Motettenansprache

  • 02.12.2023
  • Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Christoph Markschies

Ansprache in der Motette am 2. Dezember 2023

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Christoph Markschies

 

Ein uraltes Lied haben wir da eben gerade gemeinsam mit dem Chor gesungen, liebe Motettengemeinde. Es gehört überhaupt zu den ältesten Liedern im Evangelischen Gesangbuch, ein spätantiker Bischof hat es vor vielen Jahrhunderten geschrieben, damit seine Gemeinde beim Singen die Bedeutung von Weihnachten verstehen konnte und er nicht so viel von der Kanzel erklären musste. Das hat dem Reformator Martin Luther sehr gefallen, denn der wollte auch, dass die Gemeinde durchs Singen etwas begreift vom Sinn biblischer Geschichten und nicht oder jedenfalls nicht nur durch seine ziemlich langen Predigten. Deswegen hat er das uralte lateinische Kirchenlied ins Deutsche übersetzt – und weil er auch die ziemlich alte, aber auch vielen vertrauten Melodie des lateinischen Liedes wieder verwenden wollte, holpert der deutsche Text ein wenig, auch große Dichter (und Martin Luther konnte wunderbar dichten) haben manchmal nicht ganz so große Einfälle. Früher hat das Evangelische Kirchengesangbuch mit dem Lied „Nun komm der Heiden Heiland“ begonnen, es war jahrhundertelang die Nummer 1 im Gesangbuch. Bei der letzten Revision ist es auf die Nummer 4 zurückgefallen, wahrscheinlich, weil die Verantwortlichen „Macht hoch die Tür“ für das bekannteste Adventslied hielten, es textlich auch nicht so holpert und theologisch etwas leichtgängiger ist.

 

Deswegen, liebe Motettengemeinde ist es ausgleichende Gerechtigkeit für das arme, zurückgefallene, uralte Lied, dass es heute für uns wieder Nummer 1 ist. Das Lied zu Beginn des ersten Advents, der das Einerlei von Krieg und Katastrophe, von Terroranschlägen und Raketenangriffen, von Klimakrise und Haushaltsnotstand unterbricht, der uns im zu Ende gehenden Jahr in Atem gehalten hat. Und vor dem Hintergrund dieses nicht so sehr schönen Jahres 2023 bekommen die uralten Formulierungen des Liedes plötzlich eine ganz besondere Bedeutung, erschließen sich neu und holpern gar nicht mehr: „Die die Nacht gibt ein neu Licht dar. / Dunkel muss nicht kommen drein, / der Glaub bleib immer im Schein“. Von der Nacht haben wir in den vergangenen Monaten zu oft hören müssen: nächtliche Angst in Kiew, nächtlicher Raketenangriff in Tel Aviv, das untergehende Flüchtlingsboot in der Nacht auf dem Mittelmeer. Mitten in dieser Nacht strahlt, liebe Motettengemeinde, hell das Licht aus Bethlehem. Das Licht, das vom Kind in der Krippe ausgeht. Das Licht, das mitten in unsere sorgenvollen, bekümmerten, ängstlichen Herzen scheint. Das Licht, zu dessen Zeichen ein heller Stern aufgegangen ist. Der, der für alle Menschen heil machen will, was zerbrochen ist, der Heiland aller Welt, der Heiden Heiland. Gottes Sohn, ein Mensch geworden. Gott selbst kommt uns als Mensch so nahe, wie wir sonst nur uns selbst sind. Der liegt in einer Krippe und darüber wundert sich alle Welt.

 

Gott sei Dank, liebe Motettengemeinde: Wir haben jetzt über drei Wochen Advent, um uns wieder neu auf dieses Wunder einzustellen. Wir haben jetzt über drei Wochen Zeit, zu verstehen, wieso ein Krippenkind alles heilen kann, Licht in diese dunkle Welt bringt und auch unser sorgenvolles Herz fröhlichen machen will. Ich weiß noch genau, wie ich als Student erstmals bei einer Aufführung der Bachkantate „Nun komm der Heiden Heiland“ mitwirkte, die wir jetzt gleich musiziert bekommen. Obwohl ich Theologie studierte, verstand ich damals vom Text des uralten Liedes herzlich wenig. Aber die Musik riss mich aus dem Studienalltag, den Vorbereitungen für die Reise vom Studienort nach Hause – ich ging nach dem Schlusschoral aus der Kirche und dachte: Nun ist es Advent geworden und bald wird es Weihnachten. Wie herrlich: Komm, komm, du schöne Freudenkrone, bleib nicht lange! Deiner wart ich mit Verlangen“. Ein solches adventliches Gefühl von Trost und Vorfreude durch die Musik wünsche ich Ihnen auch, liebe Gemeinde. Gesegnete Adventstage. Amen.

 

 

 

Gebet

Du Sanftmütiger, du Gerechter,
du Friedensbringer, Du Heiland der Welt,
komm.

Bring Heil und Leben. Komm!
Heil und Leben für die Müden,
die Bedrückten,
für die, die sich gegen Gewaltherrscher auflehnen,
für die, die sich sehnen sich nach Heil und Leben.
Bring Heil und Leben. Komm.
Heil und Leben für die Kranken,
für die Trauernden,
für die Sterbenden,
für alle, die warten.
Komm, du Schöpfer reich von Rat.
Komm!

Komm und bring alle Not zum End
in der Ukraine, in Israel, in Syrien,
im Gazastreifen, im Iran. Komm!
Komm und bring alle Not zum End
wo die Erde gebebt hat,
wo Stürme gewütet haben,
wo die Folgen des Klimawandels die Hoffnung rauben.
Komm, du Heiland groß von Tat.
Komm, du Tröster früh und spät.
Komm!

Komm und zieh mit deiner Gnade ein
in deiner Gemeinde – hier in Leipzig und überall auf der Welt.
Wir warten.
Komm, du Gott, voll Rat, voll Tat, voll Gnad.
Wir bitten dich: Nun Komm, der Heiden Heiland.
Nun komm!
Amen.

Vater unser

Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

 

Segen

Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr erhebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.