Motettenansprache

  • 25.11.2017
  • Pfarrerin Taddiken

Robert Schumann (1810-1856)Missa sacra c-Moll op. 147zweite Fassung für Soli, Chor und Orgel (1853)

1. Kyrie
Chor
Kyrie eleison. Christe eleison.
Herr, erbarme dich. Christe, erbarme dich.
Kyrie eleison. Herr, erbarme dich.

2. Gloria
Chor
Gloria in excelsis Deo et in terra pax
Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden
hominibus bonae voluntatis.
den Menschen seines Wohlgefallens.
Laudamus te, benedicimus te,
Wir loben dich, wir preisen dich,
adoramus te, glorificamus te.
wir beten dich an, wir rühmen dich.

Sopran und Chor
Gratias agimus tibi
Wir sagen dir Dank
propter magnam gloriam tuam.
um deiner großen Ehre willen.

Chor
Domine Deus, Rex coelestis,
Herr Gott, himmlischer König,
Deus Pater omnipotens,
Gott, allmächtiger Vater,
Domine Fili unigenite, Jesu Christe,
Herr, eingeborner Sohn, Jesu Christe,
Domine Deus, Agnus Dei, Filius Patris.
Herr Gott, Lamm Gottes, Sohn des Vaters.
Qui tollis peccata mundi,
Der du trägst die Sünde der Welt,
miserere nobis,
erbarme dich unser,
suscipe deprecationem nostram.
nimm an unser Gebet.
Qui sedes ad dexteram Patris,
Der du sitzest zur Rechten des Vaters,
miserere nobis.
erbarme dich unser.
Quoniam tu solus sanctus,
Denn du allein bist heilig,
tu solus Dominus,
du bist allein der Herr,
tu solus altissimus, Jesu Christe.
du bist allein der Höchste, Jesu Christe.
Cum Sancto Spiritu in gloria Dei Patris. Amen.
Mit dem Heiligen Geist in der Herrlichkeit
Gottes des Vaters. Amen.

3. Credo
Chor
Credo in unum Deum
Ich glaube an den einen Gott,
patrem omnipotentem,
den allmächtigen Vater,
factorem coeli et terre,
Schöpfer des Himmels und der Erde,
visibilium omnium et invisibilium.
alles Sichtbaren und Unsichtbaren.
Et in unum Dominum, Jesum Christum,
Und an den einen Herrn, Jesus Christus,
filium Dei unigenitum,
Gottes eingeborenen Sohn,
et ex patre natum ante omnia saecula.
aus dem Vater geboren vor aller Zeit:
Deum de Deo, lumen de lumine,
Gott von Gott, Licht vom Licht,
Deum verum de Deo vero,
wahrer Gott vom wahren Gott,
genitum non factum,
gezeugt, nicht geschaffen,
consubstantialem patri,
eines Wesens mit dem Vater;
per quem omnia facta sunt.
durch ihn ist alles geschaffen.
Qui propter nos homines et propter
Für uns Menschen und zu unserem Heil
nostram salutem descendit de coelis.
ist er vom Himmel gekommen.
Et incarnatus est de spiritu sancto
Und hat Fleisch angenommen durch den
ex Maria virgine,
Heiligen Geist von der Jungfrau Maria
et homo factus est.
und ist Mensch geworden.
Crucifixus etiam pro nobis
Er wurde für uns gekreuzigt
sub Pontio Pilato
unter Pontius Pilatus,
passus et sepultus est.
hat gelitten und ist begraben worden.
Et resurrexit tertia die
Ist am dritten Tage auferstanden
secundum scripturas,
nach der Schrift
et ascendit in coelum,
und aufgefahren in den Himmel.
sedet ad dexteram patris,
Er sitzt zur Rechten des Vaters
et iteum venturus est,
und wird wiederkommen in Herrlichkeit,
cum gloria judicare vivos et mortuos,
zu richten die Lebenden und die Toten;
cuius regni non erit finis.
seiner Herrschaft wird kein Ende sein.
Et in spiritum sanctum
Und an den Heiligen Geist,
Dominum et vivificantem,
der da Herr ist und lebendig macht,
qui ex patre filioque procedit;
der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht,
qui cum patre et filio simul adorator,
der mit dem Vater und Sohn angebetet
et conglorificator;
und verherrlicht wird,
qui locutus est per prophetas.
der gesprochen hat durch die Propheten.
Et unam sanctam catholicam
Und an eine heilige allgemeine
et apostolicam ecclesiam.
und apostolische Kirche.
Confiteor unum baptisma
Ich bekenne die eine Taufe
in remissionem peccatorum,
zur Vergebung der Sünden;
et expecto resurrectionem mortuorum
und erwarte die Auferstehung der Toten
et vitam venturi saeculi. Amen.
und das Leben der kommenden Welt. Amen.

