Gedanken zum Tag

  • 11.06.2020
  • Pfarrerin Jutta Michael

Unsre Seele ist entronnen wie ein Vogel dem Netze des Vogelfängers; das Netz ist zerrissen, und wir sind frei. (Psalm 124,7)

Der Engel des Herrn kam in das Gefängnis und Licht leuchtete auf in dem Raum; und er stieß Petrus in die Seite und weckte ihn und sprach: Steh schnell auf! Und die Ketten fielen ihm von seinen Händen.
(Apostelgeschichte 12,7)

Was für ein ermutigender Gedanke für den Morgen! Vielleicht sortieren Sie gerade Ihre Pflichten für heute. Vielleicht ist schon wieder alles zu schnell ins Laufen gekommen nach dem Lockdown … oder ganz im Gegenteil: Alle Arbeit ist gerade besonders mühsam, nichts geht so richtig, weil die Vorsichtsmaßnahmen in vielen Bereichen ein freies Agieren verhindern.

Der Psalmbeter erinnert die ehemals Gefangenen, in ihrer Existenz Bedrohten an die Befreiung durch Jahwe. Diese Erinnerung ist den Hörenden Quelle der Kraft. Ich habe es doch schon einmal geschafft… Man hat mir doch Hilfe zugesichert! Der Betende hat diesen festen Punkt, an den bindet er sich. Damit sind die anderen Ketten ohne Wirkung.

Der freie Mut des Petrus, sein Bekennen: „Ja, ich glaube, dass dieser Jesus von Nazareth Gottes Sohn ist, der Christus, der gekommen ist, die Menschen von den Sünden zu befreien!“ - dieses freimütige Bekenntnis hat ihn herausgeholt aus dem Gefängnis. Wenn wir diese wundersame, auch befremdliche Geschichte lesen, sollten wir auf die Kraft achten, die in ihr wirkt: Einer, der scheinbar gar nichts mehr tun kann, weil er gebunden ist, weil er umstellt ist von Mächten, die ihn lähmen, wird da heraus geführt. Er wird geweckt, geschüttelt… „Steh schnell auf!“ Aber wie soll das gehen? Es wird doch kein Wunder geschehen und alles ist wie vorher! Und die Netze und Ketten sind doch auch nicht folgenlos. Sie haben ihre Wirkung getan, Mut und Zuversicht gedämpft… Aber da ist schon ein Engel am Werk. Er steht für den, der uns Kraft gibt, an schwer zu Ertragendem nicht zu verzweifeln und dem Licht, das auch in den dunkelsten Raum fällt, zuzutrauen, dass es Ketten lösen und Netze zerreißen kann.

Jutta Michael
Pfarrerin auf dem Campus forum thomanum