Motettenansprache

  • 08.12.2017
  • Pfarrer Hundertmark

Motettenansprache am 8.12.2017, Thomaskirche zu Leipzig um 18 Uhr

Liebe Motettengemeinde,

Wem öffne ich in unsicheren Zeiten die Tür, wenn es klingelt oder anklopft?

Den älter werdenden Eltern bzw. Großeltern, wie auch den Kindern schärfen wir ein: `Macht die Tür nicht auf, wenn ihr nicht wisst, wer vor euch steht.´ Lieber einmal zu vorsichtig sein, als in ein Unglück zu geraten. Solches, partiell gut nachvollziehbares, Handeln führt dann aber auch dazu, dass man als Pfarrer oder Gemeindebriefausträger nicht mehr in die Häuser kommt, weil Misstrauen so groß ist, dass die Angst am Ende überwiegt.

Mit geschlossene Türen schotten wir uns ab. Austausch mit anderen Menschen ist dann kaum noch möglich. Auf der anderen Seite birgt ein offenes Haus ohne Türen die Gefahr in sich, dass auch Menschen hereinspazieren, deren Absichten alles andere als gut sind. Gibt es einen Mittelweg zwischen zu und ganz weit offen?

Ein Blick auf die Adventsbotschaft könnte hilfreich sein.

Von weiten Türen und geöffneten Toren erzählen Lieder und Texte im Advent. Wir hörten soeben die Vertonung des 24. Psalms nach Andreas Hammerschmidt. Aufbauend auf den Vorstellungen eines einziehenden Königs, dem alle zujubeln, weil er die Stadt in Besitz nimmt, wird die Frage gestellt, wem eigentlich solche Ehre eines festlichen Einzugs gebührt. Die vielfältigen Glaubenserfahrungen des Gottesvolkes lassen hier nur eine Antwort zu:

Es ist der Herr Zebaoth. Er ist der König der Ehren.

Das wiederum bedeutet: Nur einem Gott allein kann ich vertrauen und dienen. Damit aber sind wir beim Bogen, der sich von einem jahrhundertealten Text zu uns ganz persönlich spannen lässt. Denn die Frage, wer einzieht durch das Tor und die weit geöffnete Tür, lässt sich auf uns Menschen, auf jeden einzelnen persönlich applizieren. Advent will sie uns vor Augen führen und jedes Jahr neu stellen. Die Ankunft des Krippenkindes ist eben keine süßlich, romantische Wellnessveranstaltung, damit es mir gut geht und ich mich auch ja richtig wohl fühle. Gottes Advent will ein Advent in meinem Herzen sein. Gott will dort aufräumen und verändern. Von daher stellt sich die Frage: Bin ich bereit, meine Tore des Herzens, meine Herzenstür zu öffnen, damit der ankommenden Christus dort Wohnung nehmen kann?

Oder verschließe ich mein Herze, aus Angst vor dieser Begegnung? Halte ich meine Seelentür verschlossen, weil ich fürchte, es könnte sich mit diesem Gast etwas ändern in meinem Leben? So ängstlich mancher mit der eigenen Wohnungstür ist, so ängstlich sind viele Zeitgenossen, wenn es um eine Beziehung zu Gott geht. Maria, der Mutter Jesu, erging es ebenso. Darüber werden wir in der morgigen Motette nachdenken.

Dabei will der uns entgegenkommende Gott nichts anderes als dass es heil wird in einem Leben, welches durch so viele Möglichkeiten oftmals fragil ist. Wo ständig Angebote gemacht werden, die Seelenheil oder Heilung versprechen, die Sicherheit suggerieren auf Kosten der Freiheit, schwirrt am Ende der Kopf, dass es einem schwindelig werden kann. Mit verschlossenem Herzen wird es keine Heilung geben. Deshalb ist das Anklopfen Jesu so eindringlich und unablässig.

Wo aber gelingt, dass Angst vor Veränderung im eigenen Leben überwunden wird, weil ich es zulasse, dass Gott bei mir Wohnung nimmt, eröffnen sich plötzlich ganz neue Lebensmöglichkeiten. Bewegungsprofile ändern sich. Aus dem ständigen Um-Mich-Selber-Kreisen wird ein Bewegen hin zu anderen Menschen. Aus Bewegung entsteht dann Begegnung. Maria, ausgefüllt mit Gottes neuer Kraft, hat sich übers Gebirg auf den Weg gemacht, um ihre Erfahrung zu teilen. Advent will uns dazu einladen, liebe Motettengemeinde

Erfahrungen mit Gott teilen 

Begegnungen leben und 

Herauskommen aus den gut verschlossenen und gut vermauerten Kammern.

Gottes adventlicher Geist ist ein Geist des Aufbruchs und der Veränderung. Er ist auch ein Geist des Widerspruchs gegen diejenigen, die sagen: Das lohnt sich nicht. Das haben wir immer schon so gemacht oder Es hat keinen Zweck, weil du zu schwach bist. Wir brauchen Gottes Zuspruch für unseren Einspruch, wenn Liebe und Mitmenschlichkeit mit Füßen getreten werden. In J. S. Bachs Motette „Fürchte dich nicht, ich bin bei dir“ lässt er sich gut zusammenfassen:

„Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich erhalte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit“.

Darauf dürfen wir vertrauen. Daraus können wir leben – angstfrei und verantwortlich. Amen.

Gebet

Aus der adventlichen Betriebsamkeit kommen wir zu Dir, Herr, um Ruhe zu finden in der Stille und in der Stille vor Dich zu bringen, was uns bewegt:

STILLE

„Ach mache du mich Armen zu dieser heilgen Zeit aus Güte und Erbarmen, Herr Jesu, selbst bereit. Zieh in mein Herz hinein vom Stall und von der Krippen, so werden Herz und Lippen dir allzeit dankbar sein.“ EG 10,4