Motettenansprache

  • 30.06.2023
  • Pfarrerin Britta Taddiken

Motette am 28. Juni 2023

Johann Sebastian Bach, Lobet den Herrn, alle Heiden, BWV 230 (Motette für 4st. Chor und B.C.)

Lobet den Herrn, alle Heiden, und preiset ihn, alle Völker! Denn seine Gnade uns Wahrheit waltet über uns in Ewigkeit. Alleluja (Psalm 117,1-2)

Liebe Gemeinde,

„Lobet den Herrn, alle Heiden“ – auch heute hören wir diese Motette von Johann Sebastian Bach zu Beginn dieser Motette. Es hat sich so ergeben, dass viele Ensembles sie mit im Gepäck hatten in der letzten Zeit. Und das ist gut. Nicht nur, weil es ein großartiges Stück ist. Sondern weil wir genau das immer wieder brauchen: Immer wieder zum Lob Gottes aufgerüttelt zu werden, immer wieder dieses: „Denn seine Gnade und Wahrheit währet über uns in Ewigkeit“. Wir brauchen das. Denn: Über alle menschliche Niedertracht, Gier, hemmungslosen Betrug, die Lust an der Lüge als Prinzip – über all das möchte man manchmal verzweifeln angesichts von Putin, Prigoschin und den ganzen anderen Warlords. Am meisten aber mag es einem dort nahe gehen, wo man sich selbst kritisch hinterfragen muss: Wo bin ich denn da beteiligt und trage solch ein System mit? „Ja, schlimm, aber ach, was kann ich da schon tun?“, den Satz haben wir schnell zur Hand. Zu schnell, weil wir ahnen, welche Kraft und nicht nur Kraft das kostet, umzudenken. Es tut uns gut, dann zu wissen, wo wir immer wieder neu Orientierung finden. Es ist „Seine Gnade und Wahrheit währet über uns in Ewigkeit.“ In Bachs Motette zieht sie sich durch alle Stimmen und durch alle musikalischen Höhen und Tiefen hindurch so wie durch unser Leben. Auf nichts anderes hat uns auch der immer wieder hingewiesen, nach dem sich die Christenmenschen nennen: Jesus Christus.

Er war ein Meister darin, solche Kraft und Lust in uns zu wecken, dass wir uns immer wieder auf die über uns waltende Gnade zurückbeziehen. Und unsere Phantasie anzustacheln – vor allem, wenn dieses Umdenken in und mit uns selbst beginnen muss. Ein Beispiel, das viele vielleicht kennen: Erst den Balken aus dem eigenen Auge ziehen – und sich dann, aber auch erst dann, um den Splitter im Auge des Bruders oder der Schwester kümmern.

Der aber vielleicht kreativste Ansatz ist eine andere Geschichte. Die berühmte von der rechten Wange, die man auch noch hinhalten möge, wenn man auf die linke geschlagen wird. Die linke Wange eines Menschen erreichen Sie nur, wenn sie ihn mit dem Handrücken schlagen – eine Geste der Verachtung, mit der man seinerzeit Sklaven bestrafte. Die rechte Wange hinzuhalten heißt in diesem Zusammenhang also: Diese Demütigung nehme ich einfach nicht an. Ich verkrieche mich nicht, Du musst mir schon ins Gesicht gucken.

Und da ist noch eine wunderbare Geschichte als 5000 Menschen mit fünf Broten und zwei Fischen sich fragen, wie sie davon satt werden können. Jesus geht mit dem Problem so um, dass er sagt:  Es interessiert nicht, was ihr an Brot und Fischen nicht habt oder was ihr nicht könnt, sondern dass ihr guckt, was ihr habt und tut, was ihr gelernt habt. Modern gesagt: Es geht um den kreativen und pragmatischem Umgang mit dem, womit man reichlich gesegnet ist: mit Verstand und Herz. Wo wir uns derer bedienen, wird sich auch etwas entwickeln. Wir gucken ja so gerne andersherum auf die Dinge: Auf das, was nicht da ist und deshalb scheinbar auch nicht erreichbar.

Die Lust, die Jesus zu wecken weiß, fußt auf einer ganz klaren Botschaft. Es ist genau die dieser Bachmotette: „Gottes Gnade und Wahrheit walten über uns in Ewigkeit“. Die Lebenskräfte, die er in uns gelegt hat und die er immer wieder von Neuem erwecken wird. Wir können‘s gar nicht genug hören. Denn da sind so viele andere Stimmen in uns. Die irgendwie näher am Ohr sind. Ja, sie sind da. Aber den Platz, dass wir sie über uns walten lassen, den sollten wir ihnen einfach nicht gönnen.

Wir beten:

Unser Gott,

wir danken Dir für alles Gute, was wir empfangen haben. Für all das, was wir viel zu oft als viel zu selbstverständlich hinnehmen. Hilf uns, unsere Kräfte und Phantasie und unsere Lust dort einzubringen, wo sie gefragt sind und gebraucht werden. Bewahre uns vor Kleinmut, Selbstmitleid und Resignation. Lass Deine Gnade und Wahrheit walten über dieser Welt und über unserem Leben.

Im Namen Jesu bitten wir Dich darum: Vaterunser…

Britta Taddiken, Pfarrerin an der Thomaskirche, taddiken@thomaskirche.org