Motettenansprache
- 08.03.2025
- Pfarrer Markus Franz
PDF zur Motettenansprache HIER
Da pacem, Domine in diebus nostris, quia non est alius qui pugnet pro nobis, nisi tu Deus noster.
Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten. Es ist doch ja kein andrer nicht, der für uns könnte streiten, denn du, unser Gott, alleine.
Die heutige Motette wird diese Bitte, diese Bitte um Frieden, gleich viermal anklingen lassen. Vierdimensional vielleicht?! Frieden soll sein, Frieden soll Raum und Zeit erfüllen.
In diesem Jahr werden wir zum 80mal den Jahrestag des Endes des 2. Weltkrieges gedenken. 80 Jahre Frieden in Deutschland und Mitteleuropa! Ein ganzes Menschenleben Frieden. Was für ein Segen!
Und mehr denn je, haben wir in den letzten Tagen erlebt, wie dieser zur Gewohnheit gewordene Zustand alles andere als selbstverständlich ist. Vorgestern haben sich europäische Politikerinnen und Politiker geeinigt, die Ausgaben für Rüstung massiv zu erhöhen.
Europa muß sich verteidigen können, Europa muß wehrhaft sein, Europa muß im Zweifelsfall kämpfen können. (Bisher haben andere für uns mit dem Säbel gerasselt!)
Für uns war das sicherlich auch bequem. Da stellt man nicht so viele Fragen.
Ob es auch für die Länder und die Menschen außerhalb Europas, außerhalb der westlichen Weltordnung so war?
Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten. – den ersten Teil können wir sicherlich aus voller Kehle mitsingen und mitbeten.
Selbst die populistischen Parteien unserer Tage bedienen sich des Friedens als unbestechliche Wahlkampfparole. Schon etwas verrückt oder, wenn Frieden zum Kampfmittel wird.
Bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass sie damit vor allem die Einteilung von Freund und Feind, nämlich Freunden und Feinden des Friedens untermauern wollen. Und wer will schon ein Feind des Friedens sein...
Sie wollen dem Wähler weiß machen, dass es die einen eben doch nicht so Ernst meinen, dass sie den Ernst ihrer Lage noch gar nicht erkannt haben, dass es ihnen wohl eigentlich um etwas ganz anderes geht, dass sie doch gar keinen Frieden wollen.
Und wenn die Opfer und Angegriffenen nicht wollen, dann müssen eben die Starken, Angreifer hin oder her, den Frieden beschließen, unter sich aushandeln. Es wird doch wohl ein guter Deal zu machen sein!
Verleih uns Frieden gnädiglich – so überträgt Martin Luther das alte Gebet aus dem 9. Jahrhundert – und ergänzt das gnädiglich gegenüber dem lateinischen Text. Man fühlt sich erinnert an sein sola gratia – allein aus Gnade, das Leitmotiv seiner alles veränderten reformatorischen Entdeckung.
Dort wo Gott im Spiel ist, ist dem Menschen alles geschenkt. Da ist nichts verdient oder erarbeitet, sondern geschenkt, geteilt, neu geschaffen.
So auch hier: Echter Frieden ist eine Gnade, ein Geschenk – ja er ist auch nur möglich als Geschenk, als freie Gabe, als Mitteilung, als Neu-Schöpfung – neue Wirklichkeit, die das Alte hinter sich lässt.
Frieden schließt ein, nicht aus. Frieden lässt teilhaben, nimmt nicht weg.
So könnte man vielleicht auch skeptisch sein gegenüber manchem, was einem als Frieden verkauft oder aufgezwungen wird...
Vielleicht ist das folgende Wort aus Psalm 85 auch in einer Situation eines verordneten, aufgezwungenen Friedens entstanden. Ob das schon Frieden ist, so wie Gott ihn will? „Könnte ich doch hören, was Gott der Herr redet, dass er Frieden zusagte seinem Volk und seinen Heiligen, auf dass sie nicht in Torheit geraten.“
Natürlich ist schon die Abwesenheit des Krieges, des Kämpfens und Bombardierens nicht gering zu schätzen – ganz im Gegenteil.
Aber echter Frieden – so dass wieder „Ehre in einem Land wohnen, dass Güte und Treue einander begegnen, dass Gerechtigkeit und Friede sich küssen.“, wie es in diesem Psalm heißt, (Ps 85, 10b.11) das ist doch nochmal etwas anderes.
Allein darin so scheint es, können die Denkmuster von Freund und Feind, und die Erfahrungen von Täter und Opfer, das Ungleichgewicht von Schwachen und Starken überwunden werden.
Der Psalm legt nahe, dass das Hörbereitschaft und ein Wort zur richtigen Zeit voraussetzt. „Könnte ich doch hören, …“
Könnte ich doch hören, dass es so ein Wort auch für unsere Zeit gibt.
Doch es scheint fast so, als ob dieses Friedens-Wort für unsere Zeit auf sich warten lässt, als ob es nicht zu hören ist und die Mutigen die daran erinnern stoßen auf Skepsis und Zweifel, finden kein Gehör, können nicht durchdringen!
Die anderen Worte sind so viel lauter, so viel überzeugender, so viel logischer. Auch wenn sie mächtig verzweifelt klingen.
„… es ist doch ja kein andrer nicht, der für uns könnte streiten…“ - Ja genau sagen sie - eben darum! Es gibt keinen anderen der für uns streitet und kämpft und abschreckt und aufrüstet. Wir müssen das jetzt selbst machen! Wir müssen selbst für unsere Sicherheit sorgen. Wir haben es uns zu lange zu bequem gemacht, klingt es heißer, verzweifelt von allen Seiten.
Und doch erklingt heute, hier ein anderes Wort. Vielleicht ein leiseres, unsicheres und doch genauso viel wagendes Wort: „Es ist doch ja kein andrer nicht, der für uns könnte streiten, denn du, unser Gott, alleine.“
Aber wir sollte auch ehrlich sein. Es gibt ja ein große Dilemma bei der Gebets-Bitte um Frieden.
Es könnte so aussehen, als ob die Kriege einfach so über uns kommen. Als ob es nicht immer noch so wäre, dass Menschen gegen Menschen Krieg führen, dass Menschen andere Menschen überfallen, erschießen, foltern, gefangen nehmen, verschleppen.
Was um alles in der Welt, hat Gott mit unseren Kriegen zu schaffen! Kann man aufrüsten und gleichzeitig beten: Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott zu unsern Zeiten. Es ist doch ja kein anderer nicht, der für uns könnte streiten, denn Du unser Gott alleine?
Verleih uns Frieden gnädiglich –
Das ist das Gebet der Angegriffenen und Überfallenen. Der Gefangenen, Gefolterten und Verschleppten. Es ist das Gebet derjenigen, die Schwert und Schild niederlegen, um das Kriegführen zu verlernen.
Bestimmt auch das Gebet derjenigen in den Schützengräben und Panzern, die Befehle ausführen und nicht wissen warum. Es ist das Gebet derjenigen, die die Grausamkeiten des Krieges zutiefst erschrocken haben – auf beiden Seiten.
Es ist das Gebet der Friedfertigen inmitten einer kriegerischen Welt. Es ist das Gebet derjenigen, die auch die andere Wange hinhalten und ihre Feinde segnen, anstatt ihnen zu fluchen. Es ist das Gebet der Jüngerinnnen und Jünger dieses Jesus, der im Tod für seine Feinde betet: Vergib Ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.
Verleih uns Frieden gnädiglich –
Darf ich mich zu Ihnen rechnen? Darf ich ihr Gebet sprechen? Habe ich den Glauben, der dafür nötig wäre? … es ist doch ja kein andrer nicht, der für uns könnte streiten.
Ob es auch das Gebet derjenigen sein kann, die heute um all die Schwierigkeit wissen und sich ratlos, unentschieden und furchtsam in die Arme Gottes werfen?
Vielleicht ist es an der Zeit unsere Gebete wieder ernst zu nehmen?
Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott zu unsern Zeiten, es ist doch ja kein anderer nicht, der für uns könnte streiten.
Wir befinden uns am Anfang der Passionszeit. Wir nehmen Teil am Leiden Christi, am Leiden Gottes mit seiner vom Krieg zerrissenen Welt. Passionszeit, passio und passion, erinnert an das Leiden, aber auch an die leidenschaftliche Liebe Gottes.
„16Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. 17Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde.“
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen uns Sinne in Christus Jesus. Amen.