Gedanken zum Tag

  • 23.07.2020
  • Prädikantin Dr. Almuth Märker

Das Gute am Predigen – und da meine ich diesmal am Predigthören – ist, dass diejenigen, die auf der Kanzel stehen, die Bibelverse schon längere Zeit und mehrere Male durchdacht, betrachtet, befragt oder im Bild: im Geist durchgekaut haben – am Schreibtisch, auf dem Fahrrad, während einer Sitzung. Was sich ihnen erschlossen hat, dem geben sie Gestalt in ihren Predigtworten. Wenn mich ein Predigtwort erreicht, dann ist also schon viel Vorarbeit geleistet. Ich lehne mich zurück, höre zu, bin ganz Ohr, drifte in Gedanken ab. Denn dieses vorbereitete, aufbereitete und wie eine Gedankenspeise zubereitete Wort Gottes löst etwas in mir aus. Ich werde nachdenklich, traurig, muss lächeln, bin plötzlich von Wehmut erfüllt, oder Freude steigt glucksend in mir auf. Die Bibelworte stoßen etwas in mir an, bestärken mich, verändern.

 Der Evangelist Markus (16, 15) schreibt: „Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur“ und unterscheidet sich nur wenig von der analogen Stelle bei dem sprichwörtlichen ‚Matthäi am letzten‘ (Mt. 28, 19: „lehret alle Völker“). Das Evangelium aller Kreatur, also der ganzen Schöpfung zu predigen, das geht doch weit über Religions- und Konfirmandenunterricht, auch über den Missionsgedanken hinaus.

Aller Kreatur wird gepredigt. Das bedeutet aus der Perspektive unter der Kanzel, dass nicht nur ich dort sitze und von Gottes Wort betroffen bin, sondern die ganze Schöpfung: Ich bin umgeben von Mensch und Tier, von Vieh und Gewürm, von Fischen und Vögeln, Gras, Kraut und Bäumen, ja von Wasser, Erde und Himmel so wie von Tag und Nacht. Und so, wie Gottes Wort mich betrifft und bewegt, reagiert auch die Schöpfung. Die Ströme klatschen in die Hände, alle Berge sind fröhlich (Ps. 98,8). Das Reh ist froh und kommt aus seiner Höh‘ ins tiefe Gras gesprungen (EG 503, 4). Die Wiese sieht mich an mit großen Augen aus Wasser (Hilde Domin).

Ich gehe in den Tag. Gottes Schöpfung begleitet mich.