Gedanken zum Tag

  • 07.04.2020
  • Landesbischof i. R. Christoph Kähler

Die große Woge

Die Riesenwellen kommen vom Heck und Bug des Bootes, wölben sich über die Personen im Boot und schlagen über ihnen zusammen. Alle können auf diesem Bild eines Kindes auf den ersten Blick erkennen, wie gefährlich, ja aussichtslos die Lage ist. Werden die Wogen die beiden verschlingen? Wer weckt da den Schlafenden unsanft?

Manche anderen Bilder vom Sturm auf dem See Genezareth wirken dagegen auf mich harmlos. Das Kind aber bietet keine freundliche Illustration, setzt nicht die zwölf Jünger und Jesus ins Gruppenbild. Es malt stattdessen einen Menschen in höchster Bedrängnis – sich selbst? Die Angst überrollt, überwältigt auch noch die Betrachter. Und die Rettung? Sie kommt nicht ins Bild, deutet sich nur vorsichtig an. Der Moment der Angst ist plastisch erfasst, im Malen geduldig ausgehalten, nur das Lächeln des Schlafenden deutet auf die Sturmstillung voraus.

An das Bild und die Geschichte vom großen Sturm erinnerte ich mich sofort, als ich die Fragen des Lehrtextes für heute las: „Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben?" (Markus 4) Das sind keine moralischen Fragen, die man mit Ausdauer und Haltung gut abweisen könnte. Die Fragen erinnern an den Schrei, den wir in der Karwoche aus dem Mund Jesu selbst hören werden: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Er schreit wie die Beter in den Psalmen vor ihm, die sich nach Geborgenheit und Gottvertrauen sehnen, weil sie wissen: Wir haben es nicht im Voraus. Wir werden in jeder Angst und in jeder Krise neu um Gottvertrauen bitten müssen und wollen es tun – in der Hoffnung auf den Begleiter und seine Hilfe.

(Bild aus Wilhelm Nyssen, Das Credo des Bildes - Kinder malen den Glauben, Speebuchverlag Trier 1974, S. 63.)