Motette

  • 28.01.2017
  • Pfarrerin Taddiken

Motette am 27./28. Januar 2017

Liebe Gemeinde,
dass Gott das Ungewitter stillt, wie es im eben gehörten Psalm heißt, das findet sich als Motiv häufig in der Bibel und es ist auch immer wieder in der Musik vertont worden. Und das triffts ja, wie wir uns manchmal vorkommen im Leben: Dass wir denken, wir sind in unserem kleinen Boot von allen möglichen Wellen hin und her geworfen und fragen uns, ob wir da wohl heil durchkommen. Eine biblische Geschichte geht da aber noch weiter - und zwar die, in der Jesus über das Wasser geht. Sie gehört zu den Texten des kommenden Sonntags. Sie ist schon erst mal eine ziemlich Zumutung für uns heute: über's Wasser gehen. Wer's glaubt, wird selig? Hören wir sie einfach erst mal aus dem Matthäusevangelium:

Und alsbald drängte Jesus seine Jünger, in das Boot zu steigen und vor ihm hinüberzufahren, bis er das Volk gehen ließe. Und als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er allein auf einen Berg, um für sich zu sein und zu beten. Und das Boot war schon weit vom Land entfernt und kam in Not durch die Wellen, denn der Wind stand ihm entgegen. Aber in der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen und ging auf dem Meer. Und als ihn die Jünger sahen auf dem Meer gehen, erschraken sie und riefen: „Es ist ein Gespenst!" Und sie schrien vor Furcht. Aber sogleich redete Jesus mit ihnen und sprach: „Seid getrost, ich bin's; fürchtet euch nicht!" Petrus aber antwortete ihm und sprach: „Herr, bist Du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser." Und er sprach: „Komm her!" Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu. Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: „Herr, rette mich!" Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: „Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?" Und sie stiegen in das Boot und der Wind legte sich. Die aber im Boot waren, fielen vor ihm nieder und sprachen: Du bist wahrhaftig Gottes Sohn!"

Auch schon für den Evangelisten Matthäus galt: Die Wahrheit solcher Geschichten erschöpft sich nicht in der Frage nach ihrer Faktizität, sondern sie ergibt sich aus dem, was sie von Anfang an wollen: Glauben wecken, Vertrauen schaffen angesichts der Erfahrung der Realität damals wie heute. Wir erleben wie zerstörerische Kräfte in unser Leben einbrechen - innere und äußere und Sturm in unser Leben bringen. Und am schlimmsten sind die Momente, wo man merkt: da ist auf einmal das Vertrauen weg. Ob mein Weg richtig ist. Familiär, beruflich, persönlich. Oder wo ich merke: Was gilt denn eigentlich noch? Was kommt da auf uns zu? Ja, was kommt auf uns zu mit einem Präsidenten Trump, der eher auf Twitter setzt als auf Diplomatie. Der „alternative Fakten" liebt und per Dekret regiert und reagiert: Heute hat er die USA für Flüchtlinge aus Syrien geschlossen. Was passiert da gerade? Wohin steuert unsere Welt?

Ja, man kann sich in den letzten Tagen und Wochen schon vorkommen wie in einem Sturm. Wie die Jünger, die merken: Wir können das Chaos nicht mehr mit den Mitteln des eigenen Willens bewältigen. Und je weiter sie sich in ihre Panik hinein steigern, desto so mehr passiert's: Die rettende Möglichkeit, die rettende Kraft wird nicht gesehen. Im Gegenteil, sie kommt einem auch noch als Bedrohung vor. Wer den Kopf nicht mehr freikriegt, kann durchaus Gespenster sehen. Hier bei den Jüngern in der Geschichte ist jedenfalls der Moment beschrieben, wo es einem verschwimmt, wo man nicht mehr unterscheiden kann zwischen Hilfe oder Bedrohung. Und so schreien sie vor Furcht. Immerhin. Der Schrecken wird laut. Er kann gehört werden und er wird gehört. Denn es heißt: Sogleich redete Jesus mit ihnen. Wenn sie im Moment nicht sehen können, dann können sie vielleicht das: hören. Hören auf den Satz, der so und in Abwandlung nicht von ungefähr 365 x in der ganzen Bibel vorkommt, weil wir ihn im Grunde jeden Tag hören müssen: „Fürchtet Euch nicht. Seid getrost, ich bin‘s."

In dieser Szene kommt dieses Wort wie aus einer anderen Welt. Man könnte sagen „von oben". Denn Jesus war auf einem Berg, hat sich vier Nachtwachen lang vergewissert, woher die tragenden Kräfte kommen. Er vertraut sich ganz der Kraft seines nicht verfügbaren und doch anwesenden Gottes an. Daraus schöpft er Kraft für den nächsten Schritt. Und dieser Schritt auf dem tosenden Wasser in Verbindung mit dem Ruf an die Jünger: „Ich bin's" - der ist's offensichtlich, der nun den Jünger Petrus ermutigt, die letzte vermeintliche Sicherheit seiner kleine Nussschale zu verlassen. Er wagt sich heraus aus auf's Wasser. Nur im Vertrauen, es wird werden. Und entdeckt, dass er auf seinen Ängsten gehen kann, sie unter sich lassen kann. Dass er seine Ängste beherrschen kann - und nicht sie ihn. Ein afrikanisches Sprichwort: „Sag Gott ruhig, wie groß deine Sorgen sind - aber dann sage Deinen Sorgen auch, wie groß Gott ist".

Das ist der entscheidende Punkt in Geschichte: Es geht um diese Schritte - nicht um irgendein Naturwunder. Es geht um diese Schritte, die Petrus auf diesen bedrohlichen Wellen schafft. Deswegen ist die Geschichte bis heute weitererzählt worden.

Natürlich bleibt Petrus dabei die Erfahrung nicht erspart: Es ist möglich, auch einzubrechen. Zu groß ist das Getöse um ihn herum, die vielen anderen Stimmen, die Unsicherheiten, die Probleme - eben der Sturm. Und dennoch hängt alles davon ab, es zumindest zu wagen. Das Vertrauen wird stärker sein als der Zweifel. Der, der einen ruft, wird einem auch die Hand hinhalten. Denn so fängt die ganze Geschichte ja an. Jesus drängt seine Jünger in das Boot. Er mutet ihnen das Leben zu, wie es ist. Er traut ihnen zu an Sturm und Wellen zu reifen und zu begreifen: Wir sind nicht dazu verurteilt, in den Wellentälern unseres Lebens nur Sinnlosigkeit sehen zu müssen, auch dann nicht, wenn wir uns überspült fühlen von schlechten Nachrichten.

Nicht von ungefähr steht immer wieder Petrus im Mittelpunkt von Geschichten, in denen es ums Schwanken zwischen Klein-, Groß- , und mitunter auch Hochmut geht. Nur an diesen Erfahrungen reift jemand zum Fels, griechisch „Petros". Am Ende siegt sein Vertrauen. Der Sturm legt sich. Erst einmal. Denn diese Geschichte kann ja auch wieder von vorne beginnen - im Leben geht es immer wieder raus auf's Wasser. Aber der, der ruft: „Fürchtet Euch nicht, ich bin's", der wird auch immer dabei sein. Amen.

Britta Taddiken, Pfarrerin an der Thomaskirche, taddiken@thomaskirche.org