Motettenansprache

  • 20.10.2017
  • Pfarrer Hundertmark

Motettenansprache am 20.10.2017, St. Thomas zu Leipzig um 18 Uhr

Liebe Motettengemeinde,

die Sehnsucht nach einem ruhigen und stillen Leben ist da besonders groß, wo selbiges als unruhig und stürmisch, als laut und zunehmend kompliziert empfunden wird. Dabei ist zu beobachten, dass uns Gefühle und Empfindungen viel stärker leiten als es Verstand und Fakten vermögen. Aus solcher unguten Mischung entstehen Ängste, die über uns Macht gewinnen und so manche Entscheidung beeinflussen. Wem kann ich noch vertrauen? Wem kann ich mein Leben anvertrauen?

Wo diese Fragen dann allzu schnell mit „Niemandem“ beantwortet werden, fangen wir an, uns einzuigeln und, einem Brummkreisel gleich, uns nur noch um die eigene Achse zu drehen. Süchtig vom Haschen nach allein auf mich selbst bezogenen Bedürfnissen, treiben wir diesen egozentrischen Brummkreisel immer weiter an, bis uns schwindelig wird und jede Orientierung verloren geht. So taumeln wir durch ein Leben, dass, je fester wir es halten wollen, uns umso mehr durch die Finger entgleitet. Vielleicht mag es ein wenig naiv klingen, wenn Johann Walter dichtet, dass wir unseren Fürsten und der Obrigkeit vertrauen dürfen, weil sie in Verantwortung regieren und ihr Amt dementsprechend ausüben. In der von Heinrich Schütz dem Thomanerchor gewidmeten Vertonung „Gib unsern Fürsten“ heißt es:

"Gib unsern Fürsten und aller Obrigkeit · Fried und gut Regiment, dass wir unter ihnen · ein geruhig und stilles Leben führen mögen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit.“

In zweierlei Hinsicht sind die Zeilen bemerkenswert. Sagen sie doch einerseits, dass auch die Verantwortlichen nicht allein aus sich selbst heraus regieren können, sondern auf Gottes Frieden, auf Weisheit und Verstand angewiesen sind. Auf der anderen Seite geht es eben nicht um ein still und ruhig dahin plätscherndes Leben, ohne Salz und Würze. Vielmehr geht es um ein Leben in Ehrbarkeit und eigener Verantwortung vor Gott. Dass, was sich im Großen ablesen lässt, spiegelt sich auch im Kleinen wieder – weg von Egoismen hin zur Gemeinschaft aus der wir heraus fruchtbar handeln für uns, aber vielmehr auch noch für Mitmenschen, für unseren Nächsten. Wir erleben das momentan leider anders.

Sezessionsbestrebungen in der Europäischen Union gefährden deren Stabilität und die Werte, für die ihre Gründungsväter nach den schrecklichen Erlebnissen eines Weltkrieges einstanden. Es scheint, dass sich der von der lokalen Agende geprägte Slogan „Global denken und lokal handeln“ gerade umkehrt.

Den Bestrebungen, nur noch sein eigenes Umfeld wahr- und ernst zu nehmen, darf getrost widersprochen werden, indem wir als Christen darauf hinweisen, wahrer, innerer Frieden lässt sich in der Beziehung zu Gott durch Jesus Christus finden und nicht in der Beziehung nur zu mir selsbt. Wie ein Anker, kann ich daran festmachen und mich orientieren. So lässt sich das „geruhig und stille“ Leben verstehen als ein Leben mit Verankerung in Gott. Und wer aus innerem Frieden, der gleichzeitig von Selbstüberschätzung befreit, heraus handelt, wird die Erfahrung machen, dass auf dem Tun Segen liegt. Deshalb ist die Bitte „Verleih uns Frieden gnädiglich“ eine tägliche Bitte, die wir bitter nötig haben.

Lassen Sie mich, liebe Motettengemeinde, noch einen anderen Gedanken aufgreifen, den wir in J. S. Bachs Motette „Komm, Jesu, komm“ finden. Der ermüdete Mensch sehnt sich nach Gemeinschaft mit Jesus Christus, sehnt sich nach Erlösung. Mag sein, dass hier der Akzent stark auf dem Lebensende liegt. Der Arientext spricht zumindest dafür. Er muss es aber nicht ausschließlich. Die Erkenntnis, dass Jesus der Weg und die Wahrheit und das Leben ist, braucht uns als Menschen nicht erst auf dem Sterbebett zu leiten. Sie kann ebenfalls zur Orientierungshilfe werden für ein gottseliges und ehrbares Leben. Denn was bedeuten denn Weg, Wahrheit und Leben für mich? Dreierlei:

  • Hoffnung, weil mein Leben sich nicht allein auf die mir hier auf Erden zugemessene Zeit erschöpft, sondern in Gottes Gemeinschaft ewig geborgen ist.
  • Vertrauen, weil ich mich nicht zum alleinigen Wahrheitsmaßstab machen muss, sondern an Christus prüfen kann, was dem Leben dient.
  • Zuversicht, weil ich mir den Weg zu Glück und Seligkeit nicht selber ebnen muss, sondern er mir durch Christus bereitet ist.

Dafür braucht es einen Glauben, der loslassen kann, ohne sich dabei gehen zu lassen. "Komm, komm, dir will ich mich ergeben. Du bist der rechte Weg, die Wahrheit und das Leben." Amen.

Gebet

Barmherziger Vater im Himmel,

Wir danken dir dafür, dass du uns annimmst als deine geliebten Kinder.

Wir danken Dir für dein Vertrauen in uns, welches du durch deinen Sohn Jesus Christus zeigst, der niemanden aufgibt.

Am Ende der Woche kommen wir zu Dir mit unsern Bitten und Nöten. In der Stille bringen wir sie zu Dir: STILLE

 

Vater unser im Himmel….