"Besinnung am Wochenende" in der Lutherkirche

  • 10.08.2019
  • Superintendent i.R. Ekkehard Vollbach

Psalm 127, 1

Wenn der Herr nicht das Haus baut, da arbeiten umsonst, die daran bauen.  Wenn der Herr nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst.

 

Jahrelang  haben sie gespart. Jede freie Minute verbrachten sie auf der Baustelle, hatten kein Wochenende, gönnten sich keinen Urlaub. Das alles, um sich endlich den Wunsch, in einem  Traumhaus wohnen zu können, zu erfüllen. Nach einer aufregenden, die Nerven strapazierenden Zeit dürfen die Bauherren endlich in das Haus einziehen, von dem sie so lange geträumt hatten, um glücklich darin zu ledben.   Doch kurze Zeit später  steht ihr Traumhaus zum Verkauf. Die Eheleute, die es gebaut hatten, haben sich getrennt und streiten nun vor Gericht erbittert um den Zugewinnausgleich.

Das Haus ist fertig, ihre Ehe auch.  In den Medien finden sich immer wieder Artikel mit Überschriften wie:  „Das Eigenheim, der Beziehungskiller“ oder „Aus dem Liebesnest wurde ein Zankapfel“.

Dieses in unserer Zeit leider recht  häufige Geschehen stand  mir vor Augen, als ich begann, über den 1. Vers des 127. Psalms nachzudenken:

Wenn der Herr nicht das Haus baut, da arbeiten umsonst, die daran bauen…

-  Um die Besonderheiten der Psalmen verstehen zu können, haben die Forscher des AT sie   in Typen, sog. Gattungen, eingeteilt. Und Psalm 127 gehört ihrer Meinung nach in die Reihe der sog. Weisheitspsalmen.  Diese Psalmen sind beeinflusst von dem Streben nach Weisheit, das in der Zeit  des Königs Salomo eine Rolle spielte. Weisheit bedeutete damals ähnlich wie heute, sich so um das Verständnis der Welt zu bemühen, damit man mit diesem Wissen das persönliche Leben bewältigen kann.

So ist es nicht verwunderlich, dass die Weisheitspsalmen Vorgänge des täglichen Lebens zum Thema haben wie Hausbau, Schutz vor Unbill und Feinden oder auch  Feldarbeit. So die Ps 112, 128, 133.

Dafür drei Beispiele:  

„Wohl dem, der den Herrn fürchtet, der große Freude hat an seinen  Geboten!

Sein Geschlecht wird gewaltig sein im Lande; die Kinder der Frommen werden  gesegnet sein.“

(Ps. 112, 2-2);

„Wohl dem, der den Herrn fürchtet und auf seinen Wegen geht! Du wirst dich nähren von deiner Hände Arbeit. Wohl dir, du hast es gut.“ (Ps.128, 1.2) und

 „Siehe, wie fein und lieblich ist’s, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen! Es ist wie das feine Salböl auf dem Haupte Aarons…“ (Ps. 133, 1-2a)

-  Um auf unser oben angeführtes Beispiel des Traumhauses zurückzukommen bedeutet das: 

Es gehört mehr dazu, ein solches Projekt zu schultern, als Geld, Kredite, Arbeit, Fleiß und technische Parameter. Es braucht vor allem die Liebe der Eheleute und ihr Vertrauen zueinander. Trotz aller Termine sollten sie Zeit haben füreinander, Stunden der Erholung suchen, gute Worte finden  und den Mut zur Vergebung haben, wenn etwas schief gelaufen ist.

Psalm 127, 1 erinnert daran, dass diese ungemein wichtigen zwischenmenschlichen Empfindungen, Gefühle, Vertrautheiten  und Handlungen viel notwendiger sind als günstige Kreditbedingungen.

Bauleute, die mit Gott eng verbunden sind, so der Psalm,  bekommen die nötige Kraft, den rechten Mut und vor allem Gottes Segen geschenkt, um  neben all den äußeren Dingen, vor allem auch auf die Dinge des Herzens achten zu können. 

-  Wenn der Herr nicht das Haus baut, da arbeiten umsonst, die daran bauen…

Dieser Satz bezieht sich aber nicht nur auf die vier Wände eines Hauses, auf Steine oder Mauern.

 Er veranschaulicht auch, wie wichtig Gottes Gegenwart, Hilfe und Segen im Hinblick auf unser   Lebensgebäude ist.

Wie sieht es mit diesem unserem Lebensgebäude aus? Ist es gar nur ein Kartenhaus, das bei der

ersten kleinen Erschütterung zusammenbricht? Oder sind  wir Alten noch immer auf der Suche nach einem traumhaften Leben und vergeuden dabei Zeit und Kraft? Hat unser Leben ein solides Fundament oder ist es gar auf Sand gebaut und somit  bedroht von wirtschaftlichen und politischen

Strömungen und Stürmen? 

