Beistand. Eingeladen, ihm alle Sorgen und Nöte neben überschwänglicher Freude und Dank im Gebet darzubringen, fehlen manchmal die Worte. Das jedoch bedeutet nicht ein Abwenden Gottes von seinen Menschenkindern. Er hilft uns über den Tröster. Mit schöpferischer Kraft vermag es Gottes Geist denen Sprache zu geben, die keine Worte mehr finden wollen oder können.
Somit reißt der Faden zu Gott nicht einfach ab, wenn ich als Mensch mit meiner Lebenssituation nicht zurechtkomme. Er wird vielmehr bewahrt durch das stellvertretende Beten und Seufzen.
Vieles liegt in Gottes Hand, liebe Gemeinde. Demokratische Wahlen zählen gewiss nicht dazu. Dafür haben wir eigene Verantwortung.
Sie auch im Vorfeld wahrzunehmen, dafür brauchen wir aber manchmal auch Gottes Beistand. Solche, im wahrsten Sinne des Wortes, Be-Geist-Erung schafft es, einen langen Atem zu behalten. Denn der Weg, Gottes Liebe vor allem im Alltag zu folgen, ist anstrengend.
Der Geist möge unserer Schwachheit aufhelfen. Er möge diejenigen wecken und stärken, die Kraft und Mut besitzen, sich den Ungeistern entgegenzustellen.
Gottes Geist möge einkehren, um uns Menschen zur Wahrheit und zur Liebe zu führen. Darin erfüllen sich die Verheißungen Jesu. Amen