4. Offertorium
Sopran
Tota pulchra es, Maria,
Schön bist Du, Maria,
et macula non est in te.
und der Makel ist nicht in dir.
Tu gloria Jerusalem.
Du bist der Ruhm Jerusalems,
Tu laetitia Israel.
du die Freude Israels,
Tu honorificentia populi nostri.
du die Ehre unseres Volkes.
Tu advocata peccatorum.
Du Fürsprecherin der Sünder.
O Maria, virgo prudentissima,
Maria, du klügste der Jungfrauen,
mater clementissima.
Du mildeste der Mütter.
Ora pro nobis: intercede pro nobis
Bitte für uns
ad Dominum Jesum Christum!
bei unserem Herrn Jesus Christus.

5. Sanctus
Chor
Sanctus, sanctus, sanctus
Heilig, heilig, heilig
Dominus Deus Sabaoth.
ist Gott, der Herr Zebaoth.
Pleni sunt coeli et terra gloria tua.
Erfüllt sind Himmel und Erde von seiner
Hosanna in excelsis Deo.
Herrlichkeit. Hosianna Gott in der Höhe.

Tenor und Chor
Benedictus qui venit in nomine Dei!
Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!

Sopran, Bass und Chor
O salutaris hostia,
O heilbringende Opfergabe,
quae coeli pandis ostium,
die du die Tür des Himmels öffnest,
bella premunt hostilia,
feindliche Kriege drängen:
da robur, fer auxilium.
gib Kraft, bringe Hilfe.

Chor
Sanctus, sanctus, sanctus
Heilig, heilig, heilig
Dominus Deus Sabaoth. Amen!
ist Gott, der Herr Zebaoth. Amen!

6. Agnus Dei
Chor
Agnus Dei qui tollis peccata mundi,
Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt,
miserere nobis, dona nobis pacem.
erbarme Dich unser, gib uns Frieden.

Liebe Gemeinde,
morgen ist der Ewigkeitssonntag oder der Totensonntag. Wir werden aller verstorbenen Gemeindeglieder gedenken und ihre Namen im Gottesdienst noch einmal verlesen. „Ich habe Dich bei Deinem Namen gerufen, Du bist mein", heißt es beim Propheten Jesaja. Es ist unser Name, der nach biblischem Verständnis für unsere Einzigartigkeit und Unverwechselbarkeit steht - jeder Person und jedes Menschen. Darum schreiben wir die Namen derer auf die Grabsteine, die uns lieb waren: Dass ihr Gedenken unser Erinnern überdauern möge - und deshalb kleiden wir die Gräber grün ein: mit der Farbe der Hoffnung und der Ewigkeit. Und viele machen sich heute und morgen ja auch auf den Weg auf die Friedhöfe, entzünden Kerzen, halten einen Moment inne, sind dankbar für das, was wir durch diese Menschen für unser Leben empfangen durften oder versuchen uns zu versöhnen mit dem, was zwischen uns offen blieb. Nicht zuletzt Letzteres bringt uns auch dazu, auf unser eigenes Leben zu schauen, auf unser Glück, auf unsere Fragmente, auf unser Gelingen, auf unser Scheitern, auf unsere Not, aber auch auf unsere Hoffnung angesichts unserer Endlichkeit.

Bis in die frühe Zeit des Christentums reicht eine Form des Gottesdienstes zurück, der all diese Aspekte aufnimmt und zur Sprache bringt: Die lateinische Messe. Auch ihre musikalische Vertonung zieht sich durch die Geschichte und heute hören wir sie in einer Vertonung von Robert Schumann, seine „Missa sacra" in c-moll aus dem Jahr 1853. Als Schumann das Amt des Musikdirektors der Stadt Düsseldorf übernommen hatte, gehörte zu seiner Aufgabe, auch geistliche Werke aufzuführen. Ihm lag da nahe, denn hat die Musica Sacra in seinen letzten Lebensjahren als „das höchste Ziel" betrachtet, das ein Musiker anstreben sollte. Das dürfte ihn dazu bewogen haben, selbst eine Messe zu komponieren. Den ersten Satz haben wir eben schon gehört, den Ruf „Kyrie eleison - Herr, erbarme dich". Damit beginnt jede Messe: Mit diesem Ruf um Erneuerung. Wer sagen kann: „Erbarme Dich", bringt seinen Wunsch und Willen nach Veränderung seines Lebens zum Ausdruck - und zugleich sein Wissen um die eigene Widersprüchlichkeit und Brüchigkeit seines Lebens.

