Motettenansprache

  • 22.06.2018
  • Pfarrerin Taddiken

Motette am Freitag, 22. Juni 2018

Liebe Gemeinde,
in zwei Tagen ist Johannistag, der 24. Juni. Zahlreiche Bräuche sind damit verbunden. Aber eben vor allem eine hochinteressante Person: Johannes der Täufer. Die biblische Tradition stellt ihn in eine familiäre Linie mit Jesus. Er ist nicht nur sein Vorläufer, sondern sein Cousin. An ihm schätze ich seine heilige, auf Gott bezogene Klarheit. Sie beginnt schon vor seiner Geburt, als seine überraschten alten und eigentlich doch schon unfruchtbaren Eltern Zacharias und Elisabeth realisieren, dass im Leben immer mehr möglich ist als man glaubt. Nun sollen sie doch noch einen Sohn bekommen, wir haben den Lobgesang des Zacharias eben gehört, einen der schönsten Psalmen des Neuen Testaments.

Als Erwachsener meidet Johannes alles, was ihn in die Abhängigkeit führen oder Verlustängste in ihm auslösen könnte. Er spricht Klartext zu denen, die wider besseres Wissen handeln und nur ihren eigenen Vorteil im Blick haben: Otterngezücht nennt er die Wohlhabenden, die nichts von ihrem Überfluss abgeben, und auch die anderen, die da zu ihm kommen, die Zöller und Soldaten, auch sie sollen nicht mehr nehmen, als vorgeschrieben ist bzw. niemandem Gewalt und Unrecht anzutun, sondern sich an seinem Sold genügen zu lassen. Lebenslang bleibt er unbequem und deckt diesen (menschlichen) Widerspruch auf, noch nicht einmal vor seinem Landesfürsten Herodes schreckt er zurück, den er unter anderem wegen seiner Eheeskapaden zurechtweist. Das kostet ihn bekanntermaßen am Ende den Kopf...

So ruft er von Anfang an zur Umkehr auf. Zugleich aber sagt er klar und deutlich: Was ich zu sagen habe - das ist noch nicht das Evangelium. Evangelium und Moral bzw. Handlungsanweisungen, wie man ein besserer Mensch werden kann, das liegt deutlich auf unterschiedlichen Ebenen. Auch hier ist er klar und weist von sich weg auf den, den er taufen wird: Jesus Christus. Er sagt über ihn: „Er muss zunehmen, ich aber muss abnehmen." Da die Tage nach dem Johannestag wieder kürzer werden, wie man das so sagt, ist sein Geburtstag traditionell auf den 24. Juni gelegt worden, sechs Monate vor die Geburt Jesu, um den es ihm geht.

Johannes der Täufer: Taugt er als Vorbild für das, wie wir leben können - als Gemeinde, als Einzelne, als Einzelner? Auch wenn seine Lebensweise (ohne Besitz und basierend auf einer Ernährung aus wildem Honig und Heuschrecken) nichts für uns ist, so tut es unserer Welt gut, wenn wir uns etwas von seiner Haltung bzw. seinem Geist aneignen: unbedingt, klar und manchmal unbequem einzutreten für das, was für den von ihm Getauften das ganze Gesetz und die Propheten ausgemacht hat: für die Liebe zu Gott und dem Nächsten. Und da gilt es ja immer wieder, neu zu fragen und darum zu ringen: Wie können wir dieses Doppelgebot der Liebe jetzt und hier bei uns leben? Wie können wir darüber diskutieren - suchend, streitend, mit Lust und Freude? Wie können wir es in johanneischer Klarheit - deutlich und direkt, aber eben im Verzicht auf jeglichen Hass? Wie man sich wirklich gut und vernünftig streitet mit Achtung und Wertschätzung des anderen, sodass am Ende die Sache im Vordergrund steht und vor allem auch voran kommt: Können wir das wieder oder besser lernen als wir es jetzt können? Johannes ist in dieser Hinsicht für mich ein gutes Vorbild, weil er die, die zu ihm kommen, nicht runtermacht. Sondern er hat ein echtes Interesse an ihnen, nämlich: dass sie etwas für ihr Leben gewinnen. Vielleicht würde er heute nicht die Zöllner und Soldaten kritisieren, sondern diejenigen, die wie sie sich unmäßig bereichern oder die, die unnötige Gewalt an den Grenzen ausüben lassen, indem sie auf Kosten von Kindern und Eltern Abschreckungsmaßnahmen veranlassen. Was Johannes tut, ist auch ein Ruf zurück zu zivilisiertem Verhalten und zu einer Verantwortung für das große Ganze. Darin nimmt er bei aller Schärfe die Leute, die zu ihm kommen ernst und ruft sie zugleich dazu auf, über ihr Verhalten nachzudenken und etwas dafür zu tun, dass der, der nach ihm kommt gehört werden kann. Und das, das gibt diesem schroffen asketischen und entschiedenen Menschen etwas Weiches, etwas Besonnenes. Und das können wir in der Tat im Moment im Verbund mit der Klarheit des Wortes gut gebrauchen. Amen.

Britta Taddiken, Pfarrerin der Thomaskirche, taddiken@thomaskirche.org