Motettenansprache

  • 16.06.2023
  • Pfarrerin Britta Taddiken

Motette im Bachfest am 16. Juni 2023

Georg Philipp Telemann, Das ist meine Freude

(Motette für vier Stimmen, TVWV 8,17)

 

Das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte.
Setze auf den Herren meine Zuversicht, dass ich verkündige all sein Tun.

 

Liebe Gemeinde,

sie ist eine wunderbar bewegte und bewegende Auslegung ihres biblischen Textes: Georg Philipp Telemanns Motette: „Das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte und meine Zuversicht setze auf Gott den Herrn, dass ich verkündige all dein Tun.“ Dieser Vers ist der letzte in Psalm 73. Ein Psalm, der sich zu lesen lohnt und in dem wir uns wieder finden dürften. Wir begegnen einem Menschen, der mit dem ringt, was er so tagtäglich feststellen muss: Wieso kommen immer die durch, die skrupellos sind, die offenbar kein Gewissen haben und immer nur ihre eigenen Belange durchsetzen? Warum gelingt denen das, die immer so laut schreien? Und warum scheinen die nichts zu zählen, die sich bemühen, anständig zu sein und Rücksicht zu nehmen auf andere? Die bescheiden bleiben in ihren Wünschen und Erwartungen? Die Wut darüber ist dem Psalmbeter anzumerken, wenn er über die sog. „Frevler“ wettert: „Gesund und feist ist ihr Leib…sie brüsten sich wie ein fetter Wanst…sie tun, was ihnen einfällt sie reden böse, sie lästern hoch her…darum läuft ihnen der Pöbel zu und schlürft ihr Wasser in vollen Zügen.“ Und weil sie denken, ihr Tun bliebe unbemerkt vom Himmel und sie hätten sich vor nichts und niemandem zu verantworten, machen sie immer weiter so. „Sie sprechen: Wie sollte Gott es wissen… Siehe, das sind die Frevler, die sind glücklich für immer und werden reich.“ Wer, liebe Gemeinde, hat das nicht schon mal so gedacht und im gleichen Atemzug die ganz große Frage gestellt: Wie kann das eigentlich mit einem gerechten Gott möglich sein, wie kann man an einen Gott glauben, der so etwas zulässt?

Der Beter, die Beterin bekennt in diesem Psalm aber auch, wozu ihn oder sie diese Sicht auf die Dinge und auf Gott geführt haben: „Ich aber wäre fast gestrauchelt mit meinen Füßen, mein Tritt wäre beinahe geglitten“ als ich mich so „ereiferte“ über diese Leute. Und ja, auch das kennen wir vielleicht: Es tut uns nicht gut, wenn wir in diese Haltung abrutschen. Ins Selbstmitleid. In die Wut. Wo ich mich als Opfer sehe, wo immer die andere Schuld sind an meiner Situation und so weiter und so weiter. Und ich irgendwann nichts mehr kenne als diese eine meine sehr beschränkte Sichtweise auf die Wirklichkeit, die ich zur Wahrheit erhebe...

Nein, es tut uns nicht gut, das wissen wir. Und geraten doch immer wieder hinein, quälen uns damit ab. Und auch professionelle Seelsorger und Therapeutinnen sind oft ratlos bei der Frage, wie man einen Menschen dazu bewegen, diese Haltung aufzugeben und da wieder raus zu wollen. Das kann manchmal Jahre dauern.

Für mich ist Psalm 73 insofern durchaus ein therapeutischer Psalm. Er ermutigt zu einer Selbstkritik, die einen nicht klein macht, sondern weiterbringt. Seine Botschaft: Hör auf ständig zu fragen, ob es denn alles umsonst war, was Du versucht hast, Gutes zu tun. Oder ich sag‘s mal so: Das simple Schema „Wohlverhalten und Belohnung“ – das ist eher etwas für die Hundeerziehung, aber das kannst Du Dir doch nicht zur persönlichen Lebensmaxime machen. Der Psalm 73 weiß: Dieses Schema geht nicht auf. Lass Dich nicht irre machen: Die Frevler sind nicht glücklich! Weil sie nur sich selbst haben und kennen, müssen immer weiter machen damit, sich mit ihrem Wanst selbst zu brüsten. Sie haben keine Mitte. Sie haben keinen Grund, auf dem sie stehen. Und auch kein Ziel, sie kennen nur ein immer weiter so und haben die größte Angst davor, dass die Blase einmal platzt oder sie irgendwann doch in den Abgrund stürzen.

Der oder die hier spricht, weiß mehr: Was immer in meinem Leben geschieht, auch in den schrecklichsten und traurigsten Momenten gilt eins: Das große „Dennoch“. „Denn du hältst mich bei meiner rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an. Wenn ich nur dich habe, so frag ich nicht nach Himmel und Erde.“ Es sind die großen Linien, um die es geht, wenn ich mein Leben betrachte. Weiß ich mich von dem Vertrauen getragen, was immer geschieht, ich werde gesehen, ich kann weitergehen, auch Umwege, auch ganz andere Wege als gedacht, das Ziel bleibt gleich. Den Beter macht das bereits stark, während er noch traurig ist und verunsichert und an dem, wie Menschen auf dieser Welt eben auch sein können. Hier liegt jeden Tag der Anfang zu neuen Schritten.

Letzten Samstag ist uns hier in der Kirche ein Faksimile von Johann Sebastian Bachs durch den Theologen Abraham Calov kommentierten Bibel überreicht worden. Bach hat sie hier und da seinerseits kommentiert. Und die Stellen, die er am häufigsten angestrichen hat, sind die, aus der auch Psalm 73 stammt: die alttestamentlichen Bücher der Weisheit. So schreibt Bach an den Rand der Vorrede zum Buch des Prediger Salomos: „So ist nun die Summa …in diesem Buche… dass er zu frieden sey und bleibe mit dem jenigen was Gott gegenwürtig für die hand giebt und diesen Reim führe: Wie es Gott füget daran mir gnüget. Und also dass er sich nicht selbst ängste, fresse noch bekümmere wie es knünfftig gehen will oder sol sondern dencke also Gott hat mir diss Ampt diese Arbeit befohlen dass ich will mit Fleiß thun gehen meine Räthe und Anschläge nicht so eben wie ich gedacht habe so walte es schiecke es und regiere es Gott.“

Wir wissen über den Menschen Bach nicht viel. Aber vielleicht ist es diese Haltung, die doch durch seine Werke durchschimmert und auch uns Heutige tief bewegt, uns tröstet, uns aufrichtet. Und dass der tiefere Grund ist, warum wir zusammen das Bachfest feiern: Soli Deo Gloria - „Das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte.“ Amen.

Gebet

Gott, wir möchten Dir danken für all die Musik in diesem Bachfest. Wir möchten Dir danken für den Trost, den wir darin finden und dass Du mit Deinem guten Geist in Wort und Musik an uns wirkst. Hilf uns weiterzugeben davon an die, die traurig sind, die krank sind an Leib und Seele, an die Verbitterten, an die, die nicht wieder herausfinden aus ihren Verstrickungen. Was wir in Deinem Sinne tun, es ist nicht umsonst. Dazu stärke unsere Hoffnung und unseren Glauben und darum bitten wir Dich mit Jesu Worten: Vaterunser…

Britta Taddiken, Pfarrerin an der Thomaskirche, taddiken@thomaskirche.org