Demgegenüber steht das Lob der Größe und Herrlichkeit Gottes im Gloria. Der mit leeren Händen vor Gott stehende Mensch wird mit hineingenommen in die die glanzvolle Atmosphäre des Himmels. Der erste Teil des Glorias ist ganz und gar bestimmt von diesem Lobpreis der Herrlichkeit Gottes. In diesem Lob wird deutlich, woher wir die Erneuerung unseres Lebens erwarten dürfen: nicht aus unseren Selbstrechtfertigungen heraus oder aus dem, was wir unseren eigenen Einfällen und unserer Fähigkeit zum Kalkül verdanken. Es ist vielmehr die bleibende Kraft, mit der Gott in seiner Schöpfung anwesend ist und derjenige, in dem diese Kraft Gestalt gewonnen hat: Jesus Christus. In ihm hat Gott sich auf immer mit dem Menschen verbunden. So wird im zweiten Teil des Glorias die Bitte um Erneuerung und Zuwendung ausgesprochen: Der, der den Zwiespalt zwischen Himmel und Erde ein für alle Male versöhnt und geheilt hat und damit zwischen dem, was sein soll und was ist - der möge auch in unserem Leben zusammenfügen, was auseinandergefallen ist: „Der du trägst die Sünde der Welt, erbarme dich unser." Um seinetwillen müssen wir nicht mehr in den Lügengebäuden ausharren, die wir aus der Angst heraus aufbauen, den an uns herangetragenen Erwartungen nicht zu genügen. Wir können sie verlassen, bevor sie über uns zusammenstürzen.

Diese Bitte um Heilung wird im Folgenden unterstrichen: Quoniam tu solus Sanctus - denn du allein bist heilig. Gott allein ist heilig, nicht das Bild, das wir von uns selbst haben oder aufzubauen versuchen. Das, was zu Beginn des Gloria als neuer himmlischer, weihnachtlicher Dreiklang der Engel von Bethlehem angestimmt wurde, erfährt hier noch einmal seine Bestätigung und Bekräftigung: Gloria in excelsis Deo: Gott in der Höhe die Ehre - und keinem überzogenen Anspruch an das eigene Leben oder das eines anderen. Et in Terra Pax: Friede auf Erden - die Anerkennung aller Menschen als gewollte und von Gott angesprochene Wesen. Hominibus bonae voluntatis -und den Menschen ein Wohlgefallen: dieses gleichberechtigte Miteinander zum Besten aller gestalten und voranbringen zu wollen und auch zu sollen. Denn mit diesem Auftrag wird jeder, der die Messe, den Gottesdienst besucht, aus ihr wieder in die Welt gesandt: im Frieden des Herrn zu gehen und ihn, erneuert und gestärkt an Leib und Seele, in diese Welt zu tragen - versöhnt durch Gott mit sich selbst. Dona nobis pacem. Die Bitte um Frieden beschließt die Messe. Für uns - und auch für die, die wir in diesem Frieden wissen können, die uns vorausgegangen sind und derer wir in diesen Tagen gedenken.

Wir beten:
Unser Gott, wir wissen, wie zerbrechlich unser Leben ist. Wir bitten Dich für alle, die heute um Menschen trauern. Auch für die, die Angehörige und Freunde verloren haben bei dem Terroranschlag in Ägypten. Für alle, die Opfer geworden sind von Gewalt und Unrecht, von Katastrophen aller Art, für alle, die krank waren und für alle, die sterben werden. Schenk uns die Hoffnung, dass Du uns in Jesus Christus nahe kommt, der uns neues Leben verheißt durch seinen Geist, jetzt und in Ewigkeit. Befreie uns von unseren Ängsten. Sei in unseren Tränen und Abschieden, schenke uns Hoffnung und neue Kraft, die uns wieder aufhilft.
Darum bitten wir Dich, wenn wir jetzt mit den Worten Jesu beten: Vaterunser...

Britta Taddiken, Pfarrerin an der Thomaskirche, taddiken@thomaskirche.org