Wer Gott in seinem Leben außen vor lässt, so unser Psalmwort, hat ein Problem:

Er  muss nämlich alles in seinem Leben mit sich selbst ausmachen. Er kann zwar menschliche Hilfe annehmen, sich auch mit Freunden bereden, von Fachleuten Rat einholen, von  lieben Menschen sich trösten lassen, aber letztlich ist er allein auf sich geworfen, muss allein zurande kommen, alles allein durchstehen.

Gott bietet seine Hilfe an. Bei ihm ist man gut aufgehoben in guten wie in schlechten Zeiten. Bei ihm kann man sich ausweinen und sogar beschweren. Und Gott lässt niemanden ungetröstet.

Er kann raten und neue Perspektiven aufzeigen. Bei ihm kann man Kraft bekommen und die für unser Tun nötige  Sicherheit. Gottes Angebot ist echte Lebenshilfe und schenkt richtige Lebensqualität.

-  Unser Psalmvers hinterfragt den sog. „American dream“  „Vom Tellerwäscher zum Millionär“, das falsche Versprechen der Werbung, von sog. Ratgeberseminaren  und Unternehmercoatches, die da behaupten:

 „Wenn du etwas wirklich willst und hart dafür arbeitest, kannst du alles erreichen.“

Dieses Versprechen ist gefährlich und falsch. Gewiss, man kann schon  einiges tun, um sein Leben zu gestalten, z.B. lernen, fleißig sein, freundlich und beharrlich. Doch die Sprüche von „Glückes Schmied“ blenden von vornherein die Phänomene Krankheit und Tod vollkommen aus. Und auch Gottes Handeln haben sie nicht im Blick. Damit ist schon klar, dass sie nicht viel taugen.

-  Vor geraumer Zeit besuchten wir eine alte Weberei, die heute ein Museum ist. Alles ist erhalten, wie es einst war. Der ganze Betrieb sah so aus, als sei er soeben angehalten worden.

Im Büro lag ein altes Hauptbuch zur Besichtigung aus. Auf der ersten Seite des Buches hatte der Chef mit eigener Hand in Schönschrift die Worte geschrieben: „mit Gott“.  Ob nur Routine oder echte Wegweisung  - es war eigentlich ein sehr schöner Brauch, bei einem Neuanfang um Gottes Segen zu bitten, etwa beim Hausbau oder bei der Aussaat im Frühjahr, aber auch zu Beginn eines neuen Jahres und eines neuen Lebensabschnitts.

Solch ein Spruch, Gebet oder Motto verpflichtete zu einer ganz besonderen Lebensführung Betriebsführung und Personalführung.

Leider fiel dieser Brauch der Glaubenslosigkeit unserer Zeit zum Opfer. Und so ist unsere Zeit eben, wie sie ist.

-  Vielleicht bin ich naiv, aber Ich kann mir vorstellen, dass in dem Falle, wenn die Planer, Betriebsleiter und Meister beim Bau des Flughafens in Berlin Gott hätten im Sinne unseres Psalms mit bauen lassen, das heißt, wenn alle Beteiligten sowohl die Chefs als auch die Arbeiter vor Ort nach Gottes Geboten und in seinem Sinne gehandelt hätten, dann wäre der Flughafen inzwischen schon in Betrieb, denn dann hätten die Verantwortlichen genauer, besser, ehrlicher, richtiger und solider gerechnet, geprüft und geplant.

 Dasselbe gilt für die Arbeit der Parteien in Kreistagen, Landtagen, im Bundestag und auch im  Europaparlament. So unwürdiges Theater, wie wir es unlängst bei der Europawahl erleben mussten, hätte es dann wohl nicht gegeben.

 -   Wie der erste Satz wird auch der zweite Satz in Form einer unabdingbaren Voraussetzung formuliert:                                                                                                                                                       

„Wenn der Herr nicht die Stadt behütet, späht umsonst der Wächter aus“.

Das Schutzbedürfnis ist  in unserer Zeit groß. Zwar stehen keine Wächter mehr auf der Stadtmauer, doch Wächter gibt es ohne Ende: Es gibt immer weniger öffentliche Orte, an denen man sich bewegen kann, ohne von einer Überwachungskamera registriert zu werden. Das Schutzbedürfnis, die Angst vor allen möglichen Gefahren ist so groß, dass man alles um sich herum und sich selbst

überwacht, dass man so zum Objekt und zum Gefangenen wird. George Orwells fiktive Größe, der

große Bruder, im Roman „1984“ der alles sieht und weiß, ist längst bittere Wirklichkeit im heutigen Leben geworden.

Unsere Welt, die auf Gottes Schutz verzichtet, ist mehr und mehr dabei, ein bewachtes Gefängnis zu werden. 

Psalm 127, 1 erinnert darin, dass alle Mühe und alles Tun von uns Menschen umsonst ist, wenn wir Gott in unserem Denken und Handeln ausblenden und meinen, eine Welt ohne Gott, wäre modern und zeitgemäß.