Motettenansprache

  • 09.03.2018
  • Pfarrer Hundertmark

Motettenansprache am Freitag, 09.03.2018, Thomaskirche zu Leipzig um 18 Uhr

Liebe Motettengemeinde,

nun ist sie endlich raus, die Liste der neuen Minister in unserer künftigen Regierung. Nach einem knappen halben Jahr mit hässlichen Szenen im politischen Betrieb bleibt jetzt doch Hoffnung, dass diejenigen, die Regierungsverantwortung beanspruchen, dieser nun endlich auch gerecht werden.

Denn wir wollen uns später nicht erinnern an Einhundertprozentvorsitzende, die wenige Monate später darum betteln, politisch gekreuzigt zu werden oder an eingeschnappte Politiker und auch nicht an verbale Entgleisungen im Scheinwerferlicht der Kameras. Wir wollen uns, nimmt man den proklamierten Willen zum Aufbruch und zur Erneuerung ernst, daran erinnern, dass wirklich die Menschen in unserem Land mit ihren Problemen gesehen bzw. gehört werden. Dafür braucht es zuallererst den Blick weg von Eigeninteressen hin zu dem, was einer Gesellschaft und den in ihr lebenden Menschen nützlich ist. Danach braucht es die Bereitschaft, Probleme, die dem eigenen Weltbild entgegenstehen, nicht einfach zu ignorieren, sondern sie lösen zu wollen. Diejenigen, auf die wir so gerne schimpfen, dürfen dabei nicht alleine gelassen werden. Sie brauchen vielmehr unsere kritische Begleitung.

Kritische Begleitung hat viele Gesichter. Neben dem ehrlichen Gespräch, ohne Rücksicht, sondern nur der Wahrheit verpflichtet, gibt es auch das Gebet als Ausdruck ernstgemeinter Fürbitte. Beides steht Christen gut zu Gesichte.

Vielleicht wird sich mancher der Protagonisten auf dem Weg zur Regierungsbildung in den Worten des 43. Psalms wiedergefunden haben: „Führe meine Sache wider das unheilige Volk“ heißt es da. Oder: „Warum lässest Du mich so traurig geh´n, wenn mein Feind mich dränget?“ bzw. „errette mich vor den falschen und bösen Leuten“. Es lohnt sich, dieses alte Gebet einmal etwas näher zu betrachten.

Im von Felix Mendelssohn-Bartholdy vertonten 43. Psalm bringt ein zutiefst verunsicherter Mensch im Gebet vor Gott, was ihn belastet und Sorgen bereitet. Weil er überall nur Unrecht erfährt, wird Gott als Richter angerufen. Leider ist die Textfassung der Vertonung an dieser Stelle etwas ungenau. Denn im Psalm geht es in allererster Linie nicht darum, dass ich gerichtet werde, sondern darum, dass Gott mir Recht verschafft. Damit wird er an seine ureigenste Aufgabe erinnert. Der alttestamentliche Gott als Gegenüber des Psalmbeters steht für Recht und Gerechtigkeit. Er steht als Schutz der Armen, Unterdrückten und derjenigen, die von Lebensmöglichkeiten abgeschnitten sind.

Wo List und Bosheit überhand nehmen, wo sie zu Feinden eines sicheren und gelingenden Lebens werden, braucht es eines heilsamen Einschreitens. Lassen wir die eigenen Lebenserfahrungen zu Wort kommen, liegt der Schluss nahe, dass List und Bosheit viel eher zum Ziel führen, als Wahrheit oder Gerechtigkeit.

Nur schmal ist manchmal der Grat sich davon leiten zu lassen, weil der Weg schlicht bequemer ist oder der Verweis auf die eigene Schwachheit schnell zur Ausrede für ein duldendes Nichtstun wird.

Licht und Wahrheit werden erbeten als hilfreiche Diener Gottes. Sein Licht ist seit Anbeginn eine wegweisende Macht, die den Gerechten auf seinem Lebensweg begleitet. Betrug und Bosheit, Intrige und Lüge haben dort keine Chance, wo es jemanden gibt, der sie aus ihrem Machtbereich, der Finsternis, herausholt. Beleuchtet werden muss, was viele gerne im Verborgenen belassen wollen, weil dort zurechtgebogen werden kann, was im Lichte der Wahrheit unmöglich scheint. Vertrauend auf die Erfahrung, dass Gott „meines Angesichts Hilfe ist“ kann sich der Psalmbeter selber vergewissern. So lernt er mit Ungerechtigkeiten umzugehen, die zwar momentan als Maß aller Dinge gelten mögen, aber langfristig keinen Bestand haben werden. Davon dürfen wir uns heute leiten lassen:

  • Gottvertrauen nicht einfach wegzuwerfen, weil die Umgebung von dunklen Mächten dominiert wird.
  • Licht und Wahrheit zum Wegweiser des eigenen Lebensweges zu machen, weil nur diese am Ende zum Ziel führen
  • Und was für das eigene Leben gilt, dürfen wir gerne als Fürbitte für diejenigen formulieren, die Verantwortung für Stadt, Land, Kirche oder Weltpolitik haben. Möge uns der Geist Gottes leiten und uns dort aufhelfen, wo wir selber zu schwach oder zu bequem sind.

    Unbequem war der Weg Christi, den er gegangen ist, um auf ewig unser Freund und Fürsprecher zu sein. Er ist ihn aus bedingungsloser Liebe gegangenfür uns! Die Passionswochen erinnern daran. Sie ermutigen, auch selber unbequeme Wege der Liebe zu gehen,

    • damit Menschen nicht unter die Räder kommen
    • damit dem Leben zum Durchbruch verholfen wird anstelle vor den todbringenden Kräften zu kapitulieren
    Der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle Vernunft, bewahre unsre Herzen und Sinne in Christo Jesu zum ewigen Leben. Amen.
    Gebet
    Wir liegen vor Dir mit unserem Gebet, Herr, barmherziger Vater und Gott, und bringen zu Dir, was uns belastet am Ende der Woche. Nimm es hinweg, indem du uns befreist von Schuld, die wir auf uns geladen haben. Lass uns nicht zerbrechen und den Fehlern, die mangelnder Liebe, Wahrheit und mangelndem Mut geschuldet sind. Wir bitten dich um Weisheit für alle, die Verantwortung tragen. Wir bitten dich um Hoffnung für alle, die in Zweifeln gefangen sind. Dein Sohn Jesus Christus ist das Zeichen deiner unendlichen Liebe, in der alles aufgehoben ist, was uns von dir trennt. Mit seinen Worten beten wir zu Dir: V
    ater unser im Himmel…
      Martin Hundertmark, Pfarrer an St. thomas zu Leipzig (hundertmark@thomaskirche